Premiere zwischen Langeweile und Gänsehaut

„Imago Suite“ wird erstmals von einem europäischen Ensemble getanzt.
Foto: Stephan Walzl
Oldenburg (vs) Ein Ballett-Doppelabend hat den schönen Vorteil, dass man auf den zweiten Teil hoffen kann, wenn der erste nicht gefällt. So geschehen bei der Premiere der BallettCompagnie Oldenburg, die jetzt auch in die laufende Spielzeit am Oldenburgischen Staatstheater eingestiegen ist. „Imago Suite“ lautet der Titel zur Eröffnung der Premiere im vollbesetzten Großen Haus. Im zweiten Teil wurde „4 Seasons“ aufgeführt.
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Das Werk „Imago Suite“ des amerikanischen Choreographen Alwin Nikolais (1910 bis 1993) hatte 1963 seine Uraufführung. Die Oldenburger Compagnie zeigt als erstes europäisches Ensemble diese Neueinstudierung. Angenommen hat sich dieser Arbeit der ehemalige Schüler und Choreograph Alberto de Saz.
Es ertönen laute elektronische Synthesizer-Klänge ohne jeglichen Rhythmus oder Zusammenhang zu denen sich die Tänzerinnen und Tänzer vor dem sich farbig-verändernden Hintergrund in wechselnden bunten Ganzkörperkostümen bewegen. Getanzt wird in den aufgefrischten Originalkostümen. Die weiß-bunt gestreiften und gemusterten Kostüme erinnern an Harlekine und mit den weißen Gesichtern und Hüten auf dem Kopf an Spielfiguren. Abstrakt wie Aufziehpuppen bewegt sich das Ensemble in wechselnden Formationen in schnellen Schritten. Mal im solo, als Duo oder komplett zu der anstrengenden Geräuschkulisse. Pop-Art ist das treffende Stichwort dieser Bilder. Dazu kommen Lichtspiele. Der Wechsel mit Licht und Schatten, der die Ensemblemitglieder auf dem Hintergrund größer und kleiner erscheinen lässt, ist Höhepunkt dieses Werkes, dass zu den bekanntesten Werken des Amerikaners zählen soll. Viel Applaus und Bravorufe einzelner Tanzfreunde. Pause. Aufatmen. Hoffen.
„4 Seasons“ mit stimmgewaltiger Chorbegleitung
Der Oldenburger Chefchoreograph Antoine Jully zeigt im zweiten Teil seine Uraufführung „4 Seasons“. Gespannt wird die musikalische Begleitung durch den Opernchor des Staatstheaters unter der Leitung von Thomas Bönisch erwartet. Zu hören sind klassische Werke von Paul Hindemith, Eric Whitacre, Peteris Vasks und Max Reger. Nach Recherche des Ballettdirektors Burkhard Nemitz hat es Ballett nur mit Chorbegleitung noch nicht gegeben. Getanzt wird vor locker hängenden, bodenlangen breiten Papierbahnen mit schwarz-weißen Ornamenten.

Antoine Jully hat „4 Seasons“ am Oldenburgischen Staatstheater als Uraufführung auf die Bühne gebracht.
Foto: Stephan Walzl
Zum Frühling wird ausgelassen, fröhlich, verspielt und verliebt getanzt. Klassisches Ballett wird, wie bei Antoine Jully üblich, gekonnt mit zeitgenössischen Tanzelementen kombiniert. Neue Bewegungsabfolgen sind erfreut zu entdecken. Tänzer rollen mit Kunstrasen auf die Bühne. Verspielte Einfälle, an die sich das Oldenburger Publikum mittlerweile gewöhnt hat. Musikalisch hätte ein etwas pfiffigeres Stück diese Tanzfreude treffender begleitet.
Sommer mit Gänsehautgarantie
Der Übergang in den Sommer ist fließend. So ähneln sich alle Jahreszeiten zu sehr im choreographischen Bild und in der Musik. Eine klare Linie und Trennung ist leider nicht zu erkennen. Mit Länderflaggen winkend, ertanzt das Ensemble eine Urlaubsstimmung. Für absoluten Gänsehautmoment sorgt aber das sich stimmungsvoll anbahnende Sommergewitter, dass der Chor mit enormer Stimmgewalt und perkussiven Elementen darbietet. Überhaupt ist die Gesangsleistung meisterlich. Dazu schwingen die Tänzerinnen und Tänzer taktvoll Handglocken, die in ihren Tonarten fein aufeinander abgestimmt, für einen wunderbaren Klangteppich sorgen.
Herbst und Winter werden ruhiger und intimer. Der Herbst wird plakativ mit getragenen Äpfeln symbolisiert. Musikalisch wie auch tänzerisch sind die letzten beiden Teile leider wenig abwechslungsreich. Auch hier hätte mit veränderten Lichtstimmungen mehr entsprechende Atmosphäre geschaffen werden können. Meine Hoffnung wurde nur in Ansätzen erfüllt. Langer, kräftiger Applaus, Bravorufe und stehende Ovationen für das Ensemble, Antoine Jully, Opernchor mit Extrachor und Chorleiter.
Vorstellungstermine und Karten gibt es unter www.staatstheater.de.
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