Politik

Was Biotonnen mit Altpapier zu tun haben (könnten)

Der Altpapierkrieg von Oldenburg ist formal beendet, die Nachhutgefechte aber dürften Verwaltung und Politik noch länger beschäftigen.

Es könnte zu Nachhutgefechten in der Oldenburger Auseinandersetzung um die Altpapiersammlung kommen.
Foto: Christian Kruse

Von Michael Exner

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Oldenburg – Der Altpapierkrieg von Oldenburg ist formal beendet, die Nachhutgefechte aber dürften Verwaltung und Politik noch länger beschäftigen. Es geht im Kern um die Frage, ob auch diejenigen via Abfallgebühren für die Verluste des städtischen Kurzzeit-Einstiegs zahlen müssen, die in dieser Zeit die kommunale Papiertonne nicht genutzt haben. Dabei könnte ein Alt-Urteil zur Biotonne eine Rolle spielen.

Nach zehn Jahren privater Alleinstellung auf dem Markt der Papierentsorgung war die Stadt auf Ratsbeschluss Anfang 2014 selbst ins Geschäft eingestiegen, weil man sich durch die Überschüsse daraus eine Senkung der Abfallgebühren erhoffte. Daraus wurde nichts: Die Firmengruppe sammelte weiter, mehr als die Hälfte der Bürger lehnte die Stadt-Tonne ab, ein Untersagungsversuch scheiterte vor Gericht in erster Instanz. In zweiter einigte man sich auf Kooperation: Die Stadt stellt ihre Sammlung zum 1. April ein, die Firmengruppe zahlt dafür jährlich 175.000 Euro an die Stadt. Das kommunale Defizit aus dem Papierversuch liegt bei jährlich etwa 200.000 Euro.

Wer dafür gerade stehen muss, ist Kern eines Antrages der CDU. Die Fraktion, die von Anfang an auf Seiten der privaten Unternehmer stand, verlangt von der Verwaltung die separate Auflistung aller Einnahmen und Ausgaben des Altpapier-Segments inklusive „Aufwendungen für Rechtsberatung, Prozesskosten und durchgeführte Werbemaßnahmen“. Worum es eigentlich geht, steht nicht im Antrag. „Wir wollen prüfen, ob für die Verluste auch zahlen muss, wer weiterhin die private und nicht die städtische Papiertonne genutzt hat“, sagt der Fraktionsvorsitzende Olaf Klaukien. Ein klassischer Fall für Juristen.

Fingerzeige könnte ein altes Urteil zum Thema Biomüll geben. Im Dezember 2000 hatte das Bundesverwaltungsgericht die damals um den Sektor Biomüll ergänzte Abfallsatzung der Stadt Oldenburg gebilligt, die eine allgemein verbindliche Grundgebühr und darüber eine nach Behältergröße gestaffelte Zahlung vorsah, der Biotonne aber eine gewisse Freimenge einräumte. Leidtragender war seinerzeit ein gleichermaßen überzeugter wie hartnäckiger Eigenkompostierer, der seinen Angaben zufolge sogar nur knochenloses Fleisch erwarb. Weil er die städtische Biotonne nicht nutze, argumentierte der Kläger, müsse er die auch nicht über die Grundgebühr mitfinanzieren, von der nach Feststellung des zuvor damit befassten Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg 30 Prozent zur Finanzierung der Bioabfallentsorgung verwendet wurden. Auch das OVG hatte die Klage abgewiesen und dabei ein gewisses Maß an sogenannter Quersubventionierung für zulässig erklärt.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte nichts daran auszusetzen, dass auch Eigenkompostierer Biomüllgebühren zahlen sollen. Das knochenlose Fleisch beeindruckte die Richter dabei wenig. Das möge zwar für den Kläger „eine geeignete Problemlösung darstellen“, bei kommunalen Satzungen gehe es aber um die Regelung von „Massenerscheinungen“, für die man sich auf eine derart individuelle Betrachtungsweise nicht einlassen müsse. Dass der Städte- und Gemeindebund das Urteil damals postwendend und ausdrücklich begrüßte, lag aber wohl an zwei anderen Punkten. Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigte seine Rechtsprechung, wonach „das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen“. Und es machte klar: „Es bleibt im Grundsatz Sache des kommunalen Satzungsgebers, (…) durch seine Gebührenregelung vorrangig ein Verhalten der Abfallbesitzer zu fördern, das ihm im Interesse der Funktionsfähigkeit der kommunalen Abfallwirtschaft notwendig erscheint.“

Bleibt nur die Frage, ob juristisch gesehen Papier auch Biomüll ist.

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