Film

Tatort Bremen: „Neugeboren“

Leonie Wesselow und Jasna Fritzi Bauer.

Leonie Wesselow und Jasna Fritzi Bauer.
Foto: Radio Bremen / Christine Schroeder

(Achim Neubauer) Das Warten hat endlich ein Ende. Gut zwei Jahre nach dem letzten Fall des Bremer Duos aus Inga Lürsen und Nils Stedefreund geht nun ein Ermittlertrio in der Weserstadt auf Verbrecherjagd. Am Pfingstmontag, 24. Mai, sendet das Erste die Premierenfolge der Neuen.

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Viel Zeit haben sich Autor Christian Jeltsch und Redakteurin Annette Strelow genommen, um einen stimmigen Erstling zu entwickeln. Erst nachdem die Besetzung der Hauptrollen feststand, begann der renommierte Drehbuchschreiber mit seiner Arbeit. Ihm gelang ein Buch, dem an vielen Stellen anzumerken ist, dass es den Schauspielern auf den Leib geschrieben wurde. Ihre Interaktion zu beobachten, ist eine helle Freude und auf die Ermittler Mads Andersen (Dar Salim), Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) konzentriert sich „Neugeboren“ dann auch. Die Schauspieler nehmen die unverkrampfte, beinahe spontan wirkende Spielfreude mit, die schon die Mokumentary „How To Tatort“ bestimmte. Dar Salim – den Zuschauern noch nachdrücklich in Erinnerung aus dem Bremer Tatort-Meilenstein „Brüder“ (2014) – agiert, als sei der Begriff „cool“ für ihn persönlich erfunden worden. Durch die erste Folge zieht sich sein Versuch, die Hansestadt wieder zurück in Richtung Kopenhagen zu verlassen. Dem gegenüber gibt Jasna Fritzi Bauer („jerks.“) eine Kommissarin, die rotzfrech und vorlaut, gerade aus Bremerhaven gekommen in der Roland-Stadt neu anfangen will. Allein Luise Wolfram, deren Figur Jeltsch aus dem Lürsen/ Stedefreund Universum gerettet hat, hat ihren festen Stand in der Bremer Mordkommission – soweit das für eine BKA-Ermittlerin überhaupt möglich ist. Spannend, was sich aus diesem Team noch entwickeln wird, für das Christian Jeltsch auch gleich noch den zweiten Fall geschrieben hat.

Luise Wolfram, Jana Fritzi Bauer und Dar Salim.

Luise Wolfram, Jana Fritzi Bauer und Dar Salim.
Foto: Radio Bremen / Christine Schroeder

Durch die Konzentration auf die Einführung des neuen Teams kommt – notgedrungener weise – der Kriminalfall ein wenig kurz. Im besten Sinn klassisch, einfach und unspektakulär erzählt „Neugeboren“ davon, dass unmittelbar nach der Geburt ein Baby aus der Klinik entführt wird. Gleichzeitig wird ein junger Mann aufgefunden, der offenbar in den Tod gestürzt ist. Ob beziehunsgweise welche Zusammenhänge es zwischen diesen beiden Vorkommnissen gibt, werden die Kriminalen ermitteln. Dabei begegnet ihnen das obligatorische Lokalkolorit in Person eines ehemaligen Werder Bremen Kickers (André Szymanski), dessen Tochter (Johanna Polley) gerade ein Kind bekommen hat. „Prekäre“ Lebenssituationen in die die Ermittler eintauchen müssen; desillusioniert die Bürger, mit denen sie zu tun haben: „Das Leben fängt Scheiße an und es hört Scheiße auf – dazwischen tut‘s manchmal so als gäb‘s Kuchen“, resümiert eine alleinerziehende Mutter.

Johanna Polley und Dar Salim in „Neugeboren“.

Johanna Polley und Dar Salim in „Neugeboren“.
Foto: Radio Bremen / Christine Schroeder

Dieser pessimistischen, wenn auch nicht völlig unrealistischen Haltung versucht der Film zaghaft zu widersprechen, er skizziert auch (einige wenige) Lebenssituationen, in denen ein Neuanfang möglich ist, die Umstände sich nachhaltig ändern und möglich machen, Schwieriges zu akzeptieren, erzählt von Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass „es sich wendet“, das Leben. Ganz nah sind Regisseurin Barbara Kulcsar und ihr Bildgestalter Filip Zumbrunn bei den Akteuren; mit der Handkamera begleiten sie und bleiben dabei so gut wie immer in Bewegung. Ein intensives Milieu-Portrait gelingt ihnen, das Zumbrunn „atmend“ nennt.
Ein gelungener Einstand des neuen Teams, wobei die Spannung groß bleibt, wohin es sich entwickeln wird.

Gut zu wissen

  • „Neugeboren“ wurde vom 3. November bis 2. Dezember 2020 in Bremen und Umgebung gedreht
  • Für Christian Jeltsch ist „Neugeboren“ bereits das 16. Tatort-Drehbuch, acht davon schrieb er für Radio Bremen
  • Barbara Kulcsar debütierte am Tatort in der SWR-Folge „Rebland“; Filipp Zumbrunn war für die Kameraarbeit im Beitrag „Die Musik stirbt zuletzt“ zuständig, der 90-minütig an einem Stück gedreht wurde
  • Vom 8. April bis 8. Mai 2021 fanden schon die Dreharbeiten für den nächsten Bremen-Tatort statt. „Und immer gewinnt die Nacht“ entstand wieder nach einem Buch von Christian Jeltsch und unter der Regie von Oliver Hirschbiegel; die Ausstrahlung dürfte noch im Herbst/ Winter 2021 erfolgen
  • An einem Buch für den dritten Beitrag des neuen Teams mit dem Arbeitstitel „Hybride Kriegsführung“ arbeitet zur Zeit Esther Bernstorff
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