Meinung

Kommentar: Das Veggie-Wurst-Verbot – wirtschaftsschädigend und überflüssig

Eine Wurst ist eine Wurst. Da fällt selbst einer Boomerin nichts mehr zu ein.

Eine Wurst ist eine Wurst. Da fällt selbst einer Boomerin nichts mehr zu ein.
Foto: Katja Belka

Oldenburg (Anja Michaeli) Das EU-Parlament hat sich für ein Verbot gängiger Produktbezeichnungen bei vegetarischen Lebensmitteln ausgesprochen. Begriffe wie „Wurst“, „Burger“ oder „Schnitzel“ sollen künftig pflanzlichen Produkten nicht mehr zugeordnet werden dürfen. Begründet wird der Vorstoß mit Verbraucherschutz. Doch in Wahrheit geht es um Symbolpolitik zulasten innovativer Unternehmen – und ohne erkennbaren Nutzen für Verbraucher.

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355 Abgeordnete stimmten am Mittwoch in Straßburg für den Vorschlag, 247 dagegen, 30 enthielten sich. Bevor die Regelung in Kraft treten kann, müssen noch die 27 Mitgliedstaaten zustimmen. Der Antrag stammt von konservativen Abgeordneten, darunter Céline Imart. Sie sprach von mehr „Transparenz und Klarheit für den Verbraucher“ und von „Anerkennung für die Arbeit unserer Landwirte“. Bundeskanzler Friedrich Merz äußerte sich dazu in der ARD-Sendung Caren Miosga: „Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan.“ Auch Agrarminister Alois Rainer (CSU) stellte sich hinter die Initiative.

Doch diese Argumentation ist realitätsfern. Niemand kauft versehentlich Tofu-Würstchen in dem Glauben, es handle sich um Fleisch. Die Produkte sind unmissverständlich als vegetarisch oder vegan gekennzeichnet – das ist ihr Verkaufsargument. Eine Umfrage der europäischen Verbraucherorganisation BEUC ergab bereits 2020, dass 70 Prozent der Befragten Begriffe wie „Veggie-Burger“ nicht als problematisch empfinden, solange die Kennzeichnung klar ist. Der Europäische Gerichtshof stellte 2024 fest, dass pflanzliche Produkte unter diesen Begriffen vermarktet werden dürfen – sofern ihre Zusammensetzung deutlich angegeben ist.

Was bleibt, sind wirtschaftliche Schäden. Besonders betroffen ist die Rügenwalder Mühle aus Bad Zwischenahn. Das Unternehmen müsste rund 60 Produkte umbenennen und neu verpacken. Die kurzfristigen Umstellungskosten beziffert der Betrieb auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Langfristig drohen zweistellige Millionenverluste jährlich, weil vertraute Produktnamen entfallen und Neukunden ausbleiben könnten. Betroffen wären 70 Prozent des Sortiments – bei einem Unternehmen, das seit 2021 mehr Umsatz mit Fleischalternativen als mit Fleischprodukten erzielt.

Auch andere Anbieter wie Aldi, Lidl, Rewe sowie die Branchenverbände lehnen das Verbot ab. Sie alle müssten Verpackungen, Sortimente und Marketingmaßnahmen überarbeiten. Die Kosten würden am Ende bei den Verbraucher/innen landen. Besonders widersprüchlich ist: Betroffen wäre ein Wachstumsmarkt. Seit 2019 hat sich die Produktion von Fleischersatzprodukten in Deutschland verdoppelt. 2024 wurden rund 121.600 Tonnen hergestellt – vier Prozent mehr als im Vorjahr. Deutschland ist europaweit führend im Absatz pflanzlicher Alternativen.

Der Verband foodwatch nennt das Vorgehen „Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie“. Der Fleischkonsum sinkt seit Jahren, der Markt für Alternativen wächst. Statt gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, stärkt die Politik eine Branche im Rückwärtsgang – zulasten der innovativen.

Auch unter dem Etikett „Verbraucherschutz“ bleibt das Verbot widersinnig. Wenn aus dem „veganen Schnitzel“ künftig eine „panierte Protein-Scheibe“ wird, ist niemandem geholfen. Die Begriffe „Veggie-Burger“ oder „Tofu-Wurst“ sind etabliert, verständlich und helfen bei Kauf- und Zubereitungsentscheidung. Kunstnamen führen zu Verwirrung – nicht zu Klarheit.

Die Bundesregierung muss sich in den Verhandlungen mit den EU-Staaten klar positionieren – gegen diese Regelung. Sie schadet Unternehmen, sie schadet dem Wettbewerb, sie schadet der Glaubwürdigkeit europäischer Politik. Was als Verbraucherschutz getarnt ist, ist in Wahrheit wirtschaftspolitischer Unfug. Und der gehört gestoppt.

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