Region

Museumsdorf erforscht dunkles Kapitel der NS-Zeit

Stellten das Forschungsprojekt zur Provenienzforschung am Museumsdorf Cloppenburg vor: Frank Diekhoff, Karl-Heinz Ziessow, Karin Harms, Joachim Tautz und Michael Brandt sowie Uwe Meinersmit einem der Tagebücher von Heinrich Ottenjann.

Stellten das Forschungsprojekt zur Provenienzforschung vor (von links): Frank Diekhoff, Karl-Heinz Ziessow, Karin Harms, Joachim Tautz und Michael Brandt sowie Uwe Meiners (Mitte) mit einem der Tagebücher von Heinrich Ottenjann.
Foto: Katrin Zempel-Bley

Anzeige

Oldenburg/zb – 70 Jahre nach Kriegsende sollen rund 500 Objekte aus dem Alltagsleben aber zum Beispiel auch der Quatmannshof im Museumsdorf Cloppenburg genauer unter die geschichtliche Lupe genommen werden. Sie alle sind im Zeitraum zwischen 1933 und 1945 erworben worden. Doch niemand weiß genau, woher sie kommen, womit sie finanziert wurden und ob es sich möglicherweise um enteignetes jüdisches Eigentum handelt.

Das Museumsdorf hat das Forschungsprojekt „Das Museumsdorf Cloppenburg während der nationalsozialistischen Zeit – Sammlungsgeschichte in ihrem institutionellen Kontext“ entwickelt und bei der Arbeitsstelle für Provenienzforschung Fördermittel zum 1. April beantragt, die jetzt in Höhe von 65.000 Euro bewilligt wurden. Auch der Bezirksverband Oldenburg (BVO) unterstützt das Projekt mit 20.000 Euro. Das Museum selbst bringt Eigenmittel in Höhe von 60.000 Euro auf, um in den nächsten zwei Jahren Licht in das Dunkel eines bis heute ungeklärten und beschämenden Kapitels zu bringen.

Damals hieß der BVO noch Landesfürsorgeverband, wurde am 1. April 1944 Hauptträger des Museums und blieb es bis zur Gründung der Stiftung Museumsdorf Cloppenburg 1961. „Wir möchten Klarheit über unsere Vergangenheit bekommen“, erklärt Frank Dieckhoff, BVO-Verbandsgeschäftsführer, das Projekt-Engagement. Seine Stellvertreterin Karin Harms hofft, „dass Blackboxen geöffnet werden, die Transparenz herstellen und die 20.000 Euro somit eine gute Investition in eigener Sache darstellen.“

„Es geht darum, die Sammlungsgeschichte in ihrem institutionellen Kontext zu recherchieren und die Geschichte der variierenden Trägerschaften und Förderungen zu eruieren“, erläutert Prof. Dr. Uwe Meiners, Direktor des Museumsdorfes Cloppenburg bei der Projektvorstellung in Oldenburg. Dabei können die Historiker Dr. Karl-Heinz Ziessow vom Museumsdorf und Dr. Joachim Tautz von der Universität Oldenburg in den nächsten zwei Jahren auf wichtige Quellen zurückgreifen. Ziessow spricht von einer „idealen Überlieferungssituation“.

Mit der gut erhaltenen, sorgfältig geführten Registratur sowie den sehr gut geführten handschriftlichen Tagebüchern aus der besagten Zeit des damaligen Museumsdirektors Dr. Heinrich Ottenjann sowie umfangreiche Korrespondenz mit verschiedenen Kommunen hoffen die Wissenschaftler, die genauen Erwerbsumstände der 500 Objekte herauszufinden und die Sammlungsgeschichte in ihrem zeitgenössischen politischen Kontext zu entschlüsseln.

Das 1934 gegründete Museumsdorf Cloppenburg ist eines der ältesten Freilichtmuseen und das älteste Dorfmuseum Deutschlands in dieser Größe und diesem Zuschnitt. Seine Sammlungen gehen auf die Aktivitäten des 1918 gegründeten Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland und eines 1921 ins Leben gerufenen Museumsvereins zurück. Diese Sammlungstätigkeit wurde mit der durch die nationalsozialistische Oldenburger Landesregierung 1933/34 initiierten Gründung eines Freilichtmuseums von bis dahin in Deutschland einmaliger Größe auf eine völlig neue Grundlage gestellt. An erster Stelle als Sammlungsgut standen nun Häuser und Teile von Hofanlagen, Werkstätten, Mühlen und ein Adelssitz, die an ihren Originalstandorten abgetragen und im Museumsdorf wieder aufgebaut wurden. Die Recherche- und Sammlungstätigkeit erstreckte auf die ganze Region des Oldenburger Münsterlandes und weit darüber hinaus.

Die vorhandenen Akten im Staatsarchiv aber vor allem im Bundesarchiv in Berlin werden die Quellendichte maßgeblich erhöhen“, weiß Tautz aus seiner Vorrecherche. „Wir möchten natürlich auch die Beweggründe, Anlässe und Umstände von Objektübernahmen, die finanzielle, politische und administrative Förderung der Objektüberlassung – darunter auch politische Druckmaßnahmen – aufklären.

Das Projekt, das von einem Beirat begleitet wird, dem auch Dr. Michael Brandt, Geschäftsführer der Oldenburgischen Landschaft angehört, beabsichtigt also, für den anhand des Inventarbuchs der Zeit zwischen 1933 und 1945 zuzuordnenden Objektbestand eine möglichst vollständige Beschreibung der Übernahmeumstände zu ermöglichen. Die Vorstellung der Rechercheergebnisse vor einem wissenschaftlichen Fachpublikum und die anschließende Publikation dienen nicht zuletzt auch der Beschreibung neuer Möglichkeiten der Provenienzforschung in älteren Heimat- und Freilichtmuseen.

Vorheriger Artikel

Raus aus der Tabuzone

Nächster Artikel

Kommentar: Verkehrte Welt

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.