Theater

Theaterkritik: Oper „Dead Man Walking“ berührt

Die Oper „Dead Man Walking“ ist im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen. Die Hauptpartien singen Melanie Lang (2. von links) und Kihun Yoon (3. von links). Zum Ensemble gehören auch Andreas Lütje (links) und Alwin Kölblinger.

Die Oper „Dead Man Walking“ ist im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen. Die Hauptpartien singen Melanie Lang (2. von links) und Kihun Yoon (3. von links). Zum Ensemble gehören auch Andreas Lütje (links) und Alwin Kölblinger.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs) „Du sollst nicht töten“, steht in der Bibel. Dürfen sich dann gläubige Christen über dieses kirchliche Gebot hinwegsetzen und selbst töten, auch wenn sich dabei um einen zum Tode verurteilten Mörder handelt? Diese Frage um Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt der Oper „Dead Man Walking“, die derzeit im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters gespielt wird. Vorlage dieser beeindruckenden und zugleich beklemmenden Inszenierung ist der gleichnamige Oscar prämierte Film. Die amerikanische Oper von Terence McNally (Libretto) und Jake Heggie (Musik) aus dem Jahr 2000 um das strittige Thema Todesstrafe ist in Oldenburg in der Inszenierung von Olivia Fuchs zu sehen.

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Das Geschehen orientiert sich nah am Hollywoodfilm von Tim Robertson mit Sean Penn und Susan Sarandon in den Hauptrollen. Auch die Hauptdarsteller in Oldenburg bestechen durch eine enorme Bühnen- und Gesangspräsenz. In knapp drei Stunden erlebt das Publikum Melanie Lang als Sister Helen Prejean, die eine Brieffreundschaft mit dem in der Todeszelle sitzenden Joseph de Rocher (Kihun Yoon) pflegt. Auf sein Bitten soll sie ihn auch als christlichen Beistand bis zur Todesspritze begleiten. Im Laufe ihrer Besuche entwickelt sich eine persönliche Beziehung zwischen den beiden, die beide zwischendurch immer wieder an ihre Grenzen bringt.

Große Gesangskunst aller Beteiligten

Dieses bewegende Thema, der Kampf um Schuld und Sühne sowie der Blick in die Seelen eines Mörders und einer Ordensschwester („Nur Gott kann alles regeln“) ergreifen auch das Publikum, dass nach dem Schlussvorhang erst kurz Luft holen muss, bevor das gesamte Ensemble mit verdient großem Applaus gefeiert wird. Die Regisseurin entscheidet sich für eine schlichte Inszenierung mit einem offenen, dunklen Bühnenbild (Jamie Vartan) dessen Spielszenen nur mit Gefängnisgittern, Schreibtischen, Stühlen oder Autositzen ausgestattet sind. Im Mittelpunkt steht der Gesang von Melanie Lang und Kihun Yoon, die im permanenten Einsatz ihre großen Gesangsqualitäten auf allen Ebenen präsentieren. Das verzweifelte Flehen um Begnadigung des „Bären“ Joe de Rocher geht unter die Haut. Auch die Nebenrollen sind gesanglich perfekt und beeindruckend in Szene gesetzt. Besonders Ann-Beth Solvang als Mutter des Mörders weiß ihre tiefen Muttergefühle gepaart mit Wut und Verzweiflung im höchsten Maße emotionsgeladen und kraftvoll darzustellen. Daneben erhält auch Martyna Cymerman als Sister Rose ebenso verdient große Anerkennung vom Publikum. Warum sich die Kostümbildnerin Zahra Mansouri in der zeitlos angelegten Inszenierung bei der Garderobe und den Frisuren der beiden Familien der getöteten Teenager allerdings für ein altbackenes Aussehen entschieden hat, bleibt aber fraglich.

Musikalisch bewegt sich „Dead Man Walking“ an amerikanischen Klängen zwischen Gospel, Jazz, Blues und Filmmusik und ist abwechslungsreich angelegt. Kapellmeister und Dirigent Cárlos Vasquez weiß die gefühlvollen, ruhigen Passagen ebenso gekonnt umzusetzen, wie die imposanten Ensembleszenen mit Chor und Extra- und Jugendchor, die das Große Haus beben lassen.

Der Begnadigungsausschuss lehnt am Ende das Gesuch von Joseph de Rocher ab und entscheidet sich für die Giftspritze und gegen das kirchliche Gebot. Die Diskussion darüber und über das persönliche Entscheiden gehen weiter.

Vorstellungstermine und Karten unter www.staatstheater.de.

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