Energetische Nachbarschaften in Gewerbegebieten

Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff, Prof. Thomas Wegener, iro-Vorstandsmitglied, und Offis-Vorstand Prof. Dr. Hans-Jürgen Appelrath (von links) unterzeichneten einen Kooperationsvertrag.
Foto: Katrin Zempel-Bley
Oldenburg (zb) In einem Oldenburger Gewerbegebiet befindet sich neben einem Betrieb für Futtermitteltrocknung ein Klärwerk. Aus Sicht der energetischen Nachbarschaft ideal, weil das eine Unternehmen genau jene Abwärme erzeugt, die das andere Unternehmen für seine Produktionsprozesse benötigt.
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Das Informatikinstitut OFFIS und das Oldenburger Institut für Rohrleitungsbau (iro) wollen mit ortsansässigen Akteuren auf Basis von Hybridnetzen solche Konzepte umsetzen und wissenschaftlich begleiten. Deshalb wurde jetzt eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Hybridnetze stellen eine mögliche Lösung für die Anpassung von Stromerzeugung und -nachfrage dar. Im Hybridnetz sollen die Versorgungssysteme und Versorgungsnetze für Strom, Gas und Wärme miteinander gekoppelt, und diese Energien von einer Form in eine andere transformiert werden. „Für das Energiesystem bedeutet das eine enorme Flexibilität aber vor allem auch Stabilität“, erklärt Prof. Thomas Wegener, iro-Vorstandsvorsitzender. Hybridnetze stellen also eine mögliche Lösung für den Umgang mit stark schwankender Last beim Stromverbrauch dar.
Diese sogenannten energetischen Nachbarschaften entstehen immer dann, wenn durch räumliche Nähe eine Kopplung von energieintensiven Prozessen möglich wird. Ein Unternehmen arbeitet mit einer bestimmten Energieform und setzt dabei eine andere frei, die dann der Nachbar nutzen kann. Im Idealfall lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Energieemissionen werden durch die Koppelung an Prozesse deutlich effizienter kombiniert und darüber hinaus insgesamt reduziert. So könnte das Klärwerk des OOWV in Oldenburg demnächst mit dem Trockenfuttermittelhersteller Agravis, einem Rechenzentrum und einem Besitzer einer Photovoltaikanlage eine energetische Nachbarschaft eingehen. Offis und iro haben ein entsprechendes Projekt beantragt, dass demnächst startet.
„Wir sehen hier enorme Potenziale“, sagt Offis-Vorstand Prof. Dr. Hans-Jürgen Appelrath. Denn in fast jedem Gewerbegebiet befinden sich Nachbarn, die sich energetisch ergänzen könnten. Das hört sich einfach an, aber ohne Interdisziplinarität gibt es kein funktionierendes Hybridnetz. Informations- und Kommunikationstechnologie gehören ebenso dazu wie Automatisierungstechnologie und diverse Ingenieurwissenschaften aber auch Geoinformation. Es muss am Ende Systemintelligenz in die Versorgungsnetze implementiert werden, damit Hybridnetze technisch möglich werden. Genau deshalb gibt es jetzt die Kooperation.
„Wir wollen die technischen Machbarkeiten untersuchen“, sagt Prof. Dr. Sebastian Lehnhoff von OFFIS. Letztlich geht es um das Entwerfen von Schablonen. „Wir wollen wissen, gibt es Muster, Ähnlichkeiten bzw. eine Methodik, die übertragbar sind. Zum nächsten Rohrleitungsforum im Februar sollen erste Ergebnisse vorgestellt werden. Die Wissenschaftler sind zuversichtlich. Dann könnten viele Betriebe in Gewerbegebieten eine energetische Nachbarschaft eingehen und nachhaltig zum Klimawandel beitragen.
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