Staatstheater: Thomas Lichtenstein brilliert in „Vater“
Oldenburg (vs) Die Sparte Schauspiel am Oldenburgischen Staatstheater eröffnet mit zwei besonderen Inszenierungen die neue Spielzeit 2023/24. Nach der gefeierten Premiere der Gespenstergeschichte „Die Frau in Schwarz“ im Großen Haus folgte im Kleinen Haus „Vater“ von Florian Zeller. Der französische Erfolgsautor für zeitgenössische Literatur erhielt für die Verfilmung mit Anthony Hopkins in der Hauptrolle 2021 den Oscar für die beste Drehbuch-Adaption, einen César sowie den Europäischen Filmpreis. Das sensible Stück um den an Alzheimer erkrankten André, grandios verkörpert durch Kammerschauspieler Thomas Lichtenstein, berührt zutiefst und sorgt beim Publikum nach dem Schlusssatz im Black für eine lange Stille bevor der langanhaltende Applaus losbricht. Durchatmen und sammeln ist angesagt, nach dem, was das Publikum zuvor mit André durchlebt, wie es mit ihm leidet und zusehen muss, wie ihm sein Leben zunehmend entgleitet.
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Zu Beginn noch harmlos und scheinbar amüsant zeigt Regisseur Kevin Barz einen André, der merkt, dass irgendetwas nicht mehr stimmt in seinem Leben. Seine Wohnung verändert sich, Möbel verschwinden, fremde Menschen kommen zu Besuch und tun so als würden sie ihn kennen. Wer ist die Frau, die sich als Pflegerin ausgibt und wer ist der Mann, der vorgibt der Ehemann seiner Tochter Anne zu sein? Und wo überhaupt ist seine Lieblingstochter, die er so schmerzlich vermisst? All diese Menschen sind keine Fremden, aber das weiß André nicht. Oder doch? Spielt André mit allen nur ein Spiel oder ist er wirklich vergesslich? Anfangs kann man über seine Vergesslichkeit und Scherze gegenüber seiner Tochter, die in seinen Augen wohl eher die Vergessliche ist, noch lachen, doch mit dem zunehmenden Spiel beschleicht das Publikum die Betroffenheit und Beklommenheit. Langsam und bedrückend steigert sich die Verwirrtheit von André, das Lachen verfliegt. Seine Tochter Anne ist mit ihrer Fürsorge zunehmend überfordert bis ihr die Kraft und die Geduld ausgehen. Das Pflegeheim ist ihr letzter Ausweg. Durch Wiederholung und Verschachtelung der Szenen mit ihren wechselnden Personen und passendem Lichtdesign bringt die Regie das Chaos im Kopf eines Alzheimer-Erkrankten bestechend nahe.
Berührende Szenen ergreifen das Publikum
Der an Alzheimer erkrankte André ist eine Paraderolle für Thomas Lichtenstein, der mit großer Hingabe und Zerbrechlichkeit einen Menschen spielt, dessen Leben mehr und mehr aus den Fugen gerät und es zuerst selbst nicht wahrhaben will und es bis fast zum Ende auch nicht kann. Kann man anfangs mit ihm und über ihn noch schmunzeln, wenn mal wieder die Suche nach seiner Armbanduhr beginnt oder die Tabletten mit einem Zaubertrick vor den Augen der Pflegerin verschwinden, ergreift einen im Laufe des Stückes immer mehr die unausweichliche Realität eines Alzheimer-Erkrankten. Scherzhaft versucht André das zunehmde Chaos in seinem Kopf immer wieder zu überspielen. Plötzliche Stimmungswandel und Gewaltausbrüche lassen erschrecken. So ist Alzheimer. Aber spätestens, als André leidend wie ein kleines Kind fast zusammenbricht und herzzerreißend weint, ergreift Stille den Zuschauersaal. Bei derartigen Schauspielkraft und Wucht hat es das Ensemble enorm schwer mitzuhalten. „Vater“ ist in der Oldenburger Inszenierung aber auch angelegt auf die Hauptrolle, auch wenn Schauspielerin Anna Seeberger in der Rolle der Anne mit ihrer Liebe für ihren kranken Vater und ihrer zunehmenden Hoffnungslosigkeit beeindruckt.
Vorstellungstermine und Karten unter www.staatstheater.de
Woche der Demenz:
Vom 18. bis zum 24. September 2023 findet die deutschlandweite „Woche der Demenz“ statt. Am 19. September gibt es nach der Vorstellung von „Vater“ im Kleinen Haus ein Gespräch mit dem DemenzNetz Oldenburg.
Weitere Programmpunkte zur „Woche der Demenz“ in Oldenburg:
Cine k – ‚The Father‘
Freitag, 22.09., 20 Uhr
Theater Laboratorium – ‚Der Mann, der niemals weinte‘
Donnerstag, 21.09., 20 Uhr; Freitag 22.09., 20 Uhr; Samstag, 23.09., 20 Uhr und Sonntag, 24.09., 18 Uhr
ein vielseitiges Programm im „Raum auf Zeit“ über die ganze Woche
Weitere Informationen sowie das komplette Programm gibt es auf der Website der Demenz-Informations- und Koordinierungsstelle unter www.diko-ol.de.
2 Kommentare
Liebe Redaktion,
Die Daten am Anfang sind verdreht. Vater hatte vor der Frau in Schwarz Premiere. FiS hatte eine Voraufführung einen Tag vor der Premiere von Vater. Die offizielle Premiere von FiS war allerdings am Samstag.
Nichts für Ungut.
Danke trotzdem für den Bericht.
Hallo Herr Fischer,
vielen Dank für Ihren Hinweis und das aufmerksame Lesen unseres Artikels. Es freut uns sehr, dass Ihnen unser Artikel gefällt. Sie haben natürlich Recht, dass „Vater“ bereits am Freitag vor „Die Frau in Schwarz“ seine Premiere hatte. Wir haben am Sonntag die zweite Vorstellung von „Vater“ gesehen. So kam es zu der Verwechslung am Anfang des Artikels, da es für uns die gefühlte Premiere war, für die wir uns entschulidgen.