Staatstheater: „Der Volksfeind“ – aktuell und spannend

„Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen mit Klaas Schramm (vorne) als Badearzt Tomas Stockmann ist derzeit im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen. Die Inszenierung von Regisseurin Milena Paulovics bietet einen spannenden und aktuellen Theaterabend.
Foto: Stephan Walzl
Oldenburg (vs) Dass ein Theaterstoff 150 Jahre nach seiner Uraufführung (leider) nichts an Aktualität verloren hat und 2025 für einen sehenswerten und spannenden Theaterabend sorgt, beweist „Der Volksfeind“ von Henrik Ibsen. Im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters ist das zurzeit aufgeführte Stück in der Inszenierung von Milena Paulovics wie ein Abbild der heutigen Gesellschaft zu betrachten. Wissenschaft und Politik vertreten persönliche Interessen, vernachlässigen ihren Auftrag, dem Wohle der Bevölkerung zu dienen, und beschreiten bei der Frage nach Moral nicht immer legale Wege. Die Presse als dritte Instanz in der Gesellschaft und Vertreterin von Demokratie und Meinungsfreiheit ist ebenso auf ihren Vorteil bedacht. Ibsen entlarvt den wahren Charakter der Menschen, die im Gemeinwohl mit seinen Systemen und Regeln am Ende doch auf den eigenen Vorteil aus sind. Im Zeitalter von Machtmissbrauch, Korruption, Fake News und Debatten um globale Krisen erfährt „Ein Volksfeind“ eine zuweilen erschreckende Aktualität. So hat zum Beispiel der damalige US-Präsident Donald Trump im Jahr 2017 den politisch aufgeladenen Kampfbegriff „Volksfeind“ verwendet und mehrere US-Medien als „enemy of the people“ beschimpft.
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Zum Stück „Der Volksfeind“
Tomas Stockmann genießt als Badearzt des örtlichen Kurbads hohes Ansehen in einer Kleinstadt. Eines Tages entdeckt er, dass aufgrund einer Fehlkonstruktion Bakterien in das Wasser der Kuranstalt geraten und die Badegäste daran erkranken. Seine Pflicht und sein Gewissen als Wissenschaftler zwingen ihn dazu, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen. Seine Frau, seine Tochter und auch der Redakteur der Lokalzeitung stehen anfangs hinter ihm und wittern den Skandal. Sein Bruder und Bürgermeister, Peter Stockmann, ist allerdings nicht erfreut über die Entdeckung, zweifelt die Analysen seines Bruders an und verlangt Stillschweigen. Die Stadt ist vom finanziellen Erfolg des Heilbads abhängig. Eine Bekanntmachung sowie die Schließung und der Umbau des Bads gefährden den Ruf der Stadt und bedeuten den finanziellen Ruin. Tomas hat aber die Presse bereits informiert und droht mit Erpressung. Peter scheint als Bürgermeister mehr Macht zu haben, intrigiert gegen seinen Bruder und schürt Angst unter der Bevölkerung. Die Presse wechselt die Seiten. Eine von Tomas einberufene öffentliche Versammlung gerät aus den Fugen, als dieser gegen die gesamte Bevölkerung hetzt. Auf seinem einsamen Feldzug gegen die Obrigkeit und für die Wahrheit zum Wohle des Volkes agiert er zunehmend wie im Wahn und bringt selbst seine Familie gegen sich auf. Als seine Schwiegermutter zusätzlich zur gefährlichen Gegenspielerin und Intrigantin wird, scheint der berufliche und persönliche Ruin unaufhaltsam. Tomas endet als tragischer Held – mit vielem im Recht, aber dennoch scheiternd: an der Gesellschaft und an sich selbst.
Ensemble überzeugt
Klaas Schramm als Badearzt und Andreas Spaniol als Bruder und Bürgermeister überzeugen in den Hauptrollen mit Präsenz und Eindringlichkeit. Meret Engelhardt ist als Katrine Stockmann die anfänglich einfühlsame Ehefrau, während Tochter Petra, überzeugend gespielt von Paulina Hobratschk, ihrem Vater den Rücken stärkt und als junge Frau ebenfalls Widerstand leistet. Von der Dramaturgie (Elisabeth Kerschbaumer) eingebaut, hält Petra passend dazu – wenn auch überraschend – einen Monolog über die Rolle der Frau gegen das Patriarchat. Lokalredakteur Hovstad, verkörpert von Paul Enev, und sein Kollege Billing, gespielt von Jonah Winkler, sind in ihrem Opportunismus erschreckend. Andreas Kleinert ist als Verleger Aslaksen und Vorsitzender des Hauseigentümervereins ganz auf den eigenen Vorteil bedacht und sorgt damit für einige Lacher im Publikum. Die klare Zeichnung des gesamten Ensembles mit Dynamik, Überzeugung und Verletzlichkeit überzeugt von Anfang bis Ende.
Bühnenbild und Lichtregie aus einem Guss
Aus einem Guss stammen das in Blautönen gehaltene Bühnenbild und die dazu passenden Kostüme von Anike Sedello. Die angedeutete Badeanstalt mit blau-weiß kariertem Kachelfußboden und einem großen Wasserbecken in der Mitte bietet ausreichend Raum und Gestaltungsmöglichkeiten für das Spiel. Die Lichtregie (Sofie Thyssen und Malte Alber) sowie die unaufdringliche, stimmungsvolle Musik von Richard Hötter bedürfen ebenso einer lobenden Erwähnung.
Informationen zum Stück, Vorstellungstermine und Karten sind hier erhältlich.





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