Noch liegen keine Zahlen auf dem Tisch, aber es ist absehbar, dass die Stadt nicht mehr als 50 Prozent der Gesamtmenge an Altpapier einsammelt. Diese Menge ist jedoch unbedingt erforderlich, um eine schwarze Null zu schreiben. Ziel war es jedoch, mit der Altpapiersammlung viel Geld in die Stadtkasse zu spülen. Nach einem Jahr muss Bilanz gezogen werden und sollte die negativ ausfallen, ist der Bürger an der Reihe. Er muss das Defizit ausgleichen, so will es das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG).

Derweil ist das Steuerzahlerinstitut des Bundes der Steuerzahler auf die Huntestadt und ihre propagierte Tonnenwende aufmerksam geworden. Allerdings fällt das Urteil des Präsidenten Reiner Holznagel negativ aus, weil die Stadt in seinen Augen ein Beispiel für Misswirtschaft ist, unrentabel arbeitet und private Unternehmen vom Markt verdrängt. Er bezweifelt, dass die städtische Sammlung die Abfallgebühren stabilisiert.

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Grundsätzlich hätte die Idee von der Tonnenwende funktionieren können. Aber nicht so wie vom AWB eingefädelt. Sein Vorgehen erinnerte eher an eine Kriegserklärung, aber nicht an einen fairen Wettbewerb. Und genau darauf haben viele Oldenburger geradezu allergisch reagiert. Sie sahen keinerlei Grund, die Arbeitsgemeinschaft Duales System Oldenburg (Arge) im Stich zu lassen, die zehn Jahre lang zuverlässig die Papiertonne kostenlos geleert hat. Auch der Hinweis, durch eine städtische Papiersammlung viel Geld verdienen zu können, verfing sich nicht. Sie empfanden das Vorgehen als unfair. Und damit war die Tonnenwende für sie erledigt. Alle Argumente in Ausschuss und Rat fruchteten nicht mehr. Politik und Verwaltung, das muss klar festgestellt werden, haben das Gerechtigkeitsgefühl dieser Bürger vollkommen falsch eingeschätzt.

Jetzt haben Ratsmehrheit (SPD, Grüne und Linke) und Stadtverwaltung den Salat. Ihre zum Teil vehementen Auftritte und massiven Appelle an jene Bürger, die ihre Idee von der Tonnenwende vollkommen vermasselt haben, haben ihre Wirkung komplett verfehlt. Und zu allem Überfluss äußert sich ausgerechnet Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel von den Grünen kritisch zum jetzigen Vorgehen.

Die Stadtverwaltung beschränkt sich derweil seit Wochen aufs Prüfen und weiß nicht, wie lange dieser Vorgang noch andauert. Soll sie dem Rat die Untersagung der privaten Sammlung empfehlen oder nicht. Um diese Frage geht es. Das wäre mal wieder eine ideale Möglichkeit, einen Gutachter zu beauftragen, der das in epischer Breite und natürlich für ein angemessenes Salär gerne untersucht. So könnte Zeit gewonnen werden, um die verfehlte Tonnenwende weiter auszusitzen, die der Stadt vermutlich hinterher fehlt.

Die viel gepriesene Bürgermeinung ist manchmal eben nicht im Sinne der Politiker. Im Gegensatz zur Bahnumfahrung oder der Cäcilienbrücke wissen wir bei der Altpapiersammlung genau, wer welche Tonne benutzt, also für oder gegen die Tonnenwende ist. Da lässt sich nichts mehr manipulieren und ideologisieren. Wenn es doch so ist, dass die Zahl jener Bürger, die die AWB-Tonne nutzen nicht ausreicht, um das avisierte Ziel zu erreichen, dann sollte die Politik ein Einsehen haben und finanziellen Schaden aber auch einen Imageschaden von Oldenburg abwenden. Dazu sind sie Kraft ihres Amtes übrigens verpflichtet. Auch wenn es schwerfällt.

Ein Kommentar von Katrin Zempel-Bley.

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6 Kommentare

  1. Erhard Stammberger
    6. Mai 2014 um 9.40 — Antworten

    Moment mal: Zunächst war der Ratbeschluss zu Gunsten der AWB mit einer deutlich breiteren Mehrheit als SPD/Grüne/Linke. Dann begann eine Kampagne, u.a., offensichtlich mit gesteuert von der NWZ, mit teils unsachlichen Argumenten, z.B. dass die „Seitenlader“ nicht funktionieren würden (obwohl sie es anderenorts tun, und jetzt offensichtlich auch in Oldenburg).

    Ich würde ja gerne mein Altpapier in eine AWB-Tonne leeren, wohne aber zur Miete bei einer großen Hausverwaltungsfirma, die unter fadenscheinigen Argumenten den Wechsel zur AWB abgelehnt hat.

    Bitte also vollständig berichten.

  2. Brigitte M
    7. Mai 2014 um 15.21 — Antworten

    Nicht wundern, Herr Stammberger, so einseitig geht’s hier bei diesem Thema schon immer zu.

  3. Olaf Klaukien
    7. Mai 2014 um 21.14 — Antworten

    Herr Stammberger, auch der erste Ratsbeschluss hatte keine deutlichere Mehrheit. Die CDU war von vornherein gegen dieses aus unserer Sicht riskante Projekt.

  4. Erhard Stammberger
    8. Mai 2014 um 7.49 — Antworten

    Herr Klaukien, ich kann derzeit nicht recherchieren, wie die Mehrheitsverhältnisse am 16.7.2012 waren. Klar dass die CDU den Populismus der derzeitigen Anti-AWB-Kampagne für sich auszunutzen sucht. Vielleicht haben Sie aber schon mal was davon gehört, dass Demokratie auch heißt, eine Mehrheitsentscheidung mitzutragen. WEIL dies nicht geschieht, ist das Projekt riskant. Und die anderen Tatsachen meines Eingangskommentars haben Sie ja nicht bestritten.

  5. Olaf Klaukien
    8. Mai 2014 um 17.10 — Antworten

    Naja, Herr Stammberger, Schweigen bedeutet noch immer nicht Zustimmung.

    Und es gibt keine Anti-AWB-Kampagne, ich weiß überhaupt nicht, wie Sie darauf kommen. Die AWB- Mitarbeiter leisten tolle Arbeit. Das hat noch überhaupt keiner bestritten. Es gibt eine sachliche Diskussion über die Frage, inwiefern es richtig war, ein unkalkulierbares unternehmerisches Risiko seitens des AWB einzugehen. Nicht mehr und nicht weniger.

    Und jetzt stellten Sie sich mal vor, in einem Dorf gäbe es nur einen Bäcker. Ein zweiter Bäcker siedelt sich an und fordert in dem Zusammenhang zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen ein Verbot der Tätigkeit des ersten Bäckers. Fänden Sie das richtig?
    Es geht nämlich auch nicht um die Frage, ob der AWB überhaupt sammeln soll. Diese Mehrheitsentscheidung haben wir als CDU respektiert. Was aber nicht geht, jetzt der ARGE das Sammeln zu verbieten.

  6. Erhard Stammberger
    9. Mai 2014 um 7.30 — Antworten

    Ob es nicht geht, der ARGE das Sammeln zu verbieten, kann ich nicht beurteilen, weil ich mich mit dem Abfallrecht nicht auskenne. Der Vergleich mit den Bäckern hinkt auch reichlich, denn Müllabfuhr ist im Kern eine Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge und kein Verkauf irgend welcher Güter. Dass es keine Kampagne gegen die Haltung der AWB gibt, kann nur jemand schreiben, der eine (parteipolitisch verständlich) einseitig gefärbte Brille beim Lesen der NWZ-Leserforen auf hat. Das Beispiel mit den Seitenladern, deren Fähigkeiten trotz positiver Erfahrungen sogar in benachbarten Städten wie Wildeshausen massiv bezweifelt wurden, ist nur eines von vielen. Sachliche Diskussion geht jedenfalls anders (damit meine ich nicht Ihre Beiträge hier).

    Fakt ist jedenfalls: Die Verwaltung (deren Freund ich wahrhaftig nicht immer bin) führt einen mehrheitlich gefassten Ratsbeschluss aus. Ob sie dabei immer geschickt agiert, sie dahin gestellt.

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