Kultur

Staatstheater: Ballett „Romeo und Julia“ begeistert

Romeo Montague (Diego Urdangarin) und Julia Capulet (Garance Vignes) widersetzen sich im berühmten Ballett „Romeo und Julia“ im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters dem Willen ihrer Familien.

Romeo Montague (Diego Urdangarin) und Julia Capulet (Garance Vignes) widersetzen sich im berühmten Ballett „Romeo und Julia“ im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters dem Willen ihrer Familien.
Foto: Stephan Walzl

Oldenburg (vs/ki) Die Geschichte des wohl berühmtesten Liebespaares der Literatur lässt sich auch nach Jahrhunderten immer wieder neu erzählen. So hat sie auch Antoine Jully, Ballettdirektor des Oldenburgischen Staatstheaters, in seiner choreografischen Uraufführung von „Romeo und Julia“ auf eindrucksvolle Weise neu interpretiert. Antoine Jully definiert die Liebesgeschichte des ungleichen Paars aus zwei verfeindeten Familien in Verona überraschend neu. Die Tragik ihrer Liebe erhält in seiner Fassung eine unerwartete Wendung. Er sprengt die Grenzen zwischen gesellschaftlicher Norm und freier Liebe – und sorgt damit für Gesprächsstoff im Publikum.

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Die herausragenden Tänzerinnen und Tänzer der BallettCompagnie Oldenburg begeisterten das Premierenpublikum im ausverkauften Großen Haus mit Können, Athletik und Ausdruckskraft. Nach über zehn Jahren unter der Leitung von Antoine Jully zeigt sich die Compagnie auf dem Zenit ihres tänzerischen Könnens. Ihre Vielseitigkeit und Ausdrucksstärke machen sie vergleichbar mit internationalen Ensembles. Eric Staiger, 2. Kapellmeister, leitet das Oldenburgische Staatsorchester durch das Ballett mit der berühmten Musik von Sergej Prokofjew. Der Komponist schuf in den 1930er-Jahren, inspiriert von William Shakespeares Tragödie, eine Partitur voller Dynamik und Lyrik. Vom ersten bis zum letzten Ton berührt die Musik – mal zart, mal eindringlich.

Dass die Oldenburger Produktion ein Publikumsrenner ist, zeigt sich daran, dass für die sieben bisher geplanten Vorstellungen bis Ende Juni nur noch wenige Restkarten erhältlich sind.

Ricardo Urbina (links) als Tybalt und Fran Kovačić als Mercutio lassen in der choreografischen Uraufführung von Ballettdirektor Antoine Jully die gesellschaftlichen Normen hinter sich. Foto: Stephan Walzl

Ricardo Urbina (links) als Tybalt und Fran Kovačić als Mercutio lassen in der choreografischen Uraufführung von Ballettdirektor Antoine Jully die gesellschaftlichen Normen hinter sich.
Foto: Stephan Walzl

Technische Präzision und emotionale Hingabe

Das 17-köpfige Ensemble tanzt sowohl im Kollektiv als auch in den vielen Solopartien mit technischer Präzision und emotionaler Hingabe – so sehr, dass man beinahe vergisst, dass man „nur“ in Oldenburg sitzt. Garance Vignes verleiht Julia Capulet eine gefühlvolle Eleganz und Leichtigkeit, ohne die innere Zerrissenheit ihrer Figur zu vernachlässigen. Diego Urdangarin verkörpert Romeo Montague mit kraftvollem Ausdruck und Tempo. Beide Hauptrollen agieren auf hohem technischem Niveau. Aber der berühmte Funke der Liebe springt zwischen ihnen nicht ganz über – die emotionale Chemie bleibt stellenweise blass. Ein weiteres Juwel der Compagnie ist Fran Kovačić in der Rolle des Mercutio. Mit ausgeprägtem Ausdruck, tänzerischer Perfektion und beeindruckender Athletik begeistert der Kroate und wird für sein Solo mit Zwischenapplaus gefeiert. Für Kovačić erfüllte sich ein langgehegter Traum: Er tanzt als Mann auf Spitze.

Auch Gasttänzer Ricardo Urbina überzeugt als Tybalt. Beide – Mercutio und Tybalt – stehen in dieser Inszenierung weniger für Konfrontation als für einen existenziellen Kampf um Anerkennung und Liebe. Jully hebt die traditionellen Gegensätze auf: Nur die Liebe zählt – bis zum bitteren Ende. Ein mutiger Gedanke, damals wie heute.

Zeitlose Interpretation gegen jede Konvention

Das Bühnenbild von Takaya Kobayashi mischt Moderne und Historie. Metall dominiert den angedeuteten Palazzo. Der berühmte Balkon besteht lediglich aus einem schlichten Stahlgerüst – hier wäre ein ästhetischeres Detail wünschenswert gewesen. Statt Degen kommen in den Kampfszenen Taktstöcke zum Einsatz – eine Idee, die zunächst komisch wirkt. Doch Antoine Jully scheint bewusst auf die symbolische Ebene zu setzen: Die Tänzer dirigieren sich gegenseitig, statt zu kämpfen. Vielleicht ein Hinweis auf subtile Machtspiele und Manipulation. Unklar bleibt, warum die in Orange und Weiß gekleideten Familienmitglieder im Verlauf der Choreografie immer wieder zueinanderfinden – trotz ihrer Fehde. Soll das die Sinnlosigkeit des Konflikts unterstreichen? Eine mögliche Deutung.

Antoine Jullys Interpretation von „Romeo und Julia“ ist ein zeitloses Ballett auf höchstem tänzerischem Niveau, das tief berührt und begeistert. Seine choreografische Uraufführung lässt Raum für eigene Gedanken, ohne das Publikum ratlos zurückzulassen.

Mehr Informationen, Vorstellungstermine und Karten unter www.staatstheater.de und unter Telefon 0441 2225111.

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