Kultur

TATORT Bremen: „Und immer gewinnt die Nacht“

Von links: Markus Knüfken, Luise Wolfram, Jasna Fritzi Bauer.
Foto: Michael Ihle / Radio Bremen

Achim Neubauer Mads Andersen, Liv Moormann und Linda Selb, das neue Ermittlertrio in Bremen, wird mit dem brutalen Mord an dem Arzt Björn Kehrer konfrontiert. Der sorgte sich – pro bono – um die medizinische Versorgung der Armen. Wieso wurde er im Hafen überfahren und erschlagen? Am 12. Dezember sendet das Erste den neuen Fall „Und immer gewinnt die Nacht“ aus der Stadt an der Weser.

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Viele Geheimnisse tragen die Protagonisten des neuen Radio Bremen Tatort mit sich herum. Nicht nur das Motiv für den Mord am Mediziner bleibt rätselhaft, auch die umfangreiche Riege der Verdächtigen eint, dass sie alle ihre wunden Punkte in der eigenen Biografie zu verbergen suchen. So erzählt das Drehbuch von Christian Jeltsch davon, wie oft der Traum vom persönlichen Glück scheitert.

„Wir Menschen sind einfach ziemlich gut darin, einander umzubringen“, stellt Linda Selb (Luise Wolfram) zu Beginn der Untersuchungen fest. Es ergibt sich zunächst kein Motiv für den Mord. Wer tötet einen Mediziner, der sich konsequent für andere einsetzt? Die BKA-Ermittlerin versucht nun zusammen mit Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) das Beziehungsgeflecht zu entwirren. Mads Andersen (Dar Salim) befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in Kopenhagen, wo er eine Stelle im Innenministerium ablehnt, um dann wieder nach Bremen zurückzukommen und die Kolleginnen zu unterstützen. Gemeinsam und einzeln arbeiten die Kriminalen nun die lange Riege der Verdächtigen ab. Mads Andersen versucht undercover auf einem Frachter anzuheuern, der in der Nähe des Tatorts vor Anker liegt. Moormann und Selb befragen Kehrers Arzthelferin (Lisa Jopt) und ermitteln im Haus von Charlotte Aufhoven (Karoline Eichhorn), weil das Auto ihrer Tochter Vicky als Mordwerkzeug benutzt worden war. Sie stoßen auf den schwerkranken Hendrik Gelsen und den krebskranken Zigarrenfabrikanten Claas-Heinrich Aufhoven (Ernst Stötzner). Nicht nur die Reihe der Verdächtigen, auch die Zahl der angerissenen Themen, ist zwischenzeitlich sehr groß. Geschickt verknüpft das Drehbuch die vielen einzelnen Geschichten, dass die Ermittelnden den Mord klären können.

Von links: Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram, Dar Salim.
Foto: Foto: Michael Ihle / Radio Bremen

Christian Jeltsch schrieb sein Buch in unmittelbarem Zusammenhang zu „Neugeboren“, der Premierenfolge des neuen Teams. Er setzt die pessimistische (vielleicht tatsächlich realistische) Beschreibung des Zustands der Gesellschaft fort. Allein der Handlungsfaden, in dem die Kopenhagener Vorgeschichte von Kommissar Mads Andersen erklärt wird, spricht davon, dass es Grund geben kann, Hoffnung zu bewahren, dass Veränderung möglich ist. Insofern entwickelt sich das Bremer Team noch nicht weiter und verharrt im skeptischen Blick auf die Freie Hansestadt. Verständlich, dass Thomas von Boetticher, der als neuer Redakteur die Tatortbeiträge von Radio Bremen redaktionell verantwortet, keine Experimente eingehen wollte. Schade allerdings, dass – bis in den formalen Aufbau des Films – die gleiche Struktur (und eigentlich auch eine ganz ähnliche Auflösung) geboten wird, wie im Erstling der Bremer Ermittler.

Karoline Eichhorn.
Foto: Foto: Michael Ihle / Radio Bremen

Fein ausgearbeitet sind allerdings wieder die Dialoge. Insbesondere die Ermittlerinnen Selb und Moormann ergänzen sich; schwimmen auf einer Wellenlänge und teilen eine ähnliche Sicht auf das Leben: „Wenn es nicht ab und an richtig weh tut, dann ist es auch kein Leben!“
Eine ganz illustre Runde von Akteuren vor und hinter der Kamera hat der kleine Sender in Bremen für sein Projekt begeistern können. Neben Christian Jeltsch, der mit „Und immer gewinnt die Nacht“ bereits das neunte Drehbuch an der Weser abgeliefert hat, ist dabei vor allem der Regisseur Oliver Hirschbiegel zu nennen. Der aktuelle Bremer Tatort ist für ihn erst die dritte Arbeit für die Reihe; Anfang der 1980er Jahre hatte er ORF-Beiträge inszeniert.
Auch der zweite Film des neuen Teams lebt im Wesentlichen von der sauber geschriebenen und inszenierten Interaktion der Ermittelnden, lässt aber noch nicht die Richtung erkennen, in die die Reise des Teams gehen wird. Wirklich spannend wird nun, wie das Zusammenspiel im nächsten, bereits abgedrehten Film klappen wird, in dem Dar Salim nicht dabei ist.

Gut zu wissen

  • „Und immer gewinnt die Nacht“ wurde vom 8. April bis 4. Mai 2021 in Bremen und Kopenhagen gedreht.
  • Oliver Hirschbiegel wurde für seinen Tatort-Erstling „Kinderspiel“ (ORF 1982) zusammen mit Autor Peter Zingler 1983 mit dem Adolf-Grimme-Preis in Bronze ausgezeichnet. Sein Kinofilm „Das Experiment“ (D 2001) bekam 2002 den deutschen Filmpreis; „Der Untergang“ (D 2004), über die letzten Tage im Führerbunker in Berlin, war 2005 für den Oscar nominiert.
  • Vom 26. Oktober bis 24. November 2021 fanden bereits die Dreharbeiten für den nächsten Bremen-Tatort statt. „Das Ende der Zuversicht“ entstand nach einem Buch von Martina Mouchot unter der Regie von Anne Zohra Berrached; die Ausstrahlung dürfte noch vor der Sommerpause 2022 erfolgen.
  • In den Pressemitteilungen wird das Fehlen von Dar Salim im dritten Film nicht erwähnt. Laura Lippert schreibt für „buten & binnen“, dass bei Radio Bremen unterschiedlichen Team-Konstellationen von Anfang an geplant gewesen seien. Außerdem würden manche Geschichten wie z.B. „Das Ende der Zuversicht“ durch weniger Ermittler „stärker werden“ …
  • Informationen zu einem Beitrag, den Esther Bernstorff unter dem Arbeitstitel „Hybride Kriegsführung“ entwickelt(e), sind zur Zeit nicht mehr zu finden.
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