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Videobrille statt Medikamente

Dr. Ulrike Raap und Matthias Wilke legen die Einstellungen am sogenannten Media-Center der Videobrille fest – die Patientin kann über eine Fernbedienung die Inhalte der ablenkenden Filme steuern.

Dr. Ulrike Raap und Matthias Wilke legen die Einstellungen am sogenannten Media-Center der Videobrille fest – die Patientin kann über eine Fernbedienung die Inhalte der ablenkenden Filme steuern.
Foto: Lukas Lehmann / Klinikum Oldenburg

Oldenburg (am/pm) Neue Wege in der nichtmedikamentösen Juckreiz- und Schmerztherapie geht die Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums Oldenburg. In der Klinik ist eine Videobrille im Einsatz, die zur Ablenkung und Entspannung bei Patientinnen und Patienten dient. Die Brille ist bereits fest in den Stationsalltag integriert und soll beispielsweise zukünftig auch in der Palliativmedizin oder in der Kinderheilkunde eingesetzt werden.

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„Ausgangspunkt war, dass wir etwas suchten, das wir unseren Patienten und Patientinnen als Alternative zu Medikamenten in der Schmerztherapie anbieten können. Es sollte etwas sein, das entspannt und ablenkt, so dass das Gehirn und die Sinne während der Therapie mit positiven Eindrücken beschäftigt ist“, berichtet Universitätsprofessorin Dr. Ulrike Raap, Direktorin der Universitätsklinik für Dermatologie. „Die Brille wird bereits in den USA in der Schmerztherapie und in Verbrennungsstationen eingesetzt um weniger morphinhaltige Medikamente, sogenannte Opioide, geben zu müssen“, ergänzt Dr. Carsten Bantel, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv, Notfallmedizin und Schmerztherapie im Klinikum.

Über mehrere Monate wurden verschiedene Geräte ausprobiert und gerade diese Videobrille habe erstaunliche Ergebnisse gezeigt. Der Stationsleiter Matthias Wilke erzählt: „Wir haben beobachtet, dass die Videobrille bei den Patientinnen und Patienten auf unserer Station nicht nur entspannt, ablenkt und zu einer Schmerzreduktion führt, sondern auch zur Folge hat, dass der Juckreiz bei Hautirritationen bei vielen nachgelassen hat.“ Raap ergänzt: „Dermatologische Erkrankungen gehen oftmals mit Juckreiz einher. Das stellt eine zusätzliche psychische Belastung der Erkrankten dar. Alles, was dazu beiträgt, dass sich unsere Patientinnen und Patienten wohler fühlen, wirkt sich positiv auf die Heilung aus. Deshalb haben wir nun die Videobrille auf der Station regelmäßig im Einsatz.“

Im Vorfeld hatte die Station drei verschiedene Systeme getestet mit der Virtual Reality Brille (VR), der Augmented Reality Brille (AR) und Audiovisuelle Stimulation Brille (AS). Nach knapp drei Monaten fiel das Fazit durch die Patientinnen und Patienten deutlich für die Videobrille (AS) aus. Gründe hierfür waren überraschenderweise, dass die anderen beiden eher unruhig machten, dadurch, dass sie zum Mitmachen und Umherschauen animieren. Testprobanden sollten eigentlich ausschließlich Schmerzpatientinnen und -patienten sein. Jetzt soll eine Studie diese positiven Ergebnisse gegenüber dem Juckreiz auf ein wissenschaftliches Fundament setzen.

„Da diese Therapie im Patientenbett stattfindet, wurden aber auch andere Patienten aufmerksam und waren an der Brille interessiert. Deshalb durften sie auch testen“, erzählt Matthias Wilke, „dabei fiel schnell auf, dass besonders die Juckreiz-Patienten positiv auf die Behandlung reagierten. Und damit war auch schnell die Idee geboren, dies zum einen wissenschaftlich aufzuarbeiten und zum anderen unseren Patienten diese Möglichkeit mit anzubieten.“ Nach Auswertung der Evaluationsbögen der Testphase zeigte sich, dass 90 Prozent der Patientinnen und Patienten während der Behandlung entspannter waren.

Audiovisuelle Videobrille

Videobrillen werden unter anderem bei medizinischen Eingriffen eingesetzt, um bei Patientinnen und Patienten Angst und Stress zu verhindern, da dies zu erhöhtem Blutdruck, Puls und Atmungsbeschleunigung führt, und Schmerzen intensiver wahrgenommen werden. Während der Behandlung kann der Patient jeweils abgestimmt auf das Alter beruhigende Naturdokumentationen oder auch Konzerte oder Kinderserien sehen. Dabei ist jederzeit die behandelnde Person in der Lage mit dem Patienten über den Kopfhörerzugang zu kommunizieren. Auch unterschiedliche Sprachen sind verfügbar. Es hat sich gezeigt, dass die Patientinnen und Patienten weniger Schmerzen wahrnehmen, die Behandlungsdauer als kürzer empfinden und sich nach Eingriffen auch schneller erholen.

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