Politik

Haushaltseinbruch spürbar – aber (noch) nicht dramatisch

Noch ist die Verminderung der Steuereinnahmen nicht dramatisch.

Noch ist die Verminderung der Steuereinnahmen nicht dramatisch.
Foto: Alexas Fotos

Oldenburg (Michael Exner) Vier Monate nach dem Ratsentscheid vom Januar ist das dort beschlossene Haushaltspapier nur noch Makulatur. Unter dem Eindruck der Coronakrise hat Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) am Freitag einen Nachtragshaushalt vorgelegt, der kommende Woche in den Finanzausschuss geht. Zwischenbilanz: Die Einschnitte sind spürbar, aber (noch) nicht dramatisch. Doch die Zeiten von Überschüssen und Entschuldung sind erst einmal vorbei.

Anzeige

„Wir gehören zu den Städten in Niedersachsen, die noch relativ gut durch diese Krise kommen“, sagte Krogmann bei der Präsentation im Rathaus. Die Stadt profitiere von einer „soliden Haushaltsführung“ und einer guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren. Dabei hat der Verwaltungschef die Zahlen durchaus auf seiner Seite. Oldenburg hat seit 2012 Überschüsse im Ergebnishaushalt erwirtschaftet, sämtliche Liquiditätskredite aus den mageren Jahren zurückgezahlt und alle Altfehlbeträge glattgestellt. In den Jahren 2018/19 gab es sogar eine (allerdings moderate) Entschuldung.

Kommunen sind immer dann zu einem Nachtragshaushalt verpflichtet, wenn sich im Laufe eines Jahres erhebliche Abweichungen vom beschlossenen Plan ergeben. Die liegen in diesem Fall auf der Hand. Im Januar hatte der Rat ein Haushaltspaket knapp unterhalb der 600-Millionen-Marke mit einem Überschuss von über 13 Millionen Euro beschlossen. Aktuell hat sich das Ergebnis um 24,4 Millionen verschlechtert, der Überschuss wandelt sich zum Defizit von etwas mehr als 11 Millionen. Die vorgesehene Entschuldung von ohnehin nur noch einer Million entschwindet am Horizont.

Maßgeblich für den Einbruch ist ein Minus bei der (ursprünglich mal mit 125 Millionen eingeplanten) Gewerbesteuer von 20 Millionen und beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer von 8,6 Millionen. Was die Bilanz noch etwas rettet, ist ein Plus von 17 Millionen aus dem Finanzausgleich. Auch bei den Gesellschaften und Beteiligungen sieht es trübe aus: Bäder und VWG werden nach jetzigem Stand jeweils zusätzlich 2,8 Millionen verschlingen, die Weser-Ems-Hallen etwa 1,6 Millionen.

Trotz dieser eher bescheidenen Aussichten will die Stadt an ihren Investitionen festhalten und zunächst auch auf ein Konsolidierungskonzept verzichten. „Wir werden nicht gegen die Krise ansparen“, sagte Krogmann. „Wir werden an unseren großen Projekten wie Schulen und Straßen festhalten. Den Kommunen fällt in dieser Krise eine Schlüsselrolle zu, um die Wirtschaft zu stützen.“ Auf Nachfrage nannte er auch den Neubau des Stadtmuseums als nicht tangiert. 300 000 Euro sollen zur Unterstützung der Kulturträger bereitgestellt werden, 100 000 für die Sportvereine, um deren Einnahmeausfälle auszugleichen. Auf ein eigenes Wirtschaftsförderprogramm will der OB zunächst verzichten, weil der Bund Doppelförderung verhindern wolle und es darum wenig Sinn mache, Geld zu zahlen, das an anderer Stelle wieder abgezogen werde. Aus den entsprechenden Töpfen von Bund und Land sind nach Krogmanns Worten in jüngster Zeit schon 18 bis 19 Millionen Euro nach Oldenburg geflossen.

Dass sich die Lage noch verschlechtern könnte, ist dem OB durchaus bewusst. Insofern wartet auch er auf das Ergebnis der dritten Steuerschätzung, die es (erstmals in diesem Jahr) im September geben soll, bleibt aber gedämpft optimistisch: „Wir werden Verschärfungen im Auge behalten“, sagt er. „Aber wir sind in der Lage, das auszuhalten. Wir haben noch Speck auf den Rippen.“

Kommentar: Risiken bleiben

Der Einbruch durch die Coronakrise kommt in keiner Hinsicht überraschend, nicht als solcher und auch nicht im vergleichsweise eher moderaten Volumen. Schon seit Jahrzehnten gilt für den Nordwesten: Im Wirtschaftsboom reicht der Gipfel hierzulande nie so hoch wie andernorts, dafür sind in Krisenzeiten die Täler auch nicht ganz so tief.

Insofern hält sich die Lage der Stadt im gewohnten Rahmen. Dass sich der Oberbürgermeister mit seiner „soliden Haushaltsführung“ dafür selbst ein wenig streichelt, sei ihm gegönnt. Das ist nicht falsch, allerdings auch nur die halbe Wahrheit. Zur ganzen zählt, dass in den vergangenen Jahren quer über alle Ebenen – Bund, Land und Stadt – die sprudelnden Steuerquellen derart viel Geld in die Kassen gespült haben, dass nicht mal die Politik mit dem Geldausgeben nachgekommen ist und eine Entschuldung quasi schon durch Nichtstun unvermeidbar wurde. Wer mag, kann das Sanierung nennen.

Es bleiben zwei Risiken: ein fiskalisches und ein politisches. Zum einen folgt dem wirtschaftlichen Einbruch der finanzielle stets mit einem Jahr Verspätung – weil nämlich dann erst abgerechnet wird. Zum anderen kommt genau dieses nächste Jahr als Wahljahr, was für jeden Finanzverantwortlichen an sich schon eine schlechte Nachricht ist. Gewählt wird nicht nur im Bund, sondern auch in der Stadt: ein Oberbürgermeister und ein Rat – erstmals seit 14 Jahren wieder gemeinsam. Wenn die Politik in dieser Situation darauf verzichtet, den Gönner zu spielen, könnte es in der Tat was werden mit dem halbwegs glimpflichen Überstehen der Krise.

Es ist wie im Theater: Erst nach dem letzten Akt wird geklatscht.

Vorheriger Artikel

Fraktionsübergreifende Forderungen nach Wahlrecht ab Geburt

Nächster Artikel

Gentechnik: Lebensmittelhandel drängt EU zu mehr Klarheit

1 Kommentar

  1. W. Lorenzen-Pranger
    1. Juni 2020 um 4.31 — Antworten

    >Die Stadt profitiere von einer „soliden Haushaltsführung“ und einer guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren. Dabei hat der Verwaltungschef die Zahlen durchaus auf seiner Seite.<

    Das wird die Stadt auch dringend brauchen, denn die neue Straßenverkehrsordnung erfordert ja etliche Umbauten vor allem der Fahrradwege, soll sie wirklich und ernsthaft umgesetzt werden. Gerade sind die Bau-Maßnahmen an der Ofener Straße beendet, stellt sich heraus, daß sie, was die Fahrbahnbreite des Radweges angeht, völlig unzureichend waren. Planungen in die Zukunft des Radverkehrs, das war schon während der Ausbesserungen dort klar, sehen grundsätzlich anders aus.

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.