Wirtschaft

EWE: Kritik an Türkei-Investitionen

Nachdem bekannt geworden ist, dass die EWE AG 120 Millionen Euro in der Türkei investieren will, meldeten sich Kritiker zu Wort.

Nach Putschversuch und Säuberungen in der Türkei: EWE setzt sich für Rechte der Mitarbeiter ein.
Foto: EWE

Oldenburg (zb) Nachdem bekannt geworden ist, dass die EWE AG in den kommenden drei Jahren 120 Millionen Euro in der Türkei investieren will, um das Gasnetz auszubauen, meldete sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Barbara Woltmann, zuständig für Oldenburg und das Ammerland, kritisch zu Wort. Man dürfe den Gesprächsfaden zur Türkei nicht abreißen lassen, schreibt sie in einem Brief an den EWE-Vorstandsvorsitzenden Matthias Brückmann, aber „in Anbetracht der jetzigen Situation hege ich – gerade auch im Hinblick auf die personelle ‚Säuberungswelle‘ in türkischen EWE-Tochterunternehmen – große Zweifel, ob im Moment der richtige Zeitpunkt für eine derart große Investition der EWE in der Türkei ist.“

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Auch Holger Onken, Oldenburger Ratsherr der Gruppe Die Linke / Piratenpartei, äußert starke Bedenken. „Offenbar hält die Geschäftsführung des Energieversorgers an ihren Plänen fest, obwohl Presseberichte nahelegten, dass Mitarbeiter türkischer EWE-Tochtergesellschaften durch die türkische Regierung aufgrund politischer Kriterien entlassen werden“, schreibt er in einer Pressemitteilung. „Ein solches Vorgehen steht in krassem Widerspruch zu den hohen Standards, die sich die EWE in ihrem Verhaltenskodex zur Unternehmensführung (Compliance) selbst gegeben hat. Dort heißt es: ‚Unser Handeln steht für die Werte Mut, Gradlinigkeit, Fairness, Integrität und Loyalität‘“, zitiert der Ratsherr.

EWE seit 2007 in der Türkei aktiv

Die EWE AG ist seit 2007 mit eigenen Gesellschaften in der Türkei aktiv, hat 2015 in Istanbul, Bursa und Kayseri rund 750 Mitarbeiter beschäftigt und einen Umsatz in Höhe von knapp 720 Millionen Euro erzielt. Vor ein paar Wochen, das bestätigt ein EWE-Sprecher auf Nachfrage, sei der Vorstandschef gemeinsam mit dem Geschäftsführer der EWE Turkey Holding zu energiepolitischen Gesprächen mit dem türkischen Energieminister sowie dem Präsidenten der Regulierungsbehörde in Ankara zusammengetroffen.

Die politische Situation in der Türkei sei nach dem Putschversuch im Sommer weiterhin von zahlreichen Herausforderungen geprägt. Um sie zu bewältigen, unterhalte EWE einen regelmäßigen, sachlichen Austausch mit den relevanten türkischen Partnern und Behörden, erklärte ein EWE-Sprecher. „Die Gespräche hatten das Ziel, das bisherige Investment und die EWE-Mitarbeiter in der Türkei zu schützen, für EWE kritische Punkte bei den politisch Verantwortlichen klar anzusprechen und belastbare Voraussetzungen für das Geschäft der türkischen Gesellschaften und ihre über eine Million Kunden zu schaffen“, erklärte der EWE-Sprecher weiter.

Thematisiert worden seien dabei unter anderem mögliche Investitionen in den Gasnetzausbau. EWE habe dabei deutlich gemacht, dass das Unternehmen grundsätzlich dazu bereit sei, den vor einigen Jahren begonnenen Infrastrukturausbau rund um die Großstädte Bursa und Kayseri fortzuführen, wenn der türkische Staat Rahmenbedingungen schaffe, die für EWE wirtschaftlich tragfähig seien.

Hintergrund ist, dass viele ländliche Gebiete in der Türkei noch nicht an das Gasnetz angeschlossen sind. Dies gilt auch für das Umland von Bursa und Kayseri. In den vergangenen zwei Jahren hat EWE dort erste Städte neu erschlossen (Bünyan, Develi, Iznik). „Dieses Infrastrukturgeschäft mit Augenmaß fortzusetzen, ist für uns weiterhin sinnvoll, zumal die betreffenden Gebiete daran ein starkes Interesse haben“, so der Sprecher.

Voraussetzung seien vernünftige wirtschaftliche Rahmenbedingungen beziehungsweise die Genehmigung entsprechender Tarife für Bursagaz und Kayserigaz. Diese Tarifentscheidungen seien für 2017 angekündigt. „Der türkischen Seite wurden unter dieser Voraussetzung Investitionen in Höhe von insgesamt rund 120 Millionen Euro in den kommenden drei Jahren in Aussicht gestellt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die türkischen EWE-Gesellschaften diese Investitionsmittel selbst erwirtschaften“, hob der Sprecher hervor.

Neben einigen rechtlichen und regulatorischen Fragestellungen sei in beiden Gesprächen auch die Wiederzulassung der von Bursagaz-Mitarbeitern gegründeten sozialen Organisation „Bursagaz Eğitim Gönüllüleri Derneği (EGD)“ gefordert worden, berichtet der Sprecher weiter. Sie war im Sommer 2016 per staatlichem Eingriff geschlossen und öffentlich zu Unrecht in die Nähe terroristischer Aktivitäten gestellt worden.

„Den über 400 ehrenamtlich in der Organisation tätigen Mitarbeitern ist dies sehr nahe gegangen. Die gemeinnützige Organisation hat über Jahre hinweg erfolgreich vor Ort staatliche Schulen unterstützt, unter anderem bei der Renovierung von Unterrichtsräumen. Das Verbot der Organisation wurde mittlerweile aufgehoben und die betroffenen Mitarbeiter damit vom Vorwurf befreit, etwas Unrechtes getan zu haben“, berichtete der Sprecher und fügte hinzu: Dies ist ein Beispiel dafür, wie wir derzeit in der Türkei agieren. Wir prüfen Hinweise staatlicher Stellen sorgsam und treten für unsere Mitarbeiter ein, wenn sich Vorwürfe als ungerechtfertigt herausstellen beziehungsweise nicht von uns nachvollzogen werden können. Richtig ist aber auch, dass unsere türkischen Gesellschaften nach dem Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 Aufhebungsverträge mit Mitarbeitern geschlossen haben“, berichtete der Sprecher weiter.

Systematisch gegen die Compliance-Richtlinien verstoßen

Dies sei geschehen, weil die betreffenden Manager und Mitarbeiter der türkischen Gesellschaften systematisch gegen die im Unternehmen gültigen Compliance-Richtlinien verstoßen hätten, „indem Führungskräfte, die Anhänger der Gülen-Bewegung sind, bei der Einstellung und Beförderung von Mitarbeitern gezielt Gülen-Anhänger bevorzugt haben. Bei Einstellungs- und Beförderungsentscheidungen ist entsprechender Druck ausgeübt worden. Ähnliches geschah bei der Auswahl von Lieferanten. Dies verstößt ganz maßgeblich gegen Unternehmensrichtlinien, deren Einhaltung EWE von Führungskräften und Mitarbeitern erwartet. Es ist für EWE in keinem Fall akzeptabel, dass Personal- und Einkaufsentscheidungen von persönlichen Beziehungen zu Bewerbern oder Dienstleistern und Lieferanten beeinflusst werden“, stellte der Sprecher klar.

EWE habe sich in dieser Phase intensiv für die Rechte derjenigen Mitarbeiter eingesetzt, bei denen keine Anhaltspunkte für die Einleitung einer Trennung erkennbar gewesen seien. „EWE hat in den Gesprächen mit türkischen Behörden, insbesondere dem Energieministerium, der Regulierungsbehörde für den Energiesektor und der Agentur für ausländische Investoren (ISPAT) stets betont, dass Personalentscheidungen in der EWE Türkei-Gruppe nach den Maßstäben von Compliance getroffen werden und entsprechende Informationen über Verstöße vorliegen müssen. Ist dies nicht der Fall, erfolgt auch auf Aufforderung von türkischen Behörden keine Trennung von diesen Mitarbeitern. Dieses Vorgehen wurde auch mit Vertretern der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara erörtert“, erklärte der Sprecher abschließend.

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1 Kommentar

  1. F. Oldenburg
    17. Dezember 2016 um 9.00 — Antworten

    Dann läuft es in der Türkei ja wie in Oldenburg mit der Einhaltung der Compliance Regeln. Passt doch!

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