Zeugen Jehovas beklagen Anstieg von Drohungen und Übergriffen

Ein Jahr nach dem Attentat auf die Zeugen Jehovas in Hamburg beklagt die Religionsgemeinschaft stark gewachsene Übergriffe und einen Anstieg von Hasskriminalität auf Gläubige in ganz Deutschland. „Drohbotschaften an Türen von Gläubigen, verwüstete Literatur-Trolleys sowie schmähende und menschenunwürdige Beleidigungen sind für Jehovas Zeugen bei der friedlichen Ausübung ihres Glaubens keine Ausnahme mehr“, sagte Stefan Steiner, Menschenrechtsbeauftragter der Religionsgemeinschaft, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
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Die Glaubensgemeinschaft hat von ihren Gemeinden mehr als 150 Fälle von Beleidigungen, Drohungen oder Übergriffen aus den Jahren 2022 und 2023 gesammelt und dokumentiert. Nach bundesweit 20 Strafanzeigen im Februar 2023 ist die Zahl der Straftaten gegen die Glaubensgemeinde nach dem Attentat von Hamburg im März 2023 nach Angaben der Zeugen Jehovas um etwa das Doppelte gestiegen.
Teilweise dokumentieren Fotos und Tonaufnahmen die Vorfälle, etwa ein Drohbrief an die Gemeinde in Würzburg wenige Tage nach dem Attentat von Hamburg. Darin heißt es: „Bald kommen wir auch zu euch und werden euch hochgehen lassen und in der Hölle brennen lassen.“ Den Eingang mehrerer Strafanzeigen durch die Zeugen Jehovas bestätigt die Polizei auf Nachfrage der Zeitungen, in einigen Verfahren hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt, weil der Täter nicht gefunden werden konnte, in einzelnen Fällen kam es zu Verurteilungen.
Am 9. März 2023 hatte ein Täter, der selbst kurze Zeit Mitglied der Glaubensgemeinschaft gewesen ist, mit einer Schusswaffe einen Gottesdienst der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Alsterdorf angegriffen. Er tötete sieben Menschen und dann sich selbst. Der Menschenrechtsbeauftragte Steiner sagte: „Wir sind uns bewusst, dass aktuell Hass und Rassismus nicht nur gegen Jehovas Zeugen auf dem Vormarsch sind, aber in Verbindung mit Jehovas Zeugen werden Hassrede und Kriminalität meistens bagatellisiert oder aufgrund bestehender Vorurteile entschuldigt.“
Auf Nachfrage der Funke-Zeitungen berichten auch andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland wachsenden Hass und Hetze. Nach den Terrorangriffen der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 ist es laut Zentralrat der Juden in Deutschland zu einem „explosionsartigen Anstieg antisemitischer Vorfälle“ gekommen. Laut einer aktuellen Umfrage des Zentralrats hat jede dritte jüdische Gemeinde seit Oktober antisemitische Angriffe erfahren. „Unisono wird von dem psychischen Druck über Drohanrufe und Drohmails berichtet“, sagte ein Sprecher des Zentralrats den Funke-Zeitungen.
Der Zentralrat der Muslime teilte auf Nachfrage mit, die Anzahl der Vorfälle von „antimuslimischem Rassismus“ liege derzeit bei etwa zwei bis drei pro Tag. Eine „akute Zunahme“, hebt der Vorsitzende Aiman Mazyek hervor.
Bei den Sicherheitsbehörden überwiegen deutlich die registrierten antisemitischen und antimuslimischen politisch motivierten Straftaten. Doch auch christliche Gemeinden berichten von einer Zunahme der Anfeindungen. Exkremente in Weihwasserbecken und Beichtstühlen, Enthauptung von Christusstatuen, Beschädigung von Gebetsbüchern, so beschreibt die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) auf Nachfrage eine „wachsende Gleichgültigkeit gegenüber den religiösen Gefühlen der anderen“. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hält fest: „In den sozialen Medien beobachten wir eine Zunahme von diffamierenden Äußerungen.“
dts Nachrichtenagentur
Foto: Zeugen Jehovas (Archiv), via dts Nachrichtenagentur
6 Kommentare
„…Nothing to kill or die for – And no religion, too…“
John Lennon
Vielen Dank, dass Sie mit diesem Artikel darauf aufmerksam machen. Hass und Hetze dürfen keinen Platz in der Gesellschaft bekommen. Nur Aufklärung und Information kann dem entgegenwirken.
Zu Ihrem erschienenen Artikel über die Zeugen Jehovas ein Jahr nach dem Attentat in Hamburg am 9.03.2023 möchte ich Ihnen meinen ehrlichen und aufrichtigen Dank aussprechen.
Der Artikel ist wertfrei und enthält wichtige Hinweise. Er greift ein Thema auf, dem leider viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Die Hasskriminalität nimmt zu, was auch Jehovas Zeugen insbesondere nach dem schrecklichen Attentat beobachten können.
Sektenbeauftragte haben in der Vergangenheit leider mit ihren oft gefärbten Kommentaren und Halbwahrheiten über Jehovas Zeugen dazu beigetragen, diese zu stigmatisieren. Es wäre künftig sehr wünschenswert, wenn nicht selbsternannte Sektenbeauftragte in den Medien über Jehovas Zeugen werten und urteilen, sondern Vertreter der Religionsgemeinschaft selbst zu gewissen Themen Stellung nehmen können. Als mündiger Bürger möchte ich mir selbst eine eigene Meinung bilden.
Tatsächlich sind Jehovas Zeugen bereits seit 2017 in allen deutschen Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt und somit den großen Kirchen absolut gleichgestellt. Diese Information wird oft in den Medien nicht transportiert und gewürdigt.
Mein Fazit: Ich schätze Ihre Berichterstattung über eine Religionsgemeinschaft, die es verdient, dass ihr Respekt entgegengebracht wird. Sie haben mit diesem Bericht dazu beigetragen, Menschen nicht zu stigmatisieren, sondern zu achten und zu respektieren.
Vielen Dank für die Veröffentlichung dieses Artikels. Ich wünsche Ihnen für Ihre redaktionelle Arbeit alles Gute und hoffe sehr, dass Ihre Leser auch weiter gut recherchierte, journalistisch einwandfreie Informationen erhalten.
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schrecken habe ich Ihren Beitrag zum ersten Jahrestag, des Anschlages auf Jehovas Zeugen in Hamburg gelesen. Es ist wirklich besorgniserregend welch ein Hass entfesselt werden kann und wenn man nachfragen würde, wüsste wahrscheinlich niemand so richtig warum das so ist. Da werden Menschen, die dafür bekannt sind friedliebend zu sein beschimpft, verhöhnt , angegriffen oder gar getötet. Aus der Tragik dieses Anschlags haben viele scheinbar nur nur einen Aufruf zur Gewalt gelernt.
Die Würde des Menschen oder gar ein Menschenleben sind in diesen Zeiten leider nicht viel wert, das zeigen Nachrichtenmeldungen aus aller Welt.
Ich wollte Ihnen dafür danken, dass Sie mit Ihrem Beitrag solche Missstände publik machen. Und das sachlich und und neutral.
Vielen Dank und weiter so!
Mit freundlichen Grüßen
Edwin Schulz
Sehr geehrte Redaktionsmitglieder,
wir beziehen uns auf den Artikel vom 09.03.2024 mit der Überschrift: “Jehovas Zeugen beklagen Anstieg von Drohungen und Übergriffen”.
Vielen Dank, dass Sie seit den Ereignissen in Hamburg auch über die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas berichten.
Uns hat Ihre vorurteilsfreie Berichterstattung gefallen und dass Sie das Thema auf mehrere Religionen ausgeweitet haben und die Missstände deutlich aufgezeigt haben.
Wir selbst wohnen in Wardenburg und lesen gern die OOZ zu den verschiedensten Themen.
Unser Dank an die Redaktion und alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen,
Familie Müller
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezug nehme ich auf Ihren Artikel „Zeugen Jehovas beklagen Anstieg von Drohungen und Übergriffen“ vom 9. März 2024.
Sie machen auf ein Problem aufmerksam, das immer mehr Menschen betrifft, egal welcher Religionsgemeinschaft sie angehören, nämlich der schwindende Respekt vor dem Mitmenschen und seinen religiösen Gefühlen. Eine traurige Tendenz unserer Gesellschaft. Danke für diesen Artikel, der hoffentlich dazu beiträgt, dass wir andere nicht mit Vorurteilen begegnen, sondern mit Respekt und Würde.
Vielen Dank