Oldenburg

30 Jahre Gleichstellungsarbeit

Die Gleichstellungsbeauftragten Renate Vossler und Wiebke Oncken (von links) feiern heute mit ihren Vorgängerinnen und geladenen Gästen in der Kulturetage das 30-jährige Bestehen ihres Büros.

Die Gleichstellungsbeauftragten Renate Vossler und Wiebke Oncken (von links) feiern heute mit ihren Vorgängerinnen und geladenen Gästen in der Kulturetage das 30-jährige Bestehen ihres Büros.
Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (am) Die Gleichstellung von Frau und Mann hatte die Stadt Oldenburg im Sinn, als 1988 das Frauenbüro gegründet und eine Frauenbeauftragte eingestellt wurde. Jetzt feiert die zwischenzeitlich in Gleichstellungsbüro umbenannte Einrichtung ihr 30-jähriges Bestehen. Die Jubiläumsfeier findet heute in der Kulturetage statt.

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Mit der Annäherung der autonomen Frauenbewegung an die bürgerlichen Frauenverbände begann in den 1980er Jahren die Einbindung der feministischen Anliegen in die Institutionen durch die Schaffung von Lehrstühlen, eine erste Frauenministerin (Rita Süssmuth) und durch die Einstellung von Frauenbeauftragten in den Städten und Gemeinden. Schon 1988 wurde in Oldenburg – fünf Jahre vor dem sogenannten Frauenbeauftragtengesetz – das kommunale Frauenbüro eröffnet. „Es war schon ein Kampf“, weiß die stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte Renate Vossler. Zuvor fanden zahlreiche Aktionen der aktiven Frauenbewegung statt. In Oldenburg wurde unter anderem eine 98 Meter lange Schleife um das Rathaus gewickelt, um eine offizielle Instanz für Frauenrechte zu fordern. Nach heftigen Diskussionen im Stadtrat (damals mit neun Frauen und vierzig Männern besetzt) und mit viel Skepsis seitens der Verwaltung (ohne eine einzige Frau in einer Führungsposition) konnte die Forderung durchgesetzt werden. Die Frauenbeauftragten Annette Fischer und ihre Stellvertreterin Cornelia Lesk wurden eingestellt. „Aus der Frauen-Szene wurde die Gründung durchaus kritisch beäugt, verdächtigt als ‚Placebo‘, um der Bewegung die Spitze zu nehmen und sie im Verwaltungsapparat versanden zu lassen“, erinnert sich Annette Fischer. Damals sei es zunächst darum gegangen, an Entscheidungen beteiligt zu werden, sich mit den Aufgaben, Zuständigkeiten und Rechten vertraut zu machen. Annette Fischer legte das Fundament, auf dem ab 2000 Kornelia Ehrhardt (vorher Stellvertreterin) aufbauen konnte.

Erst 1993 wurde das sogenannte Frauenbeauftragtengesetz verabschiedet. Ab diesem Zeitpunkt mussten entsprechende Stellen in Gemeinden, Städten und Landkreisen eingerichtet werden. Geschlechterspezifische Diskriminierungen und Benachteiligungen im Blick zu haben, ist Teil der Aufgaben. Weil das beide Geschlechter betrifft, wurde 2015 das Oldenburger Frauenbüro zum Gleichstellungsbüro. „Es gibt aber wenig Bereiche in denen Männer benachteiligt werden“, betont Wiebke Oncken, die seit 2014 die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oldenburg ist.

Rückblickend freuen sich die beiden aktuellen Gleichstellungsbeauftragten über viel Erreichtes, wie die Vernetzung der Oldenburger Akteurinnen, über den größeren Anteil an Frauen im Stadtrat und darüber, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Huntestadt einen großen Stellenwert hat. Auch die Idee des Frauenmobils wurde im Gleichstellungsbüro entwickelt und Eröffnung der ExistenzgründungsAgentur für Frauen (EfA) unterstützt. In zahlreichen Arbeitskreisen wie Mädchenarbeit, Gewalt gegen Frauen oder Gesundheitsfragen bringen sich die Gleichstellungsbeauftragten ein. Und auch die Anerkennung in der Verwaltung ist gesichert: „Wir sind immer beteiligt und unsere Stimme hat Gewicht“, sagt Oncken. Nach 30 Jahren Einsatz ist der Beschäftigtenanteil der Frauen in der Stadtverwaltung mit 56 Prozent relativ hoch. Aber immer noch zu niedrig sei dagegen der Anteil von Frauen in Führungspositionen: „Da ist in den vergangenen Jahren eine Stagnation zu erkennen“, sagt Oncken. „Deshalb müssen wir gezielt auf qualifizierte Frauen zugehen und diese für Führungsaufgaben motivieren und begeistern“.

Heute ist der zu bearbeitende Themenacker nicht kleiner geworden. Die Gleichstellungsbeauftragten kümmern sich um Öffentlichkeitsarbeit, nehmen an relevanten politischen Ausschüssen teil, beziehen Stellung zu Maßnahmen aus Politik und Verwaltung, reden bei Personalentscheidungen mit, initiieren und unterstützen Netzwerke zur Verbesserung geschlechtsspezifischer Rahmenbedingungen, regen Projekte mit geschlechtsspezifischen Anliegen an oder führen sie selbst durch. Außerdem beraten sie bei Bedarf alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos.

Seit der Eröffnung sind die Oldenburger Gleichstellungsbeauftragten besonders aktiv, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. „Das Tabuthema zieht sich durch die letzten 30 Jahre“, so Oncken. Und es werde wohl weiter aktuell bleiben. Zurzeit wird dazu ein kommunaler Aktionsplan entworfen, um Bedarfe festzustellen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Außerdem engagiert sich das Gleichstellungsbüro beim niedersächsischen Mentoringprogramm „Politik braucht Frauen“. Im kommenden Jahr steht als dritter Schwerpunkt das 30-jährige Bestehen des Arbeitskreises Mädchenarbeit an. Grundsätzlich setzt sich das Gleichstellungsbüro auch für eine geschlechtergerechte Sprache ein. „Wir sind bei zirka 80 Prozent“, so Oncken. Das könne noch mehr werden.

Mit Blick auf die Gesellschaft sehen die Gleichstellungsbeauftragten zurzeit Rückschritte. Unter „Pinkifizierung“ verstehen sie die eindeutige Reduzierung auf Geschlechterrollen. Da sei es kein Wunder, dass sich das Berufswahlverhalten bei Mädchen nach wie vor kaum verändert habe, die Strukturen seien verkrustet. In Bilderbüchern müssten sich die Rollenvorbilder verändern. Außerdem sei es immer noch so, dass die Frauen in der Regel in Sachen Kinderbetreuung zuständig seien – kein Wunder, den sie verdienen unverändert 21 Prozent weniger als Männer.

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