Mobilität aus einer Hand

Vor 20 Jahren ist der Versuch, aus dem Wallring eine Einbahnstraße zu machen, gescheitert.
Foto: am
Oldenburg (Michael Exner) Die Stadtverwaltung plant den großen Wurf: Ein Katalog aus aufeinander abgestimmten Themenfeldern soll in eine Gesamtstrategie zur Verkehrsentwicklung münden. Das ist die Idee hinter dem „Rahmenplan Mobilität und Verkehr 2030“, der den früheren (und enger gefassten) Verkehrsentwicklungsplan ablöst. „Wir wollen Klimaneutralität erreichen und die Erreichbarkeit der Innenstadt sichern“, umriss Oberbürgermeister Jürgen Krogmann die Strategie, als er am Montag gemeinsam mit dem in Kürze auf eigenen Wunsch ausscheidenden Bau- und Verkehrsdezernenten Sven Uhrhan Zwischenstand und nächste Schritte verkündete. Dass dieser Weg kein leichter sein wird, lässt sich aus Krogmanns Bemerkung ablesen, die Vereinbarkeit der beiden Punkte sei ein gordischer Knoten.
Anzeige
Sechs Teilkonzepte werden von Planungsbüros bearbeitet – als Bausteine einer Gesamtstrategie. Der OB möchte mit diesem Vorgehen „alles in einem großen Prozess kanalisieren“, statt von Woche zu Woche immer neue Anträge zu bewältigen. Die Themen im Einzelnen:
- Lade-Infrastruktur E-Mobilität: Hier sollen der Bedarf sowie geeignete Standorte für eine öffentliche E-Lade-Infrastruktur im gesamten Stadtgebiet ermittelt werden.
- Mobilitätsstationen mit Sharing-Angeboten: An bestimmten Orten sollen Sharing-Fahrzeuge als Alternative zum eigenen Auto und als Ergänzung zu ÖPNV und Fahrrad zur Verfügung stehen.
- Parkraummanagement: Damit sollen ÖPNV, Rad- und Fußverkehr gefördert und Freiräume in der Innenstadt zurückgewonnen werden.
- Radverkehr: Ein Büro erarbeitet ein Konzept, inwiefern Fahrradstraßen, Fahrradzonen und Premiumnetz-Radrouten den Radverkehr in Oldenburg verbessern können und wie diese ausgestaltet sein müssen.
- Park and Ride: Ermittelt werden Standorte, die umweltfreundliches Pendelverhalten unterstützen.
- Machbarkeitsstudie Wallring: Untersucht wird die Machbarkeit einer durchgehenden Busspur, die den ÖPNV beschleunigen, attraktiver machen und die Innenstadt entlasten soll.
Dass speziell der letzte Punkt in Oldenburg gemischte Gefühle auslösen könnte, ist dem OB durchaus bewusst. Krogmann war vor 20 Jahren unter Oberbürgermeister Dietmar Schütz Stadt-Sprecher, als ein noch unter OB-Vorgänger Jürgen Poeschel beschlossener Einbahnstraßen-Versuch am Wallring Innenstadt und Dobbenviertel ins Chaos stürzte und nach einigen Wochen vorzeitig abgebrochen wurde. „Aus meiner Sicht geht es diesmal in erster Linie um Busbeschleunigung“, sagte Krogmann am Montag. Das müsse nicht zwingend in eine Einbahnregelung münden. Bei den P+R-Standorten laufen nach seinen Worten Gespräche mit den Nachbargemeinden, inwieweit man die einbeziehen könne. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die jetzigen Plätze viel zu nahe an der Innenstadt liegen, als dass sie Attraktivität ausstrahlen könnten. Einige Herausforderungen in Sachen Verkehr könne man ohnehin nur noch regional lösen: „40 000 Pendler täglich – das ist die Region auf Rädern“.
Ein Komplex fehlt in der Liste, steht aber nach Angaben der Verantwortlichen stets auf der Agenda: das Thema Bahn. „Hier wird uns die Priorisierung zum Teil von außen aufgedrückt“, sagte Krogmann mit Blick auf Bahnübergänge und Haltepunkte. Für Ofenerdiek seien die Gespräche mit der Bahn erfolgversprechend. Hier werde man auf jeden Fall bei einer Lösung einen Haltepunkt mitdenken. In anderen Fällen habe die Bahn die Erwartungen gedämpft. Das sei indes nicht Position der Stadt, versicherte Krogmann. Der hatte schon von einigen Jahren auf einem Gilde-Abend der Gesellschaft Union die Abschaffung aller Bahnübergänge als die große Aufgabe in den kommenden 10/15 Jahren bezeichnet – ohne dass dies damals in der Öffentlichkeit ein nennenswertes Echo gefunden hätte.
6 Kommentare
„Radverkehr: Ein Büro erarbeitet ein Konzept, inwiefern Fahrradstraßen, Fahrradzonen und Premiumnetz-Radrouten den Radverkehr in Oldenburg verbessern können und wie diese ausgestaltet sein müssen.“
Soll das ein Witz sein? Während eine DER Fahrradstädte der Welt, Kopenhagen, nochmal (!) und jetzt gerade aktuell Millionen Kronen (!) in den Fahrtradverkehr investiert, soll hier wieder einmal mickriges Flickwerk geplant werden? Eine große Anzahl an Straßen in Oldenburg sind mit Seniorenrädern oder Kindertransportern schlicht gar nicht erst befahrbar – wegen der Gefahr, dreirädrig an Baumwurzeln oder massiven Wölbungen des Straßenbelags umzukippen! Oldenburgs Straßen sind so verkommen, daß das ohne Weiterem eins zu eins Rückschlüsse auf den Zustand seiner Verwaltungen und Politik zuläßt. Der Fahrradverkehr hat in den letzten Jahren ganz erheblich zugenommen, schon wegen der Ansteckungsgefahr mit „Corona“ in den öffentlichen Verkehrsmitteln und den unerträglich gestiegenen Treibstoffkosten für Autos. Wann gedenkt denn diese Stadt mal dem in vollem Umfang Rechnung zu tragen?
Kleiner NAchtrag:
Persönlicher „Meßerfolg“ zum Thema Schlaglochtiefe; Etwas mehr als fünf Zentimeter (!) – innerhalb der Stadt Oldenburg. Ein typischer E-Rolli für Gehbehinderte kippt an so einer Stelle fast gerantiert, selbst für dreirädrige Lastenräder ist das bereits mehr als kritisch.
Es gab Zeiten, da standen über einen bestimmten Zeitraum Menschen mit Strichlisten an den wichtigsten Kreuzungen. Das hiess Datenerhebung und diente dazu, festzustellen, welche und wie viele Verkehrsteilnehmer von wo nach wo fahren. Erfassung von Ziel- und Quellverkehr für einen „Generalverkehrsplan“. Heute heisst das pauschal „Mobilität“ und kommt offenbar ohne Datenerhebung aus. Oder worauf basieren die Vorstellungen des RMV 2030? Um Massnahmen zu qualifizieren, sollten doch Grundlagen vorhanden sein. Aber bei der derzeitigen Personalsituation ist Aktionismus unter Leitung des Journalisten und OB Krogmann wohl angebracht.
Ein „großer Wurf“ und der Mobilität nützlich wäre es immerhin schon. wenn die Straßen in einem für jedermann (!) befahrbaren Zustand versetzt würden. Also auch für Kleinfahrzeuge, Rentnermobile mit kleinen Rädern, Lastenräder (die längst in etlichen Punkten weltfremde StVO läßt nur Fahrzeuge mit einer klar definierten Breite hier zu. Das Problem ist ein zu hoher Schwerpunkt auf meist drei zu schmal gestellten Punkten.) usw. Schon die einfachen Reparaturen dürften viele Jahre dauern.
Eine völlig neue Konzeption inclusive Vernetzung mit Bahn und Bus dürfte immerhin viele Jahrzehnte dauern – bis dahin rauscht dann so mancher durchs Schlagloch bis er „in Australien wieder rauskommt“. Dabei können ja Straßen, die noch einen recht intakten Eindruck machen, hintan stehen. So verstehe ich bis heute nicht, warum die Ofener-Sraße saniert wurde, während man nach der Durchquerung des Hörnewegs, und natürlich nicht nur da, sein Fahrrad getrost neu zusammenschrauben darf – und selbst Autofahrer dort inzwischen arge Bedenken haben. Der Überblick, da stimme ich ihnen unbedingt zu, ist er Stadt jedenfalls länger verloren gegangen – schon VIEL länger.
Fazit: Den Bürger mit großkotzigen Plänen hinhalten, bis wer anderes regiert. Dann ist eben der Schuld.
Die Qualität der Strassen ist Bestandteil des Strassebauprogramms, einem Teil des städtischen Haushalts, werden also jährlich beschlossen, auch langfristige Investitionen mit Verpflichtungsermächtigungen. „RMV 30“ soll nicht die Asphaltdecke verbessern, sondern den „Modal Split“, also die Aufteilung der „am Verkehr Teilnehmenden“ neu sortieren. Nach meiner Meinung ist dies aber mit einer einer Addition von Einzelmassnahmen auf der Grundlage von Aktionismus und Workshops nicht zu erreichen. Zudem habe ich bisher nicht herausgefunden, wer in der „Projektsteuerung“, also in der Instanz sitzt, die alles verknoten soll, sitzt. Ein Geheimnis?
Nachtrag:
„So verstehe ich bis heute nicht, warum die Ofener-Sraße saniert wurde, während man nach der Durchquerung des Hörnewegs, und natürlich nicht nur da, sein Fahrrad getrost neu zusammenschrauben darf…“
Was ich vergaß: Nach den international erprobten Beispielen ist der Fahrradweg auch in der Ofener-Straße natürlich viel zu schmal. Wer das gebaut hat, hat von der Möglichkeit des Überholvorgangs auch bei Fahrrädern (StVO: Mindest-Abstand ein-Meter zwanzig) keine Ahnung gehabt – oder solche Vorgaben mal eben locker ignoriert. Solllten Verwaltungen nicht zumindest die geltenden Gesetze kennen? Die Planung eines „großen Wurfs“ führt sich auch schon dort ganz klar ad absurdum. Dilletanten olè.