Oldenburg

Reparaturkultur: Bewegung gegen das Wegwerfen

Zum Thema Reparaturkultur startet eine neue Vortragsreihe in Oldenburg.

Stellten die neue Vortragsreihe in der Oldenburger Werkzeugkiste vor (von links): Barthel Pester (Repair Cafés), Michael Eberhard (Werkzeugkiste), Katharina Dutz (Uni Oldenburg) und Niko Paech (Uni Siegen). Foto: Anja Michaeli

Oldenburg (am) Socken stopfen, Fernseher reparieren, aus alten Dingen Neues machen: Das war noch vor wenigen Jahren Normalität. Dann aber kam die sogenannte Wegwerfgesellschaft: Das Instandsetzen lohnt sich kaum, ist zu schwierig oder gar nicht möglich. Den Wandel hin zur einer modernen Reparaturkultur haben sich verschiedene Akteure – unter anderem die Organisatoren der Repair Cafés und Vertreter der Oldenburger Reparaturbewegung – auf ihre Fahnen geschrieben. Die Bewegung der Reparaturbegeisterten wächst. Am 24. Oktober startet zu diesem Thema eine neue Vortragsreihe in der Freien Waldorfschule, Blumenhof 9.

Anzeige

Nachdem eine Vortragsreihe zur Postwachstumsökonomie nach zehn Jahren endet, starten nun Vorträge zur Reparaturkultur. Experten und Praktiker vermitteln ihr Wissen über Ressourcenschutz durch Reparatur und Handwerk.

  • 24. Oktober, 18 Uhr: Niko Paech (Uni Siegen), Reparatur in der Postwachstumsökonomie.
  • 7. November, 18 Uhr: Stefan Schridde, Ein wirksames Handlungsprogramm für mehr Haltbarkeit.
  • 21. November, 18 Uhr: Katharina Dutz (Uni Oldenburg), Flicken, ausbesser und workarounds – die Wiederentdeckung der Reparatur.
  • 5. Dezember, 18 Uhr: Jörn Bohlmann (gelernter Segelmacher, Holzbootbauer und Restaurierungshandwerker), Vorweihnachtliches und Unterhaltsames – vom Bauen und Reparieren auf Spitzbergen und an den Küsten früher und heute …
  • 19. Dezember, 16 Uhr: Van Bo Le-Mentzel (Architekt), Co-Being House – ein Haus, in dem Menschen gemeinsam leben und reparieren können
  • 9. Januar, 18 Uhr: Marius Rommel (Uni Oldenburg), CSX (wirtschaftlichen Handelns nach dem Modell der solidarischen Landwirtschaft) – mit Solidarunternehmen die Wirtschaft reparieren.
  • 23. Januar, 18 Uhr: Karl-Heinz Heilig (Filmemacher), Müll ist Mangel an Phantasie – wie ich mein Haus von 1983 bis 1985 aus gebrauchten Werkstoffen gebaut habe.

Tagung zum Mitmachen

Zusätzlich zur Vortragsreihe findet die Abschlusstagung des Projektes „Reparaturwissen und -können als Element einer technischen und informatischen Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (RETIBNE) in der Universität Oldenburg am 7. und 8. März statt. In das Projekt sind neun Studiengänge aus acht Universitäten und bislang acht Schulen der Region Oldenburg eingebunden. Nach Abschluss des Projektes sollen die Inhalte weiter in die Lehramtsausbildung und in die Fächer Informatik und Technik eingebaut werden. Im Rahmen der Veranstaltung wird den Besuchern ein Programm mit Workshops für alle Interessierten, Vorträgen, Schüler-Uni und mehr rund um das Thema der Nutzungsdauerverlängerung angeboten.

„Earth Overshoot Day“

Die Menschheit lebt auf Pump, die stillen Reserven werden ab dem „Earth Overshoot Day“ (Welterschöpfungstag, Erdüberlastungstag) angezapft. Alle natürlichen Ressourcen, die die Erde ersetzen könnte, sind ab diesem Zeitpunkt aufgebraucht. Und dieser Tag kommt Jahr für Jahr früher, 2018 bereits am 1. August. Die Menschen verbrauchen mehr, als nachwachsen kann. „Wir leben deutlich über unsere Verhältnisse“, so Katharina Dutz. Das sei früher ganz anders gewesen. Mit der Reparaturbewegung soll die Uhr zumindest ein wenig zurückgedreht werden.

Reparaturkultur und Repair Cafés

In Oldenburg und umzu lassen sich immer mehr Menschen in Repair Cafés (www.repaircafeoldenburg.de) dabei helfen, kaputte Gegenstände zu reparieren. Sieben der kostenlosen Treffen finden mittlerweile statt: Werkschule in der Rosenstraße, Gemeindehaus St. Johannes in Kreyenbrück, Stadtteiltreff Dietrichsfeld in der Alexanderstraße, „die fachleute“ in der Theodor-Francksen-Straße in Donnerschwee, Stadtteiltreff Bloherfelde in der Bloherfelder Straße und das Repair Café im Jugendzentrum Huntlosen. Hier werden regelmäßig gemeinsam defekte Dinge repariert. Themen wie Computer, Fahrrad, Haushalts- und Elektronikgeräte, Textilien oder Upcycling- und Selbermachen wechseln sich ab.

In Deutschland gibt es bereits mehr als 650 Repair Cafés, es werden stetig mehr. Oldenburg hat mit bisher sechs dieser Veranstaltungen durchaus eine Vorreiterrolle, wenn es um die Förderung der Reparaturkultur geht. Das Bundesumweltministerium fördert die Projektarbeit rund um die Reparaturaktivitäten. Ziel der Bewegung ist es, dass Gebrauchsgegenstände zwei- bis dreimal länger genutzt werden. „Die Bürger müssten kritischer und aufmerksamer werden“, wünscht sich Niko Paech. Es müsse dahin gehen, dass beim Kauf auf das Angebot eines Reparaturservices geachtet werden würde oder dass man selber Hand anlegen könne. Das Wissen darum könnten die Unternehmen weitervermitteln. Aktuell hoffen die Oldenburger Reparaturfans auf eine Kooperation mit „I fix It“. Mehr als 10.000 Reparaturanleitungen sind auf dieser Website zu finden.

Multifunktionales Reparaturzentrum

Die Oldenburger Akteure möchten ein multifunktionales Reparaturzentrum als Lernort, für ein geselliges Miteinander und mit Möglichkeiten für Reparaturen und Instandsetzungen in Oldenburg installieren. Es könne Anlaufstelle für Schulen und für Einzelhändler und ihre Kunden werden. Als Blaupause für Europa. „Denn so geht es nicht weiter – alleine schon deshalb, weil die Rohstoffe knapp werden“, betont Paech. „Eine Stadt wie Oldenburg muss sich darüber Gedanken machen.“ Das wäre ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig.

„Reparierbar“

Neben „Kostbar“, dem Gutscheinheft der Gastronomie, wird zurzeit „Reparierbar“ entwickelt. Noch werden Läden und Werkstätten gesucht, die reparieren. Hier eine Liste der bereits „entdeckten“ Betriebe.

Kampagne „Recht auf Reparatur“

In diesen Tagen läuft – passend zum „Repairday 2018“ am 20. Oktober – die Kampagne „Recht auf Reparatur“ an. Die Mitgliedstaaten der EU haben im Dezember erstmals die Möglichkeit, einen leichteren Zugang zu Ersatzteilen und Informationen in der EU-Ökodesign-Richtlinie festzulegen. Bisher sind Hersteller von Elektronikgeräten dazu nicht verpflichtet. Das wollen die Vertreter dieser Kampagne ändern.

Vorheriger Artikel

Netzwerk „Watt°N“ übergibt gesammelten Meeresmüll

Nächster Artikel

Haushaltsentwurf: Hohe Einnahmen, keine Neuverschuldung

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.