Oldenburg

Ausstellung „Aktion Schwalbe“: Was Flucht bedeutet

Rund 200.000 Vertriebene kamen während und nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Aktion Schwalbe ins Oldenburger Land.

Rund 200.000 Vertriebene kamen während und nach dem Zweiten Weltkrieg ins Oldenburger Land.
Foto: Archiwum Panstowe, Wroclaw / Breslau

Oldenburg (zb) „Aktion Schwalbe“ ist eine Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft Vertriebene der Oldenburgischen Landschaft in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Oldenburg überschrieben, die am 3. September im Stadtmuseum eröffnet wird. Parallel dazu findet eine zweitägige Veranstaltung am 3. und 4. September jeweils ab 16 Uhr im Museum statt, in der Fachleute über die Aktion berichten und Zeitzeugen von ihren Erlebnissen erzählen.

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Nach ersten „wilden Vertreibungen“ von Deutschen aus ihrer Heimat im Osten in Folge des Zweiten Weltkriegs schlossen Briten und Polen ein Abkommen zur systematischen Aussiedlung der deutschen Bevölkerung in die britische und sowjetische Besatzungszone. Im Rahmen der sogenannten „Aktion Schwalbe“ 1946/47 wurden rund 1,4 Millionen Menschen vertrieben. Rund 200.000 von ihnen, deren größter Teil im Zusammenhang mit der „Aktion Schwalbe“ ihre Heimat verlassen musste, kamen damals ins Oldenburger Land; über 40.000 in die Stadt Oldenburg mit ihren 80.000 Einwohnern.

„Was bedeutet es für die Betroffenen, zu flüchten oder vertrieben zu werden?“ Diese Frage sei angesichts der Flüchtlingssituation wichtig und interessant, findet Landschaftspräsident Thomas Kossendey, der gleichwohl vor einem Vergleich von Flüchtlingen während und nach dem Zweiten Weltkrieg und den heutigen warnt. „Das lässt sich nicht vergleichen, wohl aber ihre Gefühlslage“, stellt er klar und betont, „dass der Begriff Heimat kein Begriff von gestern ist.“

Thomas Kossendey, Horst Milde und Ulrich Minke stellten die Ausstellung Aktion Schwalbe im Oldenburger Stadtmuseum vor. title=

Thomas Kossendey, Horst Milde und Ulrich Minke (von rechts) stellten die Ausstellung vor.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Er ist davon überzeugt, dass jeder von den Geschichten der Vertriebenen lernen kann. Denn sie können uns ihre Erfahrungen näherbringen und die tragen vielleicht dazu bei, heutige Flüchtlinge zu verstehen. Denn unabhängig von der unterschiedlichen politischen Situation erleben sie alle den Verlust der Heimat und müssen in der Regel ihre Fluchterlebnisse, die oft traumatisch waren, verarbeiten. Wie schwer das auch noch nach Jahrzehnten fällt, davon zeugen die Erzählungen von Vertriebenen, zu denen auch Horst Milde, einstiger Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg und Landtagspräsident gehört. Bis heute, so sagt er, seien nicht nur die Erinnerungen präsent sondern auch die seelischen Verletzungen zu spüren.

350 Transporte mit jeweils rund 1500 Menschen kamen während der „Aktion Schwalbe“ im Oldenburger Land an. Die Kommunen erhielten mitunter erst unmittelbar vor Ankunft der Vertriebenen Bescheid, so dass ihre Unterbringung nicht immer leicht war. Auch die Vertrieben, so berichtet Dr. Ulrich Minke, Leiter der Vertriebenen-AG, hätten oft nur wenige Stunden vorher Bescheid erhalten, dass sie abtransportiert werden. „Wir durften Handgepäck mitnehmen und 500 Reichsmark“, erzählt er. In den geschlossenen Waggons waren die Zustände erbärmlich. Manch einer überlebte sie nicht. Die Menschen verhungerten oder erfroren.

Horst Milde mit seiner Umhängetasche, die er während seiner Vertreibung als Elfjähriger mit seiner Mutter aus Breslau getragen hatte.

Horst Milde mit seiner Umhängetasche, die er während seiner Vertreibung als Elfjähriger mit seiner Mutter aus Breslau getragen hatte und die er jetzt dem Stadtmuseum überreichte.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Die „Aktion Schwalbe“ gehörte zu den letzten Kapiteln von verbrecherischen Taten – ausgelöst durch den Zweiten Weltkrieg. Für Milde sind die systematischen Massenausweisungen „pures Unrecht, wenn nicht gar ein Verbrechen“. Minke fügt hinzu: „Die Tatsache der Vertreibung ist das Unrecht, nicht die Form.“ Beide verweisen auf den polnischen Menschenrechtler Jan Józef Lipski, der 1981 unmissverständlich erklärte: „Das uns angetane Böse, auch das größte, ist keine Rechtfertigung und darf auch keine sein für das Böse, das wir anderen zugefügt haben.“

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