Oldenburg

Vortragsreihe zu umstrittenen Straßennamen startet

Die Malerin Emma Ritter ist eine von 74 Namenspaten, die in der fragwürdigen Liste auftaucht.

Die Malerin Emma Ritter ist eine von 74 Namenspaten, die in der fragwürdigen Liste auftaucht.
Foto: Katrin Zempel-Bley

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Oldenburg/zb – Am 12. Dezember startet eine Vortragsreihe, die sich mit umstrittenen Straßennamen in Oldenburg befasst. 74 Namensgeber, die möglicherweise mit dem Nationalsozialismus verstrickt waren, sind aufgelistet.

Seit Ende Oktober ist eine vollständige Dokumentation der Untersuchung von insgesamt 74 Namensgebern von Oldenburger Straßennamen im Internet einsehbar. Der Historiker Professor Dietmar von Reeken von der Universität Oldenburg und seine Forschungsgruppe haben die Namen recherchiert und eine Liste erstellt von Personen, die möglicherweise in den Nationalsozialismus verstrickt sind.

Fakt ist, dass auf dieser Liste Personen stehen, die dort nicht gehören. Denn nicht in jedem Fall ist die Angelegenheit so klar wie bei Hindenburg, der mit dem Dritten Reich paktiert hat. Anders verhält es sich mit Leuten wie Emma Ritter aus Vechta. „Über die Rolle der Malerin im Nationalsozialismus gibt es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse“, heißt es in der Ausarbeitung. Tatsächlich gehörte sie keiner Nazi-Organisation an. 1937 wurde ein Bild von ihr als „entartet“ beschlagnahmt. Dazu heißt es wörtlich: „Sie scheint aber nicht mit einem Ausstellungsverbot belegt worden zu sein, denn 1942 konnten ihre Gemälde in Essen gezeigt werden.“ Was wollen die Wissenschaftler damit sagen?

Von Jürgen Habermas stammt der Satz: „Als Nachgeborene, die nicht wissen können, wie sie sich unter Bedingungen der politischen Diktatur verhalten hätten, tun wir gut daran, uns in der moralischen Bewertung von Handlungen und Unterlassungen während der Nazi-Zeit zurückzuhalten.“ Am 9. Januar 2014 will eine eigens eingesetzte Kommission sich der zweifelhaften Liste annehmen. Der Fokus der Beratungen soll, so heißt es, nicht in erster Linie oder gar ausschließlich auf der Umbenennung von Straßen liegen. Stattdessen müsse es vorrangig um eine Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte und der Oldenburger Historie gehen.

Dieser Auseinandersetzung dient auch eine Vortragsreihe, die vom städtischen Kulturbüro gemeinsam mit dem Stadtmuseum und der Carl von Ossietzky Universität im Kulturzentrum PFL veranstaltet wird. Eröffnet wird sie am 12. Dezember mit dem Vortrag „‚Hauptsache, mein Navi weiß Bescheid‘ – Die Deutschen und ihre historisch-politischen Straßennamen“ von Prof. Dr. Rainer Pöppinghege.

Bis März 2014 werden verschiedene Vorträge der gegenwärtigen Diskussion weitere Impulse liefern und sie mit Expertenwissen unterfüttern. „Wir haben namhafte Historiker und eine Politikwissenschaftlerin gebeten, uns Einblicke in die verschiedenen Funktionen von Straßennamen zu verschaffen. Anhand einiger Fallbeispiele wird aber auch über Verläufe und Inhalte ähnlich gelagerter Debatten informiert“, erklärt Kulturamtsleiterin Christiane Cordes.

Das Fachwissen der Experten zur Geschichte des Nationalsozialismus soll Orientierung bieten für die anstehenden Beurteilungsprozesse bezüglich einzelner Straßenpatinnen und -paten. Im Anschluss an die Vorträge haben die Besucher Gelegenheit, unter der Moderation Oldenburger Geschichtswissenschaftler mit den Referenten zu diskutieren.

Nach dem Auftaktvortrag folgt am 8. Januar Prof. Dr. Hans-Ulrich Thamer mit dem Thema „Streit um Hindenburg. Symbolkämpfe um die Umbenennung von Straßen.“ Dr. Teresa Nentwig stellt am 29. Januar unter dem Titel „Hinrich Wilhelm Kopf. Ein Landesvater mit brauner Vergangenheit“ die Ergebnisse ihrer aufsehenerregenden Studie über Niedersachsens ersten Ministerpräsidenten vor.

Der Bedeutung der „Mitgliedschaft in der NSDAP, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden nach 1933“ widmet sich am 20. Februar Armin Nolzen in seinem Vortrag. Dr. Tobias Weger nimmt am 11. März die „Sehnsuchtswelten im städtischen Raum – Kolonialismus und ‚deutscher Osten‘ im Spiegel Oldenburger Straßennamen“ in den Fokus. Zum Abschluss der Reihe wird Prof. Dr. Joachim Perels am 25. März in seinem Vortrag „Straßennamen und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit“ auch versuchen, ein vorläufiges Resümee des Oldenburger Diskurses zu ziehen.

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