SPD und Grüne kritisieren Merz-Auftritt bei Erdogan
Außenpolitiker von SPD und Grünen haben den Auftritt von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert. „Wer in Ankara über europäische Perspektiven spricht, darf über die menschenrechtliche Realität im Land nicht schweigen“, sagte der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Serdar Yüksel (SPD), dem „Focus“. „Wenn CDU-Chef Friedrich Merz die Türkei besucht, Annäherung an die EU verspricht, aber kein Wort über politische Gefangene, über eingeschränkte Pressefreiheit oder über demokratische Oppositionsfiguren wie Ekrem Imamoglu verliert, dann sendet das das falsche Signal.“
Europa sei mehr als ein sicherheitspolitisches oder wirtschaftliches Projekt, so der SPD-Politiker weiter. Die europäischen Werte „müssen auch im Gespräch mit schwierigen Partnern verteidigt werden“. Demokratische Kräfte, die derzeit in der Türkei unter Druck stünden, erwarteten von Deutschland und Europa „keine bloße Zweckpartnerschaft, sondern klare Haltung“, so Yüksel. „Schweigen aus diplomatischem Kalkül mag bequem sein, aber es ist kein Beitrag zu einer echten europäischen Perspektive für die Türkei.“
Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Max Lucks, kritisierte Merz deutlich. „Entweder ignoriert Merz die gesamte Realität in der Türkei, oder er genießt es, sich eigenmächtig ein Maulkorb aufzusetzen“, sagte Lucks, der auch stellvertretender Vorsitzender der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe ist, dem „Focus“. „Merz sagt nichts dazu, dass Präsident Erdoğan seit Jahren mit seiner politisierten Justiz gegen die eigene demokratische Opposition vorgeht.“
Lucks bemängelte, dass Merz nicht das Schicksal des 2016 inhaftierten kurdischen Politikers Selahattin Demirtas ansprach. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte forderte seitdem die Freilassung, was die Türkei bislang ignorierte. „Nun auch die deutsche Bundesregierung“, kritisierte Lucks. Merz habe bewiesen, „dass er kein Interesse an der demokratischen Opposition im Land hat“.
Merz war am Mittwoch zu seinem Antrittsbesuch in der Türkei angereist. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan versprach er weitere Schritte in der Beitrittsperspektive. „Ich sehe persönlich und die Bundesregierung sieht die Türkei eng an der Seite der Europäischen Union“, sagte er heute in Ankara. „Wir wollen den Weg nach Europa weiter ebnen.“ Er habe Erdogan zugesagt, dass er sich auch für einen entsprechenden strategischen Dialog auf europäischer Ebene einsetzen werde. Merz erklärte, er habe die Unabhängigkeit der Justiz im vertraulichen Gespräch mit Erdogan angesprochen.
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dts Nachrichtenagentur
Foto: via dts Nachrichtenagentur





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