Ehrenamt kennt kein Alter
Oldenburg (pk) Die 81-jährige Gudrun Bartels arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich im Oxfam Second Hand Laden in der Oldenburger Innenstadt. Heute ist die ehemalige Assistentin des Regierungspräsidenten die älteste Mitarbeiterin im Team, das hauptsächlich aus ehrenamtlichen Helfenden besteht. Für viele ist die Arbeit im Shop eine Herzensangelegenheit und oft sogar ein Familienersatz. Weitere helfende Hände werden dringend gesucht.
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Die Redaktion der Oldenburger Onlinezeitung (OOZ) hat sich mit Gudrun Bartels zum Interview getroffen:
OOZ: Wie sind Sie denn zur ehrenamtlichen Arbeit gekommen?
Bartels: Also, ich habe mich bewusst dafür entschieden, eine ehrenamtliche Arbeit zu übernehmen. Erst war ich am überlegen, ob ich zum Beispiel in einer Krankenhausbibliothek arbeiten soll, aber das war dann irgendwie doch nicht das Richtige für mich. Tatsächlich bin ich durch eine Freundin zu Oxfam gekommen und ich bin jetzt seit 15 Jahren mit dabei. Ich kann Ihnen versichern, dass ich nichts anderes lieber machen würde. Während der Gründungsphase war ich auch schon als Shop-Leitung tätig, das mache ich aber nicht mehr. Als Älteste im Team freut es mich besonders, wenn ich neuen Mitarbeitenden bei der Einarbeitung helfen kann und dann sehe, wie sie sich an der gemeinnützigen Arbeit weiterentwickeln.
OOZ: Frau Bartels, was genau ist Ihre Aufgabe im Oxfam Shop Oldenburg?
Bartels: Zunächst müssen Sie wissen, dass wir ein Second Hand Shop sind, der direkt gegenüber dem Parkhaus am Waffenplatz liegt. Das ist für uns ein Vorteil, denn durch diese Lage, haben es Spendende sehr einfach, uns zu erreichen. Wir nehmen hier quasi im Minutentakt Spenden von Menschen an und versuchen sie dann in unserem Laden für gemeinnützige Projekte weiter zu verkaufen.
OOZ: Wie bereiten Sie denn die abgegebenen Spenden im Lager des Shops vor?
Bartels: Wir haben hier den großen Vorteil, dass wir ein großes Lager haben. Das bedeutet, dass wir auch Ware annehmen können, die gerade nicht zur Saison passt. Zum Beispiel Weihnachtsdeko im Sommer. Die Spendenden haben die Möglichkeit, während unserer Öffnungszeiten so ziemlich alles abzugeben, was sie abgeben möchten. Voraussetzung ist aber, dass die Spenden in einem guten Zustand sind. Dann wird erst einmal alles in unsere drei Warenkategorien einsortiert: Kleidung, Bücher und Dies & Das. Dazu gehören Spiele, Deko, Schmuck, Porzellan und noch vieles mehr. Dann werden die Waren natürlich aufbereitet. Das heißt: geputzt, gebügelt und gereinigt. Anschließend machen wir uns auf Preisrecherche im Internet. Wir vergleichen dann ähnliche Ware miteinander und versuchen einen fairen Preis für die Ware zu finden. Nur die Preise für Bücher sind von Oxfam selbst vorgegeben. Aber ich kann Ihnen sagen, es ist alles sehr günstig. Und dann kommen die Waren für drei Wochen in unseren Shop im vorderen Bereich. Wir hoffen natürlich, so viel wie möglich davon zu verkaufen, ist ja schließlich alles für einen guten Zweck.
OOZ: Und was passiert mit nicht verkaufter Ware?
Bartels: Nach drei Wochen im Shop, geht die Ware meist an die Diakonie. Bücher werden über einen anderen Händler versucht weiter zu verkaufen. Die Ware wird dann also abgeholt. Wenn wir bei bestimmten Artikeln aber das Gefühl haben, dass sie viel zu gut sind, um sie direkt zurückzugeben, dann werden hier die Preise reduziert und dann kommen sie oft noch ein zweites Mal in den Laden.
OOZ: Hatten Sie schon Erlebnisse, die Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben sind?
Bartels: Ja, sehr viele. Aber ein Ereignis ist mir irgendwie besonders im Gedächtnis geblieben: Die Band Die Toten Hosen hat vor einigen Jahren einmal Fan-Artikel an unseren Shop gespendet. Und die Fans der Band haben das herausbekommen und saßen schon Stunden vor Shop-Öffnung vor dem Laden, um diese Artikel günstig zu bekommen. Das war schon besonders. Und in dem Zuge war auch ein kleiner Junge mit seiner hochschwangeren Mutter bei uns und wollte unbedingt ein T-Shirt der Band kaufen, das er dann für seinen noch nicht geborenen Bruder bei sich zurücklegen wollte. Das war schon herzergreifend und genau für solche schönen Momente macht man das hier ja auch.
OOZ: Was sind das für Leute, die ihre Spenden abgeben wollen?
Bartels: Die meisten Spendenden kenne ich mittlerweile sogar schon fast persönlich. Oft sprechen wir uns auch mit unseren Vornamen an. Meist sind es Privatpersonen, die immer mal wieder etwas abgeben möchten, um damit noch etwas Gutes zu tun. Manchmal haben wir aber auch anonyme Spenden erhalten, in größeren Mengen. Und wenn man die Ware dann sieht, kann man sich gut vorstellen, von wem sie kommt. Aber das ist eben auch der Reiz für mich: Kein Tag ist wie der andere und manchmal bin ich auch ganz berührt. Denn oft haben Spenden eine ganz persönliche Hintergrundgeschichte. Und ich will die natürlich immer gerne wissen.
OOZ: Und was sagt Ihre Familie zu Ihrer Einsatzbereitschaft für andere?
Bartels: Die freuen sich. Meine beiden Töchter wohnen beide nicht hier. Die eine ist Professorin und die andere Kulturmanagerin, da bin ich auch sehr stolz drauf. Die eine wohnt in Berlin und die andere in Leipzig und da fahre ich auch regelmäßig mit dem Zug rüber, um sie zu besuchen. Für mich ist es schön, hier im Shop zu arbeiten und eine spannende Tätigkeit zu haben, die auch noch bei wichtigen Projekten hilft. Und wir Mitarbeitenden sind schon wie eine kleine Familie geworden, das finde ich besonders schön.
OOZ: Und was machen Sie, wenn Sie nicht im Shop helfen?
Bartels: Also Freizeit habe ich tatsächlich genug. Ich bin zwar gerne hier im Shop, aber wir haben immer nur zwei Schichten pro Woche. Manchmal helfen wir auch an Samstagen. Vor allem in der Vorweihnachtszeit ist viel los im Laden. Doch oft, wenn ich dann frei habe, lese ich. Ich lese eigentlich jeden Tag: hauptsächlich Biografien, Krimis und auch Kochbücher. Denn ich bin leidenschaftliche Köchin und liebe es, interessante Rezepte oder Backideen dann auch nachzumachen.
Und natürlich besuche ich regelmäßig meine beiden Töchter. Dafür bin ich 2021 für vier Wochen nach Peru gereist. Die ältere Tochter hatte dort in Kooperation mit dem Goethe-Institut eine Ausstellung kuratiert. Da habe ich spannende Eindrücke in die peruanische Kultur erhalten. Ich liebe es zu reisen.
OOZ: Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?
Bartels: Vor allem, dass wir hier noch ein paar Ehrenamtliche für den Shop hinzubekommen könnten. Denn teilweise haben wir wirklich Schwierigkeiten, die Schichten zu besetzen. Das ist auch ein Grund, warum wir momentan freitags sogar um 16, anstatt um 19 Uhr, schließen müssen. Das ist wirklich sehr schade.
OOZ: Wie können sich Interessierte denn an Sie wenden, um ehrenamtlich mitzuhelfen?
Bartels: Am besten direkt im Shop anrufen oder einfach während der Öffnungszeiten vorbeikommen. Wir haben auch ein „Ich bin interessiert“-Formular, das dann ausgefüllt werden kann. Und unsere Shop-Leitung meldet sich dann umgehend telefonisch, wenn Sie gerade nicht im Laden ist. Besondere Fähigkeiten muss man auch nicht unbedingt mitbringen. Einfach den Spaß an der Tätigkeit und die Freude, anderen Menschen wirklich helfen zu wollen. Alles andere lernt man dann hier.
OOZ: Haben Sie vor, in den nächsten Jahren arbeitsmäßig kürzer zu treten?
Bartels (lacht): Wissen Sie, so lange wie ich kann, möchte ich das definitiv weitermachen. Für mich ist das eine Herzensangelegenheit. Außerdem liebe ich diese Aufgabe. Ich habe zwar wunderbare Verwandtschaft, Freund/innen und Kolleg/innen vor Ort, aber ich möchte auch darüber hinaus noch etwas bewegen: Ich möchte noch so lange wie möglich neuen Mitarbeitenden die Möglichkeit geben, unsere Oldenburger Oxfam-Community und den Shop-Alltag kennenzulernen. Außerdem freue ich mich seit über 15 Jähren, dass ich miterleben kann, wie hier auch neue Freundschaften geschlossen werden. Ehrenamt bedeutet für mich nämlich immer, dass ich selbst bereit bin, zu helfen, wo man mich braucht. Ich finde, das ist eben auch das Besondere an der Arbeit und das, was mich hier immer wieder antreibt.
OOZ: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die nächsten Jahre im Shop.
Bartels: Sehr gerne.
Oxfam: Second Hand Laden mit Geschichte
Gegründet wurde Oxfam 1942 in Oxford von vier Engländern und einem Deutschen. Das Ziel war es, Menschen, die aufgrund der deutschen Besatzung in Griechenland an einer Hungersnot litten, zu unterstützen. Mittlerweile arbeitet Oxfam mit über 3.000 kooperierenden Organisationen in 87 Ländern weltweit zusammen.
In Deutschland öffnete der erste Shop 1985 in Bonn. Heute gibt es bundesweit 55 Shops, in denen rund 3.400 Ehrenamtliche engagiert sind.
Einnahmen der Shops finanzieren wichtige humanitäre Projekte
Der Shop in Oldenburg feierte im Juli sein 15-jähriges Jubiläum. Auch Gudrun Bartels ist seit der Eröffnung mit dabei. Derzeit unterstützt Oxfam die Menschen in Ostafrika, die aufgrund von Dürren und Überschwemmungen von einer extremen Hungersnot betroffen sind, mit Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser. Zudem setzt sich die Organisation für Menschen in Konfliktregionen ein. Aktuell z.B. in Syrien, im Jemen oder der Ukraine. Es werden Unterkünfte gestellt, Lebensmittel verteilt, Hygienekits und Wasser bereitgestellt und Rechts-, sowie psychologische Hilfe angeboten.
Neue Ehrenamtliche für den Shop in Oldenburg gesucht
Bei Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Oxfam Shop in der Oldenburger Innenstadt: Telefon 0441 2051256, montags von 10 bis 14 Uhr, mittwochs von 14.30 bis 19 Uhr.
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