Kultur

Staatstheater: „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ überzeugt mit Ironie und Tempo

„Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ ist in der Inszenierung von Maja Delinić zurzeit mit großem Erfolg im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen.

„Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ ist in der Inszenierung von Maja Delinić zurzeit mit großem Erfolg im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu sehen.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs) „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ ist der beste Beweis dafür, dass eine (musikalische) Komödie nicht in Klamauk und Kitsch auf die Bühne gebracht werden muss. Der Regisseurin Marina Delinićist es mit Bravour gelungen, das Theaterstück nach dem berühmten Roman von Jane Austen, mit reichlich Witz, Ironie, Tempo und Gesang im Kleinen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu präsentieren. Dass eine derart schwungvolle, neuzeitliche Version eines alten Stoffes aus dem Jahr 1813 in der Fassung von Isobel McArthur nicht jeden Geschmack trifft und besonders das Oldenburger Abonnentenpublikum herausfordert, lässt sich an einigen frei bleibenden Plätzen nach der Pause erkennen. Offen für Neues sind leider nicht alle Theatergäste. Wer sich zutraut, drei kurzweilige Stunden in dem auch freizügigen und frivolen Spiel der fünf Schauspielerinnen in 18 verschiedenen Rollen zu verbringen, belohnt sich mit großer, überzeugender Schauspiel- und Verwandlungskunst und ansteckender Spielfreude.

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Erzählt wird die Geschichte um die wohlhabende Familie Bennet in Oldenburg aus Sicht der Hausdamen, die zugleich die unverheirateten Töchter des Hauses verkörpern. Mrs. Bennet ist durchaus bewusst, dass ihre Töchter aufgrund des veralteten Erbrechts mit leeren Händen dastehen, sollte ihrem Gatten und Hausherrn das Zeitliche segnen. Als sie vom Besuch des gutbetuchten und ledigen Charles Bingley erfährt, schmiedet die gewitzte Mutter den Plan, eine ihrer Töchter mit ihm zu verheiraten. Die in Temperament und Wesen sehr unterschiedlichen jungen Frauen, sehen sich allerdings nicht nur als eine „Frau von“, sondern streben nach Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. In diese Geschichte eingebettet sind die Lieblingslieder der Töchter, die sich mit mehr oder weniger Talent voreinander präsentieren. Die Gesangseinlagen tragen nicht entscheidend oder inhaltlich zur Geschichte bei, sorgen aber für gute Unterhaltung und Stimmung im Publikum. Dass die musikalische Umsetzung in den Gesangseinlagen nicht immer perfekt harmoniert, sei einigen nicht so stimmfesten Schauspielerinnen des Ensembles verziehen. In Sachen Gesang hatte das Staatstheater schon bessere Stimmen im Schauspielensemble. Clemens Gutjahr führt als einziger Mann auf der Bühne sein, auf dem hinteren Teil der Bühne platziertes, Trio mit Lea Baciulis und Christin Neddens gekonnt durch die Inszenierung, wenn auch der permanente Klangteppich zeitweise zuviel des Guten ist.

Kostüm- und Rollenwechsel im Akkord

Reichliche Kostümwechsel (Kostüme: Janin Lang) auf offener Bühne, perfekte Rollenwechsel in Sekundenschnelle und aufgelöste Geschlechterrollen, machen die Komödie zu einem zeitlosen Vergnügen auf schauspielerisch hohem Niveau. Mit viel Ironie, Witz und Tempo agieren die Schauspielerinnen in ihren zahlreichen Rollen und ziehen dabei alle Register ihres Könnens, inklusive Tanzeinlagen. Die Wandlungsfähigkeit bei der, teilweise herrlich überspitzten, Darstellung der sehr unterschiedlichen Charaktere mit ihren individuellen Macken ist beeindruckend. Esther Berkel, Meret Engelhardt, Julia Friede sowie Caroline Nagel und Anna Seeberger haben sichtlich Freude an ihren Verwandlungen, sodass auch kleine Patzer bei den schnellen Kostümwechseln gekonnt überspielt oder in die Rolle eingebaut werden. Die originellen Ideen und die sehr eigene künstlerische Interpretation dieses historischen Stoffes lassen die Handlung zeitlos wirken. Die Kritik am Patriarchat ist spürbar. Die Ernsthaftigkeit des Themas wird dank der sehenswerten und intelligenten Regiearbeit trotze Ironie und Witz nicht aus den Augen verloren. Das Bühnenbild von Ria Papadopoulou besteht aus höhenverstellbaren Podesten und Dekoelementen, wie von der Bühnendecke herabschwebende, farbig-leuchtende Wolken, die auch aktiv bespielt werden. Ein perfekter und stellenweise amüsanter Clou ist ein LED-Leuchtband, dass Szenen mit Augenzwinkern, ironisch und durchaus auch mit Wahrheit versehen, mit entsprechenden Wörtern kommentiert.

Fünf Schauspielerinnen sind in dieser sehenswerten Oldenburger Interpretation der historischen Romanvorlage von Jane Austen in 18 verschiedenen Rollen zu erleben.

Fünf Schauspielerinnen sind in dieser sehenswerten Oldenburger Interpretation der historischen Romanvorlage von Jane Austen in 18 verschiedenen Rollen zu erleben.
Foto: Stephan Walzl

Das gesamte Ensemble und Regieteam von „Stolz und Vorurteil* (*oder so)“ wird vom größten Teil des Publikums mit langem Applaus und Bravo-Rufen gefeiert. (Fast) komplett ausverkaufte Vorstellungen bis zum letzten Termin Ende Januar sprechen für sich, auch wenn die berühmte Romanvorlage sicherlich zu diesen Vorschusslorbeeren beiträgt.
Termine, (Rest-)Karten und eine Stückeinführung gibt es unter www.staatstheater.de.

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