Politik

Streit um Sachse könnte vor Gericht landen

Oldenburgs Sozialdezernentin Dagmar Sachse.

Sozialdezernentin Dagmar Sachse.
Foto: Stadt Oldenburg

Oldenburg (Michael Exner) Der Streit um die im ersten Anlauf gescheiterte Wiederwahl von Dagmar Sachse könnte vor Gericht landen. Während Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) die Sozialdezernentin in der Ratssitzung am 27. August erneut vorschlagen will – und dabei Unterstützung von der Kommunalaufsicht erhält, prüft der CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Olaf Klaukien derzeit diverse Klageoptionen.

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Die seit 2011 (und noch bis Mai 2019) amtierende Dezernentin hatte Ende Juni im Rat bei der Entscheidung über eine zweite Amtszeit die gesetzlich vorgeschriebene absolute Mehrheit um eine Stimme verfehlt, weil in der geheimen Abstimmung jemand aus dem rot-grünen Zweckbündnis ausgeschert war. Nachdem die in der ersten Runde auf Enthaltung programmierten Linken auf die Erfüllung politischer Forderungen hin ihre Unterstützung signalisiert hatten, kündigte Krogmann einen neuen Vorstoß mit der alten Kandidatin an. „Und das geht so nicht“, meint zumindest CDU-Fraktionschef Klaukien, selbst Verwaltungsjurist und schon deshalb in dem aus seiner Sicht „spannenden Punkt“ engagiert.

Der spannende Punkt ist in diesem Fall der Paragraf 109 der Kommunalverfassung. Der enthält nämlich einen Passus, der das normalerweise sehr weitreichende Vorschlagsrecht des Oberbürgermeisters aushebelt. Wenn der Rathauschef bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem Ende einer Dezernenten-Amtszeit keinen Bewerber vorschlägt oder – und das ist der aufs Wesentliche reduzierte Kern – „nach einer Ablehnung eines vorgeschlagenen Bewerbers … keinen anderen Bewerber vor(schlägt) …, so entscheidet die Vertretung mit einer Mehrheit von drei Vierteln ihrer Abgeordneten allein.“ Der sich daran entzündende Streit ist ein schönes Beispiel für politische und juristische Semantik. Es geht um die Bedeutung des Wortes „anderen“.

Das schließe die Wiederholung eines durchgefallenen Vorschlags aus, interpretiert Klaukien: „Sonst hätte man ja ‚andere‘ weglassen und nur ‚keinen Bewerber‘ schreiben können, das hätte alles zugelassen.“ Rathaus-Chefjuristin Silke Meyn vertritt eine andere Rechtsauffassung – und die deckt sich im Kern mit einer ersten Einschätzung der im Innenministerium angesiedelten Kommunalaufsicht. Die war (warum auch immer) von einem FDP-Landtagsabgeordneten um Stellungnahme gebeten worden und hatte dem „andere“ eine ganz andere Bedeutung zugemessen, sich zuvor nach grundsätzlichen Anmerkungen aber noch der Auslotung eines anderen Begriffes gewidmet. Die Regelung solle eine Blockadesituation zwischen Hauptverwaltungsbeamten und Rat verhindern. Man habe „bewusst die Formulierung ‚nach einer Ablehnung‘ und nicht ‚nach der Ablehnung‘ gewählt, um zu verdeutlichen, dass … der Hauptverwaltungsbeamte nach jeder Ablehnung erneut … einen (anderen) Bewerber vorschlagen kann.“ Dabei sei gesetzlich nicht ausgeschlossen, dass ein einmal abgelehnter Vorschlag erneut eingebracht werde. Der fragliche Passus sei so zu verstehen, „, dass sich die erneute Einbringung des Wahlvorschlages nicht auf die Frist auswirkt, einzig der Vorschlag einer anderen Bewerberin oder eines anderen Bewerbers unterbricht die Dreimonatsfrist, nach der die Vertretung allein entscheiden darf.“ Danach könnte der Oberbürgermeister also seine durchgefallene Kandidatin mehrfach vorschlagen. Nach drei Monaten ohne Mehrheit und ohne Alternativ-Vorschlag (der eine neue Frist in Gang setzen würde) wäre der Rat ohne OB am Zuge – wobei die vorgeschriebene Dreiviertelmehrheit für Oldenburg allerdings eine hohe Hürde wäre. Klingt kompliziert, ist es wohl auch – wobei die Oldenburger Politik dafür bekannt ist, dass sie Kompliziertes gern verkompliziert.

Klaukien jedenfalls hat die Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht „zur Kenntnis genommen“ und erst mal die Juristen seiner Landtagsfraktion eingeschaltet. Parallel dazu setzt er noch „auf die beamtenrechtliche Schiene“. Die Wahl einer einmal durchgefallenen Bewerberin widerspreche der beamtenrechtlichen Anforderung der Bestenauslese. Die gelte im Übrigen, sagt er mit Blick auf die möglicherweise anstehende Auseinandersetzung um die Zukunft der Baudezernentin, auch für das Vorschlagsrecht des Oberbürgermeisters. Da könnte der nächste Ärger ins Haus stehen.

Sollte die Causa Sachse tatsächlich vor Gericht landen, hätte das eine pikante Note. Es waren ausgerechnet die Oldenburger Verhältnisse, die seinerzeit zur Aufnahme der Passage über die Eigenentscheidung des Rates geführt hatten. 2001, im letzten Amtsjahr des ersten hauptamtlichen Oldenburger Oberbürgermeisters Jürgen Poeschel (CDU), war genau die von der Kommunalaufsicht angeführte Blockade eingetreten. Nacheinander schieden drei Dezernenten mit Ablauf ihrer Amtszeit aus – und der mit der rot-grünen Ratsmehrheit dauerhaft über Kreuz liegende Poeschel weigerte sich hartnäckig, neue Köpfe vorzuschlagen. Die Hängepartie endete letztlich mit seiner Niederlage bei den OB-Wahlen. Aber unter dem Eindruck dieser Erfahrung änderte der Landtag die Verfassung (die damals noch Gemeindeordnung hieß) und fügte die zu jener Zeit in Hannover als „Lex Oldenburg“ kursierende Möglichkeit einer selbständigen Ratsentscheidung ein. Es hätte was, wenn ausgerechnet die Oldenburger nun damit als erste vor Gericht zögen. Denn (und das mag Klaukien zusätzlich anspornen) eine Gerichtsentscheidung über diesen Passus hat es hierzulande noch nicht gegeben – weder nach der alten Gemeindeordnung, noch nach der neuen Kommunalverfassung.

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