Wirtschaft

Fachkräfte: Mangel oder Mär?

In Oldenburg wurde kürzlich eine Fachkräfteinitiative initiiert. Leser kritisierten das, sie halten den Fachkräftemangel für eine Mär.

Von einem allgemeinen Fachkräftemangel kann nicht gesprochen werden, im Bereich der Pflege ist er längst eingetreten.
Foto: Christian Kruse

Oldenburg (am) Mitte Juni wurde in Oldenburg der Startschuss für eine Fachkräfteinitiative gegeben. Initiiert wurde sie von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann und der städtischen Wirtschaftsförderung. Rund 150 Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft nehmen in den kommenden Monaten an sechs Workshops mit dem Ziel teil, die Versorgung von Fachkräften zu sichern. Der OOZ-Artikel dazu wurde von einigen Lesern kritisiert, die den Fachkräftemangel für eine Mär halten. Und tatsächlich sind die Engpässe schwierig zu messen.

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Arbeitskräftemangel oder deutsches Märchen?

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) prognostiziert seit Jahren einen Fachkräftemangel insbesondere in den sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) in Deutschland. Das vermutete Ausmaß trat für 2015 nicht ein. Aber jetzt warnt das IW in einer aktuellen Studie, die im Auftrag des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) erstellt wurde erneut, dass der Fachkräftemangel erst bevorstehen würde. Bis 2029 könnten je nach Szenario bis zu 390.000 Ingenieure fehlen – vorausgesetzt, dass die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte sinkt, die Unternehmen mehr Fachkräfte als jetzt benötigen und die hochgerechneten Anzahl der Stellen korrekt ist. Fest steht indessen, dass die Fachkräfte der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten 15 bis 20 Jahren in Rente gehen. Als weiteres Indiz dienen die gewählten Leistungskurse in der gymnasialen Oberstufe: Die Nicht-MINT-Fächer betrugen 2003/04 63,1 Prozent und sind 2013/14 leicht auf 65,8 Prozent gestiegen. Das deutsche Schulsystem würde nicht genügend geeignete Abgänger hervorbringen, ist in der Studie zu lesen. Der Prognose widerspricht der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft in seiner Ausbildungsstudie: Die Hochschulen würden in den MINT-Fächern 41 Prozent mehr Studienanfänger verzeichnen. „Ein allgemeiner Fachkräftemangel in den MINT-Berufen, wie er noch vor ein paar Jahren befürchtet wurde, droht damit eher nicht mehr“, erklärt der Stifterverband.

MINT in Niedersachsen und Bremen

Laut der Studie des Stifterverbandes liegt Niedersachsen bei der Ausbildung im unteren Mittelfeld: „Die Studienanfängerzahlen stiegen mit 35 Prozent zwischen den Jahren 2008 und 2013 überdurchschnittlich stark an.“ Allerdings sank die Zahl der Absolventen um 18 Prozent auf den geringsten Wert aller Bundesländer, außerdem sank der Anteil internationaler Studierender. Bremen hingegen hat die Nase vorn: „Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der Studierenden mit einem MINT-Abschluss so hoch wie in der Hansestadt (13 Prozent).“ In Bayern und Baden-Württemberg werden die MINT-Kräfte gesucht, die in Bremen ausgebildet werden und durch Abwanderung zur dortigen Sicherung des Fachkräftepotenzials beitragen.

Welche Fachkräfte werden gesucht?

Die Bundesagentur für Arbeit bestreitet nach der halbjährlich durchgeführten Analyse im Juli, dass Deutschland einen flächendeckenden Fachkräftemangel habe. Die Engpasssituation in Berufen auf Expertenebene habe sich etwas entspannt. Beispielsweise sei bei den Ingenieuren in der Konstruktion und im Gerätebau kein Mangel mehr erkennbar. Allerdings zeigen sich weiterhin (teilweise steigende) Engpässe bei nichtakademischen Fachkräften. Gesucht würden Experten und Fachkräfte im Maschinenbau- sowie in Metall- und Elektro(technik)berufen. Auch im Bereich Ver- und Entsorgung sowie in der Klempnerei und bei Sanitär, Heizung und Klimatechnik zeigen sich Mängel. Betroffen seien auch IT-Berufe sowie technische Berufe im Eisenbahnverkehr. Außerdem fehlen Gesundheits- und Pflegefachkräfte. „Nach der starken Arbeitskräfte-Nachfrage der vergangenen Monate ging jetzt die Zahl neu gemeldeter Stellen in Handel und Großhandel zurück, ebenso im Gastgewerbe. Ein deutliches Stellenplus verzeichnete im Juli das Verarbeitende Gewerbe, das Baugewerbe, der Öffentliche Dienst, der Transport sowie Berufe im Bereich Erziehung und Unterricht“, erklärt die Agentur für Arbeit für den Bereich Oldenburg – Wilhelmshaven.

Grundsätzlich erklärt der Leiter der Oldenburger Arbeitsagentur, Dr. Thorsten Müller: „Arbeitgeber brauchen eine gute Auswahl an potenziellen Bewerbern. Bei weniger als drei Bewerbungen auf eine Stelle kommen wir in den Mangelbereich.“ Durch die Aktivierung von Frauen, älteren Arbeitnehmern, durch mehr Qualifikation und durch den europäischen Arbeitsmarkt könnte ein Teil des Bedarfes gedeckt werden.

Die aktuelle Situation visualisiert der Fachkraft-Engpass-Monitor der Fachkräfte-Offensive des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) und der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Gesundheits- und Pflegeberufe in Niedersachsen

Es fehlen laut der Agentur für Arbeit Humanmediziner sowie examinierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte bzw. Altenpflegefachkräfte sowie Meister in der Orthopädie- und Rehatechnik sowie der Hörgeräteakustik. Engpässe gibt es insbesondere in den Gesundheits- und Pflegeberufen, die hohe Nachfrage bei den Pflegekräften kann bereits heute schon nicht mehr gedeckt werden. Allerdings stehen genaue Zahlen nicht zur Verfügung. „Es sind nur Schätzungen, beispielsweise aufgrund der schwierigen Besetzung offener Stellen, möglich“, so Helge Engelke von der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). Schuld an der Situation sei die fehlende Finanzierungsgrundlage. Die Krankenhäuser hätten wegen der Fallpauschalfinanzierung bis vor drei Jahren Stellen abgebaut, die nun wieder aufgebaut werden müssen.

Nach der aktuellsten Studie (Ende 2012) „Fachkräftemangel in Gesundheitswesen & Pflegewirtschaft bis 2030“ von Price Waterhouse Coopers (PWC) könnten entsprechende Maßnahmen wie Wertschätzung, angemessene Vergütung und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Niedersachsen vor einem Mangel bewahren und andere Regionen von hier aus sogar mit versorgt werden – ansonsten droht 2030 eine Personallücke von mehr als 25 Prozent (660.000 unbesetzte Stellen). Dabei sei ein Großteil der Pflegefachkräfte bereits ausgebildet, würde aber nicht oder nur Teilzeit in ihren Berufen arbeiten und immer mehr Ärzte streben eine Karriere in der Verwaltung oder in der Wirtschaft an.

Handwerkskammer (HWK) Oldenburg

Dem Handwerk fehlen Fachkräfte und Bewerber für Ausbildungsstellen. In knapp 80 verschiedenen Berufen wird ausgebildet. 2009 wurden 3100 Lehrverträge neu eingetragen, die Zahl der unbesetzten Lehrstellen lag bei 150. Bereits 2014 wurden trotz der 2900 abgeschlossenen Lehrverträgen knapp 300 unbesetzte Lehrstellen im Kammerbezirk verzeichnet. Vor drei bis vier Jahren bewarben sich 30 bis 40 Schulabgänger auf einen Ausbildungsplatz, heute sind es noch zwei bis drei. „Es hätte vorher ausgebildet werden müssen, aber das hat man vor drei Jahren gescheut. Jetzt sind die Auftragsbücher voll. Aber heute haben immer mehr Eltern den Wunsch, dass ihre Kinder studieren. Außerdem rechnen wir in den kommenden Jahren bei dem gerade für uns entscheidenden Sekundarabschluss I mit 25 Prozent weniger Schulabgängern“, fasst Wolfgang Jöhnk, HWK-Geschäftsbereichsleiter Berufsbildung, die Situation zusammen. Ein weiteres Indiz für den Bedarf sei, dass zurzeit viele Unternehmer Nachfolger suchen: Schätzungen einer landesweiten Studie besagen, dass im Kammerbezirk der HWK Oldenburg in zehn Jahren Nachfolger für 3500 von insgesamt 12.500 Betrieben im Kammerbezirk gesucht werden. Deshalb müsse gezeigt werden, dass das Handwerk einiges zu bieten hat und junge Leute für die Berufsausbildung gewonnen werden können.

Neben anderen Kampagnen und Maßnahmen wird die HWK ab dem kommenden Schuljahr auch an Gymnasien die Berufsorientierung anbieten. „Auch die Schulwechsler und Studienabbrecher sind sehr interessant“, so Jöhnk, denn ein Studium sei beispielsweise nicht für jeden das Richtige. Wolfgang Jöhnk sieht große Chancen für Bewerber im Elektro- und Metallbereich. „In Oldenburg läuft auch Sanitär und Heizung gut“, so der Ausbildungsfachmann. Rückgänge gebe es im Nahrungsmittelbereich zum Beispiel bei den Bäckern. Grundsätzlich hätten Betriebe, die über ein gewisses Standing verfügen, keine Probleme damit, Auszubildende zu finden. „Junge Leute schauen heute nach dem Gesamtpaket: Übernahmechancen, Weiterbildung, Auslandsaufenthalte, usw.“, so Jöhnk. Zusammengefasst sagt der HWK-Geschäftsbereichsleiter: „Ein Mangel liegt bei den Handwerksberufen vor, aber vom akuten Fachkräftemangel können wir heute noch nicht reden, denn auf der anderen Seite haben wir auch noch junge Menschen, die Ausbildungsplätze suchen.“

Zum 31. Juli hat die Handwerkskammer Oldenburg 2167 neue Ausbildungsverträge für 2015 registriert, das sind 28 mehr als im Vorjahresmonat (plus 1,3 Prozent).

Oldenburgische Industrie- und Handelskammer (IHK)

Im Bundesdurchschnitt werden 75 bis 80 Prozent der Azubis von Mitgliedern der Kammern ausgebildet. Bei der IHK sind es neben den Ausbildungen in den typischen kaufmännischen Berufen auch Industriemechaniker, Elektroniker für Vertriebstechnik, IT-Berufe, Konstruktionsberufe und Berufe in der Lebensmittelverarbeitung.

Zum Thema Fachkräftemangel kann auch IHK-Ausbildungsberater Ludger Wester keine genauen Zahlen nennen. Es gebe zahlreiche Einflüsse. Fest stünde, dass die Zahlen der Schulabgänger rückläufig seien – bis zu 20 Prozent bis 2025. Aber Oldenburg sei mit prognostizierten fünf bis sechs Prozent in einer komfortablen Situation. Heute würden 50 Prozent der Schulabgänger (früher 40 Prozent) ein Studium beginnen. „Die Schüler glauben daran, dass sie mehr Berufschancen nach einem Studium haben“, so Wester. Dabei seien 40 Prozent der Akademiker unzufrieden in ihren Jobs, weil sie unter ihrem Niveau beschäftigt sind. Das Interesse an einer gewerblich-technischen Ausbildung werde immer weniger. „Dabei sind hier die größten Chancen“, sagt der IHK-Fachmann. Er sieht zudem einen Fachkräftebedarf im Bereich des Handels, das gelte für Vollzeitbeschäftigte genauso wie für geringfügig Beschäftigte. „Momentan wird so viel ausgebildet wie die Unternehmen können“, erklärt Wester, die Ausbildungsbereitschaft sei in den vergangenen Jahren um 30 Prozent gestiegen. „Das wird aber für die Zukunft zu wenig sein. Dafür gibt es noch keine Lösung.“ Bei sinkender Schulabsolventenzahl und einer stärkeren Studierneigung entstünden dauerhaft Veränderungen des Lehrstellenmarktes, sagt Dr. Thomas Hildebrandt, Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung in der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer. Ludger Wester erwartet, dass sich der Ausbildungsmarkt immer mehr zu einem Bewerbermarkt entwickeln wird.

Die IHK hat bis zum 31. Juli 3587 neue Ausbildungsverträge eingetragen, 2,6 Prozent weniger als zum Vorjahreszeitpunkt.

Aktuelle Zahlen der Agentur für Arbeit Oldenburg – Wilhelmshaven

Zurzeit sind 27.474 Frauen und Männer bei den Geschäftsstellen der Arbeitsagentur und den Jobcentern arbeitslos gemeldet. Das ist eine Quote von 6,9 Prozent. Im Vergleich mit dem Vorjahr ist die Arbeitslosigkeit in der Region weiterhin niedrig. Dem gegenüber stehen 5206 gemeldete Arbeitsstellen (Juli 2015). Seit Jahresbeginn wurden 11.337 Stellen gemeldet, im Vergleich mit dem Vorjahr ist das ein Plus von 13 Prozent.

Seit Beginn des Berufsberatungsjahres im Oktober letzten Jahres meldeten sich im Bezirk der Agentur für Arbeit Oldenburg – Wilhelmshaven 5963 Bewerber für Berufsausbildungsstellen, das waren 2,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Quasi unverändert hingegen die Zahl der Ausbildungsstellen: 4925. Ende Juli waren 2050 Bewerber noch unversorgt, 1799 Ausbildungsstellen unbesetzt. „Es gibt weiterhin viele freie Ausbildungsstellen in den Berufen der Hotellerie und Gastronomie sowie im Verkauf. Auch im Friseurhandwerk und im Gartenbau suchen Betriebe noch zahlreiche Auszubildende für ihre freien Lehrstellen“, teilt die Arbeitsagentur mit. Der Oldenburger Agenturchef betont: „Wir haben hier eine hohe Ausbildungsleistung der Betriebe in allen Branchen.“

Fachkräfte-Initiative

Mit der Fachkräfteinitiative sollen neuen Fachkräfte gewonnen und vorhandene gesichert werden. Es geht um eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Oldenburg und der Region, eine Imagekampagne und die Entwicklung von Perspektiven. Das Thema Fachkräftemangel steht dabei nicht im Vordergrund, aber die Bedarfe werden benannt.

Die Fachkräfteinitiative will Impulse setzen und basisstrategische Maßnahmen entwickeln. Unter anderem geht es um die geringe Beschäftigungsquote von Frauen im Oldenburger Land unter dem Stichwort Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder um ältere Fachkräfte, die im Berufsleben gehalten werden sollen und Menschen mit Handicap, die eine Chance suchen. Auch die jungen Menschen, die bisher noch keine Ausbildung absolviert haben oder ihr Studium abbrechen, sollen in den Fokus gerückt werden. „Wir gucken in alle Richtungen“, betont Ludger Wester von der IHK. Wenn es beispielsweise um Flüchtlinge geht, müssen sie die Sprache erlernen können und Unterstützungen bei Traumatisierungen angeboten werden. Es wird zudem überlegt, wie abgelehnte Bewerber für andere Stelle interessiert werden könnten oder beispielweise Pflegehelfer höher qualifiziert werden könnten. Ganz neue Ausbildungsberufe wie unter anderem für die Wartung von Windanlagen könnten entstehen. Und auch die Unternehmen wollen die Wahrnehmung ihres Betriebes stärken und bessere Ausbildungsmöglichkeiten anbieten, um interessanter für die Schulabgänger zu werden. „Die strukturbildenden Maßnahmen müssen sich an den Bedarfen der Region ausrichten. Deshalb sind die verschiedenen Institutionen, Verbände aus unterschiedlichen Bereichen usw. an der Initiative beteiligt“, so Wester.

Kommentar

Es ist kein Wunder, dass die Bürger in der Zwischenzeit den unterschiedlichen Aussagen der Institute nicht mehr trauen. Widersprüche und Fehlprognosen wechseln sich ab. Verlässliche Zahlen sind schwer zu erheben, zu viele Einflüsse wirken auf die Entwicklung ein – das gilt auch für unsere Region. Den Unternehmen geht es darum, ausreichend Bewerber für die ausgeschriebenen Stellen zur Auswahl zu haben, aus ihrer Sicht geht es um einen Bewerbermangel. Ein Fachkräftemangel wäre schon alleine dadurch erkennbar, dass die Gehälter und Löhne steigen würden. Das ist aber nicht der Fall. Es steht fest, dass die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit bald in den Ruhestand gehen. Wie viele neue Kräfte dem Markt dann zur Verfügung stehen, kann derzeit niemand sagen. Es gilt also, keine Panikmache zu betreiben, den Markt im Blick zu haben.

Durch die Berichterstattung in den Medien wurde der Eindruck erweckt, dass sich das ganze Problem um die sogenannten MINT-Kräfte dreht. Welche Fachkräfte schon heute fehlen und in Zukunft fehlen könnten, ist den Bürgern oft nicht bewusst. Geht es zum Beispiel um Pflegekräfte ist der Mangel schon längst eingetreten. Der Versuch, ältere Arbeitnehmer, Migranten und Rückkehrerinnen in den Beruf für die Arbeitgeber zu entdecken, ist löblich, aber im Gesundheitsbereich wahrscheinlich nicht ausreichend. So lange Pflegekräfte insbesondere in der Altenpflege keine Anerkennung – und das auch im finanziellen Sinne – erfahren, wird sich kaum was ändern.

Ein Grund für den allgemeinen Azubi-Mangel ist der Trend zum Studium, der durch die Mär vom Ingenieurmangel viel Futter bekam. Sicherlich läuft da was falsch und die Chancen beispielsweise im Handwerk sind besser als von den Jugendlichen und ihren Eltern vermutet. Aber diejenigen, die am lautesten für eine Ausbildung plädieren, schicken ihre Kinder oft selbst zum Gymnasium mit dem Ziel später zu studieren. Bleibt also nichts anderes übrig, als die Jugendlichen in den Schulen zu überzeugen. Dafür bedarf es gut ausgebildeter Kräfte, die bestens informiert überzeugen könnten. Und es darf nicht verschwiegen werden, dass nicht nur Ausbildungsplätze nicht besetzt sind, sondern es auch Schulabgänger gibt, die bisher keine Stelle erhalten haben. Und das liegt nicht nur daran, dass Angebot und Berufswunsch auseinanderklaffen, sondern beispielsweise auch an der fehlenden Mobilität oder an der Bereitschaft der Unternehmen junge Mütter halbtags auszubildenden. Spätestens bei diesen Themen kann die Fachkräfteinitiative punkten und für ihre Installation eine gute Begründung finden.

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4 Kommentare

  1. Tom
    6. August 2015 um 9.54 — Antworten

    Vielen Dank für diesen informativen, gut recherchierten und hervorragend geschriebenen Beitrag! Toll!

    • Karl
      7. August 2015 um 17.25 — Antworten

      Ich schließe mich dem Lob von Tom an. Insbesondere möchte ich hier den Hinweis auf den Unterschied zwischen Bewerber- und Fachkräftemangel erwähnen.
      Allerdings hätte ich gerne etwas mehr über die Herabstufung beruflicher Qualifikationen bei länger andauernder Erwerbslosigeit (nach Agenda 2010 (?)) erfahren.

  2. Michael Reins
    6. August 2015 um 13.14 — Antworten

    Der sogenannte Fachkräftemangel ist ein Kunstbegriff, der so nicht stehenbleiben kann.
    Man muß z.B. ganz deutlich hinhören, wenn die kanzlerin von einem fachkräftemangel spricht; sie nämlich denkt das tatsächlich an Fachkräfte mit abgeschlossenem Studium, ganz sicher nicht an Handwerker und Pflegepersonal.
    Das Problem insgesamt fängt in der schulischen Ausbildung an, denn wie sich zeigt, müssen bei Germanistikstudenten Rechtschreib- und Lesetest gemacht werden, weil Abiturienten Grundlagen nicht beherrschen. Weiter haben sie mit der Mathematik offenbar sehr große Probleme, was in einem Artikel beschrieben wurde: Dort wurde berichtet, das Studenten in einer Vorklausur 96% der Studenten durchgefallen waren und die sich bei der AstA beschwerten, weil die Klaurus ihrer meinung nach zu schwer war. Die Professorin, die in Vertretung diese Testklausur hat schreiben lassen, sprach allerdings von Grundwissen eines Abiturienten. bei der tatsächlichen Klausur sind wieder 96% durchgefallen – offenbar konnten sie den Stoff tatsächlich nicht, was dann auf die Schulische Ausbildung zurückgeführt werden muß.
    Gehen wir weiter, treffen wir auf eine hohe Anzahl Studienabbrecher, die entweder falsche Vorstellungen vom Studienwunsch hatten oder den Stoff schlichtweg nicht schaffen konnten.
    Dazu kommt der Umstand, das Abiturienten vor dem Studium vielfach eine Ausbildung machen und dann nie wieder in diesem Beruf arbeiten. Auch anders geht es, wenn Studienabbrecher sich Ausbildungsstellen suchen und diejenigen, die so schon geringere Chancen haben, keine Stellen mehr bekommen. Und so kann man das ganze fortsetzen und kommt am Ende zu dem Schluß, das der angebliche Mangel an Fachkräften tatsächlich durch die mangelnde schulische Ausbildung geschaffen wurde.
    Überspitzt könnte man auch sagen: haltet die Menschen dumm, dann kann man sie besser ausbeuten.
    Und da wo ein Mangel an Fachkräften herrscht – ganz besonders in der Pflege – werden Arbeitslose / ALG II Bezieher hineingezwungen – weil man es kann, denn sonst droht eine Sperre.

    • Werner Lorenzen-Pranger
      8. August 2015 um 10.51 — Antworten

      Ein Wort zum Pflegebereich. Gerade hörte ich in den Rundfunk-Nachrichten, daß da Asylbewerber eingesetzt werden könnten. Ich erinnere mich an meinen Zividienst, jetzt 48 Jahre her, in dem ich im Pflegebereich eines kleinen Krankenhauses eingesetzt wurde. Am ersten Tag (!), nach wenigen Stunden (!) auf der Station, so ca. eineinhalb Stunden „Mittagsdienst“ allein auf der Station, ohne auch nur eine Ahnung, wie man eine Urinflasche richtig anlegt. Geschweige denn wichtigere Kenntnisse. Als ich dann eine Ärztin zu Hllfe rief, durfte ich mich dafür auch noch beschimpfen lassen.
      Der Pflegenotstand ist also nach meiner Erfahrung seit rund 50 (!) Jahren ein Dauerproblem – und daß es dort Versäumnisse und Mißbräuche, bis zum unbermerkten Verlust eines Patienten, den man dann tot in einem stillgelegten Aufzug findet (Presse), von allem Möglichen ohne Ende gibt, das ist wahrhaft kein Wunder!

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