Politik

Landtagswahl: Der SPD droht die grüne Gefahr

Am 9. Oktober wird der Landtag in Hannover neu gewählt.

Am 9. Oktober wird der Landtag in Hannover neu gewählt.
Foto: Dominik Jaeck

Oldenburg (Michael Exner) Einen Monat vor der Landtagswahl haben die Demoskopen Hochkonjunktur. Für einen Blick auf die Perspektiven der Stadt braucht es allerdings keinen Kaffeesatz. Es wird diesmal spannend – ungewöhnlich spannend.

Anzeige

Das war nicht immer so. Über Jahrzehnte galt in Oldenburg der Grundsatz: Die SPD gewinnt die beiden Wahlkreise, die CDU muss auf die Landesliste setzen, was mal mehr (1994: zwei Mandate), mal weniger (2013: null) gelang. Von dieser Regel gab es zwei Ausnahmen: 1982, als der tapfere, aber glücklose Genosse Karl Ravens gegen den damals noch strahlenden CDU-Regierungschef Ernst Albrecht in den Untergang geschickt wurde – und 2003, als die SPD in einer Legislaturperiode drei Ministerpräsidenten benötigt hatte, gewann die CDU die Direktmandate. In beiden Fällen gab es allerdings auch starke Einflüsse von der Bundesebene. 1982 lag die sozialliberale Koalition von SPD-Kanzler Helmut Schmidt in den letzten Zügen, und 2003 zogen bereits erste Wolken über der rot-grünen Regierung von Bundeskanzler Gerd Schröder auf.

Derlei Blitze vom Bund sind derzeit (je nach Standpunkt) nicht zu befürchten oder zu erhoffen. Und so müssen die Oldenburger mit den übrigen Niedersachsen selbst sehen, wo sie bleiben. Aktuell stellt die Stadt drei Abgeordnete: Für die SPD haben Hanna Naber (51) im Norden und Ulf Prange (47) im Süden 2017 die Wahlkreise gewonnen, für die CDU zog Esther Niewerth-Baumann (53) über die Liste in den Landtag. Ein kurzes Gastspiel gab Susanne Menge von den Grünen. Die ehemalige Bürgermeisterin war schon von 2013 bis 2017 im Landtag, verpasste die Rückkehr um einen Listenplatz, rückte dann 2019 nach und verabschiedete sich im Vorjahr wieder nach ihrer Wahl in den Bundestag.

Alle drei Abgeordneten kandidieren erneut – mit unterschiedlichen Perspektiven. Für die CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Esther Niewerth-Baumann ist die Reise nach Hannover erst einmal vorbei. Die erfahrene Kommunalpolitikerin hat in ihrer ersten Landtagsperiode aus städtischer Sicht zwar nichts falsch gemacht und es zudem gleich in den Fraktionsvorstand gebracht, aber im Landesverband hat man das offenbar anders gesehen und die Oldenburgerin von Platz 21 auf 34 runtergestuft, ein eher ungewöhnlicher Absturz, der auf interne Querelen hindeutet (und der örtlichen Zeitung erstaunlicherweise kaum eine Zeile wert war). Die beiden anderen haben gemischte Karten.

Im Wahlkreis 62 Oldenburg-Mitte/Süd (so die offizielle Bezeichnung) würde Ulf Prange gern den dritten Sieg in Serie einfahren. Der Rechtsanwalt hat zwar in den vier Jahren als Parteivorsitzender in der Nachfolge des derzeitigen Oberbürgermeisters Jürgen Krogmann keine Bäume ausgerissen und als SPD-Ratsfraktionsvorsitzender (seit 2018) zuletzt Schwächen im Management gezeigt, als Landtagsabgeordneter aber wird er wegen seines Einsatzes in Hannover für Oldenburger Interessen parteiübergreifend gelobt. Dennoch dürfte er unruhigen Nächten entgegensehen. Christdemokratin Lina Köhl (29) ist zwar keine ernsthafte Gegnerin (sondern eine Newcomerin, die die CDU über einige Kandidaturen behutsam aufbauen sollte), aber da ist auf einmal noch jemand im Spiel. Der SPD droht in Oldenburg generell die „grüne Gefahr“. Bei der Kommunalwahl im Vorjahr sind die Grünen erstmals stärkste Ratsfraktion geworden, und – Pranges persönliches Pech – ausgerechnet in den drei Wahlbezirken, die den Süd-Wahlkreis bilden, haben die Grünen das Mandat mehr geholt. Deren Kandidatin Andra Möllhoff (32) ist zwar neu im Politgeschäft, aber die Klientel der Grünen orientiert ihr Wahlverhalten traditionell eher an der Partei und weniger an Personen. Möllhoff muss auf Sieg setzen, ihr Listenplatz 31 würde erst bei deutlich über 20 Prozent für die Grünen reichen. Auch Prange braucht den Erfolg. Für seinen Listenplatz 19 gilt das olympische Motto – und eine Niederlage könnte zudem einen Schatten auf weitergehende kommunale Karrierepläne werfen. Die vor ein paar Wochen auf der Basis von Prognosen von einer Boulevardzeitung veröffentlichte farbige Politkarte Niedersachsens jedenfalls malt den Wahlkreis schon mal grün.

Im Wahlkreis 63 Oldenburg-Nord/West ist die Lage differenzierter (und der Kreis in der eben erwähnten Grafik rot-grün schraffiert). Hier ruhen die Hoffnungen der SPD auf Hanna Naber. Die ehemalige Finanzchefin von Bezirks- und Landespartei der Sozialdemokraten hat sich lange Zeit unterhalb des öffentlichen Radars bewegt, ist dann aber durchgestartet: Landtagsabgeordnete, Parteivize, Ratsmandat (seit 2021). Auf Landeebene ist sie mittlerweile Generalsekretärin – und sollte die SPD die Wahl am 9.Oktober gewinnen, wären für die Kampagnenverantwortliche wohl weitere Stufen auf der Karriereleiter in Sicht. Esther Niewerth-Baumann wird ihr das nicht streitig machen können, wohl aber die Grüne Lena Nzume (42). Bei der allerdings ist der Druck nicht ganz so groß. Listenplatz 17 bedeutet bei den aktuellen Umfragewerten der Grünen (um die 19 Prozent) ein sicheres Mandat (für das auch 14 Prozent reichen könnten). Naber wiederum muss gewinnen. Ihr Platz 9 sieht auf den ersten Blick zwar schön und ehrenvoll aus (zumal auf den acht Rängen davor der Ministerpräsident und noch vier Kabinettsmitglieder stehen), aber bei der vorigen Wahl gab es nicht ein einziges Listenmandat für die SPD, und auch diesmal sollte man darauf keine Häuser bauen.

Bei den kleineren Parteien ist die Lage einfacher, weil es bei ihnen nur der Liste entlang geht. Die Linke sehen nahezu alle Umfragen in diesem Jahr unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde, was eine Rückkehr des Oldenburgers Hans-Hennig Adler (72/von 2008-2013 im Landtag) ausschließt. Bei der FDP steht Ratsherr Benno Schulz (34) auf Platz 10 – und der könnte eine Nacht zwischen Hoffen und Bangen bringen (Susanne Menge von den Grünen ist in dieser Hinsicht schmerzerprobt). Wiederholen die Liberalen ihr Ergebnis von 2017 (7,5 Prozent) kommt Schulz in den Landtag, landen sie bei den Umfragewerten (untere Grenze 6 Prozent), bleibt er draußen. Dazwischen ist Zittern angesagt.

Lässt man die ohnehin fragilen Zahlenspiele um Überhangmandate (wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustehen) und deren Ausgleich (2017 wuchs der Landtag deshalb um zwei Sitze auf 137) beiseite, sieht es für die Stadt so aus: Im (unwahrscheinlichen, aber nicht auszuschließenden) Fall gibt es nur zwei Mandate: wenn die Grünen nämlich beide Wahlkreise gewinnen und die FDP nicht über sechs Prozent kommt. Im günstigsten Fall wären es fünf Mandate: wenn die SPD die Wahlkreise gewinnt, die Grünen bei 22 und die Freidemokraten bei über sieben Prozent landen.

Vorheriger Artikel

Fachkräftemangel rückt in den Fokus

Nächster Artikel

Bericht: Erhebliche Einschränkungen in kritischer Infrastruktur

2 Kommentare

  1. Manfred Murdfield
    9. September 2022 um 10.34 — Antworten

    „der örtlichen Zeitung erstaunlicherweise kaum eine Zeile wert“ – der Informationswert der Lokalzeitung in Bezug auf Oldenburger politische Vorkommnisse und Zusammenhänge ist kaum nennenswert. Und dann grösstenteils belanglos. Für politisch Interessierte nicht wirklich brauchbar, zu viel bleibt unterm Tisch. Da gab es bessere Zeiten.

  2. Michael
    9. September 2022 um 16.20 — Antworten

    Jetzt drohen sie sich und anschließend gehen sie zusammen ins Bett und Grün liegt oben. Mit anderen Worten, ob Grün oder Rot, am Ende ist die Politik Grün. Die linke Politik ist zu einer Gefahr geworden und wie auch immer man zu etwas steht, sollte man eine Gefahr nicht wählen.

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.