Politik

Neuer Konflikt um Bahnausbau bahnt sich an

Die Oldenburger Politik will sich gegen den Ausbau der Bahnstrecke und für eine Umfahrung aussprechen.

Die Oldenburger Politik will sich gegen den Ausbau der Bahnstrecke und für eine Umfahrung aussprechen. Davor warnen Kammern und Wirtschaftsverbände.
Foto: privat

Oldenburg (Michael Exner) Um den Ausbau der Bahnstrecke Wilhelmshaven-Oldenburg bahnt sich ein neuer Konflikt zwischen Stadt und Region an. Während sich die Oldenburger Politik auf einer Sondersitzung des Rates am nächsten Donnerstag grundsätzlich gegen den Ausbau der Stadtstrecke und für eine Umfahrung in Stellung bringen will, warnen Kammern und Wirtschaftsverbände in einer konzertierten Aktion die Stadt vor genau dieser Positionierung.

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Hintergrund des Streits ist die Anbindung des Wilhelmshavener Jade-Weser-Ports. Nachdem die Politik die damit für die Stadt verbundenen Probleme über Jahre hinweg weitgehend ausgeblendet hatte, brach bei Konkretisierung der Bahn-Pläne zum Ausbau der Strecke durch die Stadt vor einigen Jahren unter dem Druck einiger selbsternannter Bahninitiativen hektische Betriebsamkeit aus. Linke (zuerst) und Grüne verbissen sich in die Idee des Neubaus einer Stadtumfahrung zumindest für den Güterverkehr. Die CDU sprang mit Blick auf bevorstehende Wahlen auf den Zug, obwohl der Kurs innerhalb der Partei umstritten ist. Die Sozialdemokraten halten die Umfahrung aktuell für unrealistisch und wollen sich eher auf Lärmschutz und anderes konzentrieren. Eine Linie, die auch ihr Oberbürgermeister Jürgen Krogmann vor drei Jahren in seinem (erfolgreichen) Wahlkampf vertreten hat. Das ganze Gerangel mündete letztlich in einem einhelligen Ratsbeschluss, der zumindest eine Prüfung der Umfahrungsvariante verlangt und für den Fall des Stadtstreckenausbaus ein umfangreiches Forderungspaket zu Lärmschutz und Rettungswegen enthält. Die Umfahrungsvisionen finden weder bei Bund noch Land Unterstützung und haben die Nachbarn der Stadt (insbesondere den Kreis Ammerland) verärgert.

Die Bahn lehnt einen Umfahrungsbau ab, will ihn nicht mal prüfen und plant den Stadtstreckenausbau. Bis Montag liegen die Planfeststellungsunterlagen noch aus, am 18. April endet die Einwendungsfrist. Zuvor will der Rat seine Positionen abstecken. In der Vorlage für die Sondersitzung heißt es gleich zu Anfang: „Die Stadt Oldenburg hält insbesondere an ihrer Forderung nach einer Eisenbahnumfahrung fest.“ Sie sei gegenüber dem Ausbau der Bestandsstrecke die vorzugswürdige Alternative.

Genau gegen diese Haltung richtet sich der gemeinsame Appell der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer Oldenburg (HWK), des Arbeitgeberverbandes Oldenburg (AGV) und des Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbandes Jade (AWV) für eine zügige Fertigstellung der Bauarbeiten an der Bahnlinie. „Ertüchtigung und Elektrifizierung der Strecke sichern Arbeitsplätze und stärken die Wirtschaftskraft der gesamten Region“, erklärten IHK-Präsident Gert Stuke, HWK-Präsident Manfred Kurmann, AGV-Vorsitzender Jörg Waskönig und AWV-Präsident Tom Nietiedt. Der Umschlag im Jade-Weser-Port werde weiter wachsen. Von der Elektrifizierung könne auch der Personenverkehr auf der Schiene und damit der überregionale Tourismus profitieren.

Um das für den Nordwesten vordringliche Schienenprojekt insgesamt nicht weiter zu verzögern, sei für Oldenburg der Ausbau der Stadtstrecke die einzige Lösung, die sich derzeit realistisch umsetzen lasse. Gleichzeitig sehe man bei einer zweiten Ausbaustufe des Hafens die Notwendigkeit einer Umfahrung Oldenburgs für den Güterverkehr. Wenn die Stadtratsfraktionen aber weiterhin nur auf eine Umfahrung setzten, würden sie die Verantwortung dafür tragen, dass künftig zusätzlicher Güterverkehr ohne Verbesserungen an der Stadtstrecke durch Oldenburg rolle. Eine Umfahrung sei auch im neuen bis zum Jahr 2030 laufenden Bundesverkehrswegeplan nicht vorgesehen und finde außerhalb Oldenburgs keine politische Unterstützung. Mit der einseitigen Haltung gegen den Ausbau der Bestandsstrecke lasse sich auch das Problem höhengleicher Bahnübergänge nicht lösen. Zudem sei eine Verlagerung von schwerem Güterverkehr auf die Straße sehr wahrscheinlich, was angesichts der drohenden Engpässe durch die anstehenden Brückensanierungen auf dem Autobahnring um Oldenburg problematisch werden dürfte.

Oberbürgermeister Jürgen Krogmann verwies hinsichtlich der Erklärung auf den einstimmigen Ratsbeschluss. „Natürlich hat auch die Stadt Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des Jade-Weser-Ports“, sagte er. „Aber die Anwohner haben auch ein Anrecht auf ausreichend Lärmschutz.“

Dass die Politik sich mehrheitlich von dem aktuellen Appell beeindrucken lassen könnte, gilt als unwahrscheinlich. Allerdings wäre ein Beschluss laut Vorlage für sich genommen unschädlich. Erst wenn der Planfeststellungsbeschluss (wie allgemein erwartet) für den Stadtstreckenausbau ausfallen sollte, käme es zum Schwur: zur Entscheidung über eine Klage der Stadt.

Dabei ist die Haltung der Oldenburger Politik bislang keineswegs einheitlich. Lautstärke und Öffentlichkeitspräsenz der Bahnkritiker stehen in keinem Verhältnis zu ihrer politischen Relevanz. Krogmann gewann den OB-Wahlkampf 2014 mit Realismus und Skepsis in Sachen Bahn deutlich gegen den Umfahrungsbefürworter Christoph Baak (CDU). Die SPD blieb 2016 mit dieser Linie klar stärkste Fraktion im Rat. Die bekannt umfahrungskritische CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Esther Niewerth-Baumann lehnte es bei der Landtagskandidatenaufstellung ihrer Partei vor ein paar Wochen konsequent ab, über die Stöckchen der Bahnkritiker zu springen – und wurde nominiert. Und die von den Bahninitiativen übernommene Gruppierung FW / BFO brachte im Vorjahr gerade noch einen Vertreter in den Rat. Der ist inzwischen ausgetreten und hat sich der CDU angeschlossen.

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