Theaterkritik: „Nathan der Weise“ im spannenden Gefühlschaos
Oldenburg (vs) Glaube, Religion, Toleranz und Mitmenschlichkeit sind Themen, die im Oldenburgischen Staatstheater derzeit zweimal zu sehen sind. Als Klassiker stellt sich in „Nathan der Weise“ im Großen Haus, als zeitgemäßes Stück und spannend inszeniert, die Frage, ob es überhaupt die richtige Religion gibt. Im Kleinen Haus ist „Geächtet“ von Ayad Akhtar aus dem Jahr 2012 als packendes Kammerspiel zu sehen. Beide Inszenierungen sind äußerst sehenswert und beschäftigen die Zuschauer auch nach dem großen und verdienten Schlussapplaus.
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Gotthold Ephraims Lessings Frage nach dem richtigen Glauben in „Nathan der Weise“ aus dem Jahr 1783 wird von Regisseur Klaus Schumacher zeitgemäß als Diplomatenkrimi auf die Bühne gebracht. Samt entsprechender Ausstattung mit Anzug, Diplomatenpass, Aktenkoffer, Smartphone (Ausstattung Karen Simon) und klarem Bühnenbild (Ulrich Frommhold) mit schöner Symbiose aus Raum, Licht und Musik. Das ist nicht zu modern aufgetragen, sondern auf ganzer Linie stimmig. Es wird sich auf den Text konzentriert. Das wird auch dem jungen Publikum gefallen, dass in großer Zahl zur Premiere kam, die mit verdient kräftigem Applaus gefeiert wurde. Ein Stück zum Abitur, wie es im Buche steht.
Die Bühne mit den geschlossenen Rückwänden und einigen Sitzwürfeln wird in der Mitte dominiert von einem mächtigen Quader, der sich in verschiedenen Szenen nach oben öffnet, um eine lodernde Feuerschale freizugeben und Spielfläche bietet zum Beispiel für den kurzen aber, im doppelten Sinne, imposanten Auftritt des Patriarchen (Thomas Lichtenstein). Ein beachtliches Szenarium stellt dieser große Kasten dar, das auch bei Wiederholung nicht an Wirkung verliert. Zum Versteckspiel bei Auf- und Abgängen bietet sich dieser Würfel in geschlossener Form ebenfalls an. Denn um die Fragen um Verwandtschaftsverhältnisse, richtiger Religion und Geld, wird in zweieinhalb Stunden mit großer Schauspielkunst gerungen.
Nathan (Michael Kleinert, überlegen und unterwürfig zugleich, bei dem oft das Gefühl aufkommt, er müsse sich zu Beginn eines Stückes erst in die Rolle „einspielen“) ist der emsige jüdische Geschäftsmann, der um seine Lebenslüge ringt, dass seine Tochter Recha (verliebt und verspielt: Rebecca Seidel) nicht die Eigene und auch keine Jüdin ist. Nur die Haushälterin Daja (herrlich undurchsichtig: Franziska Werner) weiß von dem Geheimnis. Aus dem Feuer gerettet wurde die Tochter ausgerechnet von einem christlichen Tempelherren (überzeugend: Jan Breustedt), in den sich die Tochter auch noch verliebt. Und tragischerweise ist dieser ihr Bruder. Diesen hatte der Sultan Saladin als Moslem (Klaas Schramm im Rollstuhl, um wahrscheinlich seine Gebrochenheit zu symbolisieren) kurz zuvor begnadigt. Wie herauskommt, der Neffe des Sultans. Dazu kommen noch Sittah (hintertrieben: Caroline Nagel), die schlaue Schwester des Sultans, der Derwisch (Johannes Lange) und ein Klosterbruder (Gerrit Frers).
Die Frage der finanziellen Rettung des Sultans durch Nathan wird zugleich zur Frage der Religionen und dem einzig wahren Gott. Die berühmte Ringparabel wird vorgetragen. Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass nur die Menschlichkeit zählt. Kann es eine bessere Botschaft für den Frieden geben?
Termine und Karten gibt es unter www.staatstheater.de.
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