Alt-Bundeskanzler würdigt alten Gegner
Oldenburg (Michael Exner) Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Dienstagabend in Oldenburg den ehemaligen Landtagspräsidenten Horst Milde für 60 Jahre Mitgliedschaft in der SPD geehrt. Schröder würdigte den 83-Jährigen als „langjährigen Weggefährten, der jahrzehntelang die Interessen von Stadt und Land vertreten hat“, er ehrte damit aber auch einen früheren Gegner – was bei der Feier nur in leisen Zwischentönen anklang.
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Der gebürtige Breslauer Milde war nach dem Krieg als Vertriebener in den Nordwesten gekommen und hatte seine politische Karriere in Leer begonnen: Kreistag, Bürgermeister, seit 1967 im Landtag. 1973 kam er als Präsident des damaligen Verwaltungsbezirks nach Oldenburg. Er blieb in der Stadt, auch als er 1976 von der neuen CDU-Landesregierung unter Ernst Albrecht abgelöst wurde. Milde ging in den Stadtrat, 1978 wieder in den Landtag, war zwischenzeitlich Oberbürgermeister und wurde mit Schröders Wahlsieg von 1990 Präsident des Niedersächsischen Landtages. Er blieb es bis zum selbst gewählten Abschied von der Politik 1998.
Man hat später gesagt, dass dieses Amt auf Milde zugeschnitten war. Tatsache ist, dass der Mann das Amt geprägt hat. Milde legte Wert auf Stil, er achtete auf die Würde des Parlaments. „Er hatte etwas erkannt, das heute etwas in Vergessenheit geraten ist“, sagte Schröder bei der Ehrung, „dass es harte politische Gegnerschaft geben darf und muss, die aber unter Demokraten niemals in Feindschaft ausarten darf.“
Was Gegnerschaft betrifft, haben die beiden Oldtimer ihre eigenen Erfahrungen. Als Schröder sich zwei Jahre nach der katastrophalen SPD-Niederlage bei der Landtagswahl von 1982 selbst als Bewerber für die nächste Spitzenkandidatur gemeldet hatte, zählte Milde zur Führungsgruppe der Weser-Ems-SPD um den Vorsitzenden Karl Benke. Der wollte Schröders Kandidatur unbedingt verhindern: Der ehemalige Juso-Vorsitzende galt den traditionell konservativen Nordwest-Genossen als zu links, und das selbstbewusste Auftreten des mit 40 Jahren vergleichsweise jungen Kandidaten war der eher gemessen agierenden Spitze der Weser-Ems-SPD fremd. Der Versuch, Schröders Vormarsch mit der ehemaligen Bundesministerin Anke Fuchs zu stoppen, scheiterte exemplarisch. Doch auch nach Schröders knapper Niederlage gegen Albrecht 1986 (bei der die CDU die absolute Mehrheit verlor), blieben im Nordwesten Vorbehalte gegen den früh auf rot-grünen Kurs gehenden Oppositionsführer.
Schröder hatte als Kopf des Widerstandes den damaligen SPD-Bezirksvorsitzenden, den Jeveraner Landtagsabgeordneten Bernd Theilen ausgemacht (ob zu Recht, ist immer noch umstritten). Nach seinem Wahlsieg von 1990 löste er das Problem mit einem kalten Schlag: Weser-Ems bekam zwei Minister (Hinrich Swieter Finanzen, Karl-Heinz Funke Landwirtschaft), Milde wurde Präsident des Landtages, und da der Landesvorsitzende Johann Bruns aus Emden sich noch den Fraktionsvorsitz sicherte, war Weser-Ems so stark wie nie zuvor (und auch danach). Nur der Bezirksvorsitzende blieb vor der Tür (wurde aber später begnadigt und 1994 Regierungspräsident).
Schröder und Milde fanden zueinander. Gemeinsam führten sie acht Jahre das Land, der eine als Regierungschef, der andere als Präsident des Parlaments. Und mit den Jahren, das wurde bei der Feier in Oldenburg deutlich, sind aus Gegnern erst Partner und dann Freunde geworden, die heute voller Respekt über die Lebensleistung des anderen sprechen. Nur manchmal wird die Erinnerung wach. Wenn Schröder Mildes Haltung und dessen stets klaren Kurs würdigt – und einflechtet, man habe „manchmal darüber gestritten, das kann man wohl sagen“ und Milde nach der Laudatio konstatiert: „So prima haben wir noch nie miteinander geredet.“
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