Oldenburg

Niels H.: „Das Grauen hört nicht auf“

Polizei und Staatsanwaltschaft haben heute im Rahmen einer Pressekonferenz in Oldenburg im Fall des bereits verurteilten Krankenpflegers Niels H. neueste Ermittlungsergebnisse bekanntgegeben.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben heute im Fall des bereits verurteilten Krankenpflegers Niels H. neueste Ermittlungsergebnisse bekanntgegeben.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Oldenburg (zb) „Das Grauen hört nicht auf“, so fasste Johann Kühme, Präsident der Polizeidirektion Oldenburg, die aktuellen Ermittlungen zum Krankenpfleger Niels H. heute in Oldenburg zusammen. Polizei und Staatsanwaltschaft gaben im Fall des bereits verurteilten Krankenpflegers Niels H. neueste Ermittlungsergebnisse bekannt.

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Zurzeit gehen die Ermittler davon aus, dass der heute 39-Jährige für mindestens 33 Todesfälle im Städtischen Krankenhaus Delmenhorst verantwortlich ist. Dabei handelt es sich um sechs Fälle, für die er bereits vom Landgericht Oldenburg zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, und weitere 27 Fälle, bei denen ein dringender Tatverdacht besteht. Sieben Fälle stehen noch aus.

Todesfälle im Klinikum Oldenburg

Darüber hinaus wird Niels H. verdächtigt, auch für Todesfälle im Klinikum Oldenburg verantwortlich zu sein, wo er von 1999 bis 2002 gearbeitet hat. Staatsanwaltschaft und Sonderkommission (Soko) haben einen unabhängigen Gutachter beauftragt, der die Sterbefälle im Klinikum Oldenburg untersucht, bei denen Niels H. Dienst hatte. „Der Gutachter untersucht derzeit einige hundert Akten, so dass wir im Augenblick nicht wissen, wie viele Todesfälle es sind“, erklärte Arne Schmidt.

„Zu neun Sterbefällen sind diese Untersuchungen abgeschlossen. Derzeit besteht dringender Tatverdacht in sechs Fällen, wobei die Ermittler in vier Fällen von Kaliumvergiftungen und in zwei von Ajmalinvergiftungen ausgehen“, so der Soko-Chef. Möglicherweise hat Niels H. also auch andere Medikamente verwendet, um reanimationspflichtige Zustände herzustellen. Das wird derzeit ermittelt und macht die Lage nicht einfacher.

Strafrechtliche Verfehlungen von Krankenhausmitarbeitern

Parallel dazu wird untersucht, ob strafrechtliche Verfehlungen von Krankenhausmitarbeitern vorliegen. Konkret gibt es insgesamt acht Beschuldigte, fünf Mitarbeiter des Delmenhorster Krankenhauses und drei des Klinikums Oldenburg, wo der Vorwurf Totschlag durch Unterlassen geprüft wird. „Im Klinikum Oldenburg wusste man von den Auffälligkeiten. Warum Polizei und Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet wurden, weiß ich nicht“, sagte Johann Kühme. „Vielleicht war das Ansehen des Hauses wichtiger als das Wohlergehen der Patienten. Auf jeden Fall hätten Morde in Delmenhorst verhindert werden können.“

Auch in Delmenhorst gibt es 2003 laut Arne Schmidt Indizien für eine nicht fachgerechte Behandlung, die sich 2005 verdichten. „Ob dieses Unterlassen als Totschlag zu werten ist, prüft gegenwärtig die Staatsanwaltschaft. Auf jeden Fall hätten Taten verhindert werden können“, erklärte der Soko-Leiter.

Niels H. will behilflich sein

Sowohl er als auch die Staatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann haben Niels H. im Gefängnis mit den Ergebnissen konfrontiert und vernommen. „Er will behilflich sein“, berichtete die Staatsanwältin. „Außerdem hat er abweichend zur Schwurgerichtsverhandlung die Taten in Delmenhorst voll umfänglich eingeräumt, kann sich aber nicht an alle Fälle erinnern. Nur an solche, wo besondere Vorkommnisse waren.“ Entgegen den Vermutungen, Niels H. habe erst einige Monate nach seinem Arbeitsbeginn in Delmenhorst mit dem Morden begonnen, wissen die Ermittler jetzt, dass er bereits nach einer Woche den Tod von Patienten billigend in Kauf genommen hat.

Um seinen Kollegen und den Ärzten zu imponieren, habe er Patienten absichtlich in reanimationspflichtige Zustände gebracht, berichtete er gegenüber den beiden Ermittlern. Und wie sich jetzt offenbar herausstellt, könnte es Patienten geben, bei denen er sogar mehrfach Hand angelegt hat. Das heißt, sie überlebten seine Mordversuche und sind Stunden später gestorben. Deshalb konzentrieren sich die Ermittler nicht nur auf Sterbefälle in den Dienstschichten von Niels H., sondern auch in denen danach.

„Niels H. ist ein Massenmörder“

„Fakt ist, dass es in seinen Dienstzeiten zu Mehrfachsterbefällen gekommen ist. Die Zahlen sind signifikant. Welche Sterbefälle tatsächlich auf sein Konto gehen, wird also weiter untersucht. Ganz sicher werden die Ergebnisse am Ende nicht sein“, räumt Arne Schmidt ein. Allein deshalb nicht, weil in der fraglichen Zeit im Krankenhaus Delmenhorst 101 Patienten feuerbestattet wurden und kein Nachweis mehr möglich ist. 184 wurden erdbestattet. „Das macht die Größe des Dunkelfeldes deutlich. Wir werden die ganze Dimension seines Tuns also nie wirklich kennen“, räumt Arne Schmidt ein.

„Niels H. ist ein Massenmörder. Wir können uns nicht auf ihn und seine Aussagen verlassen. Sein unseliges Wirken wird von uns – soweit es noch möglich ist – komplett aufgeklärt, hier wird jeder Stein umgedreht“, versicherte Oberstaatsanwalt Thomas Sander. Wann der Fall endgültig abgeschlossen sein wird, sei gegenwärtig vollkommen unklar. Johann Kühme ergänzte: „Niels H. ist ein Einzelfall – jedenfalls in dieser Dimension. Er hat einen ganzen Berufsstand in Misskredit gebracht.“

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