Tatort Bundespolizei: „Die goldene Zeit“

Wotan Wilke Möhring in „Die goldene Zeit“.
Foto: Christine Schroeder / NDR
(Achim Neubauer) Bei Ermittlungen im Rotlicht-Milieu von St. Pauli wird Tatort-Kommissar Thorsten Falke in „Die goldene Zeit“ mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Er hatte auf dem Kiez als Türsteher gearbeitet, bevor er den Weg zur Hamburger Polizei einschlug. Am 9. Februar jagt Wotan Wilke Möhring mit Franziska Weisz in „Das Erste“ einen Auftragsmörder.
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Deutlich geprägt von eigenen Erinnerungen kehrt Kommissar Falke dienstlich zurück in das Hamburger Vergnügungsviertel. Zwar befindet sich seine Wohnung auf St. Pauli, aber mit dem Leben auf der Reeperbahn hat er nicht mehr viel zu tun. Nun trifft er im Zuge der Ermittlungen auf Fragmente seiner Lebensgeschichte. „Eisen-Lübke“ (großartig: Michael Thomas), der für den ehemals den Kiez beherrschenden Egon Pohl (Christian Redl) gearbeitet hatte, war für Falke ein väterlicher Freund gewesen. Nun erkennt der Kommissar an ihm, wie sehr sich das Leben auf St. Pauli verändert hat. Schnell stellt sich heraus, dass ein Jugendlicher, etwa 14 bis 15-jähriger Rumäne, von Albanern angeheuert worden war, den „jungen Pohl“, Betreiber eines Großraum-Bordells zu ermorden. Ihn jagen nun sowohl Falke und seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz), die das Kind lebend fassen wollen, als auch Michael Lübke, der den Tod des Juniors rächen soll.
Das Drehbuch von Georg Lippert, der auch schon den Falke-Film „Böser Boden“ geschrieben hatte, nähert sich der vermeintlich „goldenen Zeit“, ohne sie nostalgisch zu verklären. So sehr Thorsten Falke die eigene Biografie reflektiert, so unaufdringlich deutlich korrigiert Kommissarin Grosz die implizite Behauptung, dass früher doch „alles besser gewesen“ sei. Ende der 80er Jahre – das ist die Zeit, in der Falke auf St. Pauli gearbeitet haben muss – war der Wandel, den die Figur „Eisen-Lübke“ beschreibt, schon längst Geschichte. Die Motive mit denen der Film spielt, entstammen eher einer Zeit, der schon Jürgen Rolands „Polizeirevier Davidwache“ (1964) ein würdiges Andenken gestaltet hat.

Franziska Weisz und Wotan Wilke Möhring.
Foto: Christine Schroeder / NDR
Gleichwohl beschreibt der Film Thorsten Falke genau in der Form, die schon den Spin im letzten Tatort ausmachte: Eine ehrliche Haut, ganz und gar der Freien und Hansestadt Hamburg verbunden, ein Billstedter Junge, für den ein Versprechen zählt und der offene Auseinandersetzungen führt; damals mit der Faust, heute ohne Fallen zu stellen oder miese Tricks anzuwenden. So wird wieder deutlich, was der NDR vergeben hat, als er Thorsten Falke mit Julia Grosz zusammen zur Bundespolizei versetzte, um in Hamburg Kommissar Nick Tschiller zu etablieren. Hier an der Elbe, in „seinem“ Revier ist Wotan Wilke Möhring erkennbar zu Hause, hat auch die Biografie Sinn, die ihm schon vor dem ersten Einsatz gestrickt worden war.
Dass das in „Die goldene Zeit“ so überaus deutlich wird, hat auch in der Inszenierung durch Mia Spengler ihren entscheidenden Grund. Sie schickte ihre Schauspieler zusammen mit Kameramann Moritz Schultheiß zu so genannten „Guerilla-Drehs“ mitten in das Wochenend-Getümmel der Vergnügungsmeile. Bewegte Kamera, schwierige Lichtsituationen ergeben so einen Touch von Dokumentation, der dem Hamburg-Tatort gut tut.
Wissenswertes
- „Die goldene Zeit“ wurde vom 25. April bis 29. Mai 2019 in Hamburg inszeniert.
- Kameramann Moritz Schultheiß war schon für die Bildgestaltung des Wilhelmshaven-Tatort „Kaltstart“ verantwortlich.
- „Eisen-Lübke“ behauptet im Film, er habe seine Autobiografie geschrieben „nicht besonders erfolgreich, im Eigenverlag“: Einen Ausschnitt aus diesem fiktiven Buch „Raue Zeiten“ stellt der NDR auf www.daserste.de/tatort-1468.pdf bereit.
- Der nächste Fall von Thorsten Falke und Julia Grosz ist bereits abgedreht; die Ausstrahlung von „Tödliche Flut“ (Buch: David Sandreuter) ist zurzeit für den Herbst 2020 geplant. Seine Premiere wird der Film aller Voraussicht nach beim Filmfest Emden-Norderney haben, das vom 10. bis 17. Juni stattfindet.
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