Meinung

Kommentar: Praxisgebühr 2.0 – Ein teurer Irrweg

Mit leeren Wartezimmern ist niemandem geholfen.

Mit leeren Wartezimmern ist niemandem geholfen.
Foto: dc_studio

Zehn Euro bei jedem Arztbesuch – so stellt sich die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) eine Lösung für die Finanzprobleme der Krankenkassen vor. Eine Kontaktgebühr soll das sogenannte „Ärzte Hopping“ unterbinden und die Beiträge stabilisieren. Doch dieser Vorschlag führt in die falsche Richtung: Er macht Gesundheit zur Geldfrage und trifft ausgerechnet diejenigen am härtesten, die ohnehin schon zu kämpfen haben.

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Alte Idee, neuer Name – gleicher Irrtum

Was BDA Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter als innovative „Kontaktgebühr“ präsentiert, ist nichts anderes als die alte Praxisgebühr im neuen Gewand – nur strenger. Zwischen 2004 und 2012 zahlten Patient/innen einmal pro Quartal zehn Euro beim ersten Arztbesuch. Der neue Vorschlag: Zahlung bei jedem einzelnen Arztbesuch. Das ist kein Fortschritt, sondern ein Rückfall auf Kosten der Schwächsten.

Aus der Geschichte nichts gelernt

Die Praxisgebühr wurde 2012 einstimmig im Bundestag abgeschafft. Die Steuerungsabsicht war gescheitert, der bürokratische Aufwand enorm. Nach einem kurzen Rückgang stiegen die Arztbesuche bald wieder auf das alte Niveau. Auch die Zahl der Facharztüberweisungen nahm deutlich zu. Die erhoffte Lenkung blieb aus.

Wer krank ist, wird bestraft

Gesundheit muss für alle zugänglich bleiben – unabhängig vom Einkommen. Die geplante Gebühr trifft insbesondere einkommensschwache Familien, chronisch Kranke und Geringverdienende – also jene Personengruppen mit dem größten Versorgungsbedarf. Studien zur alten Praxisgebühr zeigen: Viele haben Arztbesuche unterlassen – mit gesundheitlichen Problemen und späteren Folgekosten.

Ärzt/innen als Geldeintreiber

Ironischerweise müssten Praxen die Gebühr einziehen. Damit entstehen zusätzlicher Aufwand, Wechselgeldprobleme und Konfrontationen mit verärgerten Patient/innen. Der Arztbesuch wird zur Transaktion – und Ärzt/innen zu unfreiwilligen Kassierer/innen.

Hausärzte stärken statt abschrecken

Teure Vergangenheit versus Zukunftslösung: Statt Gebühren braucht es ein verpflichtendes Primärarztsystem. Hausärzt/innen als erste Anlaufstelle können die Versorgung steuern – effizient und gerecht. Das ist moderne Gesundheitspolitik ohne soziale Hürden.

Fazit: Rückschritt verhindern

Die geforderte Kontaktgebühr ist nicht nur unsozial, sie ist gesundheitspolitisch kontraproduktiv. Sie schafft neue Probleme statt alte zu lösen – mehr Bürokratie, mehr Ungerechtigkeit, mehr Zwei-Klassen-Medizin. Reformen dürfen nicht beim Portemonnaie der Patient/innen ansetzen. Gesundheit muss unabhängig vom Geldbeutel bleiben – heute nicht, morgen nicht, niemals.

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