Theaterkritik: „Charleys Tante“

Im Kleinen Haus des Oldenburger Staatstheaters tanzten bei Charleys Tante überzeichnete Figuren auf der Bühne – mitunter auf hohen Absätzen.
Foto: Andreas J. Etter
Oldenburg (nb) Im Kleinen Haus des Oldenburger Staatstheaters tanzten überzeichnete Figuren auf der Bühne – mitunter auf hohen Absätzen. 1892 schrieb Brandon Thomas ein bis heute beliebtes Stück, „Charleys Tante“. In Spielfilmen brillierten schon Heinz Rühmann und Peter Alexander in der Rolle. Nun war es der Sänger Udo Nottelmann, der sich ausnahmsweise zu den Kollegen der August-Hinrichs-Bühne gesellte und auf Plattdeutsch so manch einer komödiantischen Situation begegnete. Ekat Cordes, der Regisseur der Komödie, schuf ein kunterbuntes Garten-Bild, das in zwei Stunden und einer Pause die Zuschauer unterhielt.
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Charleys Tante: die Geschichte
Jakob ist verliebt in Katrin, Charley in Annie, beide wollen ihr Glück versuchen und laden die Mädchen zu sich ein. Diese beiden stehen unter dem Regiment ihres Vormundes, der sie nicht einfach zu zwei jungen Männern gehen lässt. Glücklicherweise hat Charlys reiche Tante aus Brasilien, Donna Lucia d’Alvarez, ihren Besuch angekündigt – mit der Anwesenheit der Anstandsdame sollte es kein Problem sein, die Mädchen einzuladen. Die Betörten sind da, die Tante noch nicht, sie wurde aufgehalten, kommt erst einige Tage später. In der Situation ist guter Rat teuer. Gut, dass ihr Freund Johnnie vorbeigekommen ist, um die Jungen nach ihrer Meinung zu seinem neuem Showdress zu fragen: Er ist Sänger mit Band und soll zu einem Junggesellenabschied als Frau auftreten. Kurzerhand wird er gegen seinen Willen in die Rolle der reichen Tante verfrachtet. Die Rolle nimmt ihm jeder ab – so vergucken sich Jakobs Vater, der aus Afrika anreist und der Vormund der Mädchen, einem passionierten Jäger, in die holde Dame. Nicht zuletzt die Millionen lassen die vermeintliche Frau in einem heiratsfähigen Licht erscheinen. Und wie es in einer Komödie unumgänglich ist, kommt irgendwann die echte Donna Lucia d’Alvarez aus ihrem südamerikanischen Domizil…
Charleys Tante: die Kritik
Über ein Dutzend Darsteller auf der Bühne sind vielleicht ein Zeichen dafür, dass es sich um ein besonderes Stück handelt. Kunterbunt wird jeder Humor bedient. Da ist der Gesang, der absolut triefende Kitsch, eine Albernheit, die manche Zuschauer zurückschreckten. Es war aber auch ein Mitmachtheater, begeisterte Reinrufe, begeisterter Applaus zwischen und in den Szenen. Jede Handlung auf der Bühne war so durchgeplant, so konsequent und an die nachkommenden gebunden, dass eine Hohe Aufmerksamkeit der Darsteller von Nöten war. Die war da, denn es war die meist zum Totlachen.
Helge Ihnen, der Darsteller des Jägers, sagte auf der Premierenfeier, die älteren Darsteller hätten den Regisseur immer wieder gefragt, ob das denn nun sein müsse. Der habe nur geantwortet: „Das wird komisch!“. Das Stück ist für jüngere Leute, aber auch für die älteren wahrlich ein Vergnügen. Komisch war vieles im Garten Eden der Bühne, die Aneinanderreihung lustiger Szenen, bei denen auch die Darsteller außerhalb des Rampenlichts geniale Leistungen ablegten.
Neben der vermeintlichen Tante, gespielt von Udo Nottelmann, der immer wieder thematisch passende Popsongs von sich gab – sehr gut, er ist schließlich studierter Sänger – sind alle Rollen interessant. Da sind die Junggesellen, Jakob und Charley (Cay-Hendryk Meyer und Jakob Rhode), die stetig im Chor antwortenden Mädchen (Britta Junker und Melanie Lampe), aber auch der totkomische und nicht immer kniggetreue Butler (Dieterfritz Arning), der Postbote und Bodyguard (Jürgen Müller), der aus Afrika kommende Papa (Hajo Freitag) – der seine Jugendliebe wiederfindet, die echte Donna Lucia d’Alvarez wiederfindet, gespielt von Margrit Backhus – und der mit ihr aus Brasilien kommenden Liebe von Johnnie (Kristina Trey). Liebe, Liebe, Liebelei, jeder einzelne scheint einen abzubekommen. Selbst der Jäger, der trauernd über die Bühne wandelt, als er merkt, dass keine Donna Lucia auf ihn wartet, darf mit einem Reh ins Stückende tanzen. Von der Decke kommende Herzen, ein Sternenhimmel, der Mond, der blühende Rhododendron, purer, glitschiger Kitsch, annehmbarer Kitsch, lustiger Kitsch.
Bei all den lustigen Szenen, bei denen viel situative Komik vorherrscht ist es manchmal fast so, als sei das Augenmerk zu sehr auf Klamauk gelegt. Manchmal fragt man sich einfach, wieso etwas getan wird, wenn man doch eigentlich auf eine Fortsetzung der Geschichte hofft. Die Albernheit schreckt manche vielleicht ab und zieht gleichwohl andere an. Der ausgiebige Applaus zwischen den Szenen und am Ende fasste die überwiegende Meinung des Publikums wohl angemessen zusammen: Es war toll. Nicht zuletzt wegen der innovativen, filmreifen Ideen. Mal beendet ein Dramaturg das Stück und lädt verfrüht zum Nachtgespräch oder echte Feuerwehrmänner rennen mit über die Bühne. Wer bei den weiteren Vorstellungen rennen wird, bleibt offen. Empfehlenswert, dies herauszufinden, ist es auf jeden Fall.
Es war das letzte Stück für Cornelia Ehlers, Dramaturgin der August-Hinrichs-Bühne, die bisher Stücke wie dieses ins Plattdeutsche übertrug – ihre nächste Spielzeit wird sie beim Hamburger Ohnsorg-Theater verbringen. Ganz weg ist sie aber nicht, Kooperationen der Jugendbühnen wurden in Aussicht gestellt.
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