AWO-Fachtagung: Altern in der Ferne
Oldenburg (zb) Ursprünglich wollten sie nur kurz in Oldenburg bleiben. Mittlerweile sind über vier Jahrzehnte daraus geworden. Trotzdem ist die Huntestadt nie ihre richtige Heimat geworden. Gemeint sind Gastarbeiter aus den 1960er Jahren, die hier für kurze Zeit Geld verdienen wollten, um danach wieder in ihre Heimat zurück zu kehren. Inzwischen sind aus den Arbeitsmigranten Rentner geworden. Doch kaum jemand hat sie im Blick. Eine Fachtagung der AWO am 29. September von 9 bis 14 Uhr im Oldenburger Kulturzentrum PFL möchte für die erste Generation der Migranten sensibilisieren, die nicht nur in der Huntestadt sondern in ganz Weser-Ems gelandet sind.
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In Oldenburg leben rund 4500 Menschen mit Migrationshintergrund, die über 65 Jahre sind. „Die meisten von ihnen stammen aus der Türkei. Viele von ihnen haben anfangs bei AEG oder in der Wurstfabrik Meica gearbeitet“, berichtet Karin Stölting, Leiterin des AWO-Projektes „Kultursensible Altenhilfe in Kreyenbrück“ (Kusak). Bei dem 2014 für zehn Jahre gestarteten Projekt, das von der Stadt Oldenburg gefördert wird, handelt es sich um eine Anlaufstelle für die erste Gastarbeitergeneration.
Hier werden nicht nur Fragen zur Wohnung, Rente oder Krankenversicherung beantwortet, hier gibt es unter anderem ein Erzählcafé, eine Frühstücksrunde und ein Ausflugsprogramm, was gut nachgefragt wird, wie Karin Stölting berichtet. „Die deutsche Bürokratie macht den Migranten zu schaffen, weil sie nicht verstehen, was sie von ihnen möchte“, berichtet die Projektleiterin.
„Kaum jemand denkt über diese Personengruppe nach“, gibt Karin Stölting zu bedenken. „Sie sind vor 45 Jahren zu uns gekommen in der Annahme, nach zwei Jahren wieder zu Hause zu sein. Doch es wurden immer mehr Jahre und schließlich gründeten sie Familien. Während ihre Kinder in Oldenburg gut integriert sind, die Stadt als ihre Heimat betrachten, haben ihre Eltern nach wie vor ein Bein in der Türkei. Das heißt unter anderem auch, sie sprechen überwiegend kein und nur unzureichend Deutsch.“
Tatsächlich sind es vielfach ungelernte Kräfte gewesen, die seinerzeit in Deutschland dringend benötigt wurden. Viele von ihnen haben entweder nie oder nur kurz eine Schule besucht. Die deutsche Sprache zu lernen war für sie ein kaum zu überwindendes Hindernis und offenbar nicht erforderlich, um das Leben hier halbwegs zu bewerkstelligen. Mittlerweile sind die Betroffenen nicht nur Eltern sondern auch Großeltern, weshalb sie weiterhin in Oldenburg bleiben.
„Manch einer von ihnen verbringt zwar mehrere Wochen im Jahr in der Ursprungsheimat, aber es zieht sie zurück zu ihren Familien, die eher wie Deutsche leben. Zum Beispiel dass sie aufgrund ihrer Berufstätigkeit nebenbei nicht auch noch ihre Eltern pflegen können. Die benötigen deshalb Hilfen oder gar Pflegeplätze. „Damit verbunden ist eine ethnische und kulturelle Vielfalt, die in der offenen, ambulanten und stationären Altenhilfe noch nicht hinreichend berücksichtigt wird“, gibt Karin Stölting zu bedenken.
Somit seien die Träger und Einrichtungen der Altenhilfe und Altenpflege gefordert, sich dieser Entwicklung zu stellen, um den individuellen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht zu werden, gleichberechtigte Teilnahme zu ermöglichen und eine selbstbestimmte Lebensgestaltung zu fördern, sagt sie. „Ziel des Fachtages ist es deshalb, soziale Einrichtungen, kommunale Vertretungen und Öffentlichkeit für das Thema Interkulturelle Öffnung in der Altenhilfe zu sensibilisieren und die Teilnahmechancen für Migranten im Alter zu erhöhen.“
Angesprochen sind Fachkräfte aus der Seniorenarbeit, ehrenamtlich Engagierte, Beratungsstellen, Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe, Verbände und Vereine aus dem Kreis der Migranten, kommunale Vertreter sowie Interessierte und Betroffene. Während der Tagung geht es um die Situation der älteren Migranten in Niedersachsen. Nach der Bestandsaufnahme berichtet Sultan Hamamci, Fachkraft für kultursensible Pflege bei der AWO Bremen, über die Herausforderung der pflegerischen Versorgung von Migranten mit Demenz. Es folgen unter anderem kurze Vorträge über die Anforderungen an die Träger von stationären Einrichtungen sowie über interkulturelle offene Altenarbeit im Quartier, denen sich ein Fachaustausch mit Diskussion anschließt. Die Teilnahme an der Fachtagung ist kostenlos. Anmeldungen sind telefonisch unter 04 41 / 94 91 91 11 oder per E-Mail an karin.stoelting@awo-ol.de möglich.
1 Kommentar
Werden auch irgendwann die deutschstämmigen Senioren thematisiert, die aus finanziellen Gründen ihren „Lebensabend“ in Spanien, Polen, Tschechien oder Rumänien verbringen (müssen)? HIerzulande sind doch die Mitarbeiter der Ämter immerhin verpflichtet bei Unsicherheiten zu helfen. Gut, das klappt, schon wegen der Inkompetenz vieler Mitarbeiter im öffentlichen Dienst, nicht immer auf Anhieb. Aber man bekommt, das zeigt ja auch der Artikel, immerhin dann doch irgendwo HIlfe auf Nachfrage. Hing nicht in einem Büro des Sozialamtes mal der geschmackvolle Spruch “ Als Gott die Gehälter der Mitarbeiter in diesem Raum sah, drehte er sich um und weinte bitterlich.“ Sicherlich sehr geschmackvoll und motivierend – für die Empfänger der Sozialleistungen. Das waren vermutlich alles brave (und sehr blöde) Staatsdiener, vermute ich mal…