Unfallstatistik: Konsequenter vorgehen
Angekündigte Blitzaktionen sollen das Bewusstsein verändern.
Foto: Tim Reckmann / pixelio.de
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Alle Jahre wieder stellt das Land Niedersachsen im Frühjahr die Verkehrsunfallstatistik vor, und seit vielen Jahren ist zu schnelles Fahren die Unfallursache Nummer eins. Was für das Land gilt, gilt auch für den Bereich der Polizeidirektion Oldenburg. Raser riskieren bewusst nicht nur das eigene Leben, sondern auch das ihrer Mitfahrer und anderer Verkehrsteilnehmer.
Sie halten sich für sehr gute Fahrer, glauben, ihr Fahrzeug perfekt zu beherrschen und physikalische Regeln außer Kraft setzen zu können. Vorschriftsmäßig fahrende Autofahrer betrachten sie als lästige Hindernisse, die sie in ihrem Fortkommen aufhalten und unterstellen ihnen Fahruntüchtigkeit. Eben Gurkenfahrer, die nicht kapiert haben, wozu es ein Gaspedal gibt.
Jeder Autofahrer, der auf Landes- oder Bundesstraßen unterwegs ist, begegnet diesen rücksichtslosen Zeitgenossen, die nur eins im Kopf haben, sich ihren Weg – wie auch immer – zu bahnen. Sie drängeln und nötigen und wenn das nicht dazu führt, dass der Vordermann schneller wird, probieren sie es mit riskanten Überholmanövern. Oft geht das nur gut, weil alle anderen Verkehrsteilnehmer vom Gas gehen und die Raser ziehen lassen. Manchmal kommen sie aber auch von der Fahrbahn ab, obwohl keine anderen Fahrzeuge in der Nähe sind, weil sie unter totaler Selbstüberschätzung leiden. Sie sind also gar nicht geeignet, ein Fahrzeug verantwortungsvoll zu steuern.
Genau diese Sorte Autofahrer will Innenminister Boris Pistorius gemeinsam mit der Polizei zur Einsicht bringen. Beliebte Mittel sind der Blitzmarathon, der tagelang vorher angekündigt wird, Blitzer, die jede Woche in jeder Zeitung stehen und durch Radiosender geistern sowie festinstallierte Blitzgeräte, die jeder aufmerksame Autofahrer schnell wahrnimmt. Was soll das, fragt sich seit Jahren mancher Verkehrsteilnehmer?
Notorische Raser merken sich diese Kontrollstellen, passieren sie und geben anschließend richtig Gas. Um Raser zu erreichen, helfen weder Prävention noch Appelle. Raser müssen auf frischer Tat erwischt werden und monatelang zu Fuß gehen, damit sie Zeit haben, über ihr Fehlverhalten nachzudenken. Das gelingt garantiert nicht mit angekündigten Blitzmarathons. Die sind zwar hart für die Raser, weil sie an den Tagen tatsächlich mal aufpassen müssen, aber das Ende ist für sie abzusehen, und dann heißt es wieder unvermindert Gas geben.
Raserei ist in Deutschland immer noch ein Kavaliersdelikt. Wenn die Polizei den Rasern tatsächlich beikommen will, muss sie sich viel mehr als bisher unerkannt unter die Verkehrsteilnehmer mischen, um sie auf frischer Tat zu stellen. Der intensive zivile Einsatz würde sich jeden Tag selbst in Oldenburg vielfach bezahlt machen. Nicht nur wegen zu schnellen Fahrens auch wegen der unerlaubten Benutzung von Handys und Navigationsgeräten, die immer wieder zu gefährlichen Situationen führt.
So kann man als Verkehrsteilnehmer nur hoffen, dass sich viel mehr Zivilstreifen unter den Verkehr mischen und jenen Verkehrssündern die Kelle hinhalten, die nicht zehn oder 20 Stundenkilometer zu schnell fahren, sondern rasen und somit zu einer öffentlichen Gefahr werden. Angekündigte Blitzaktionen sollen unser Bewusstsein verändern, sagt die Polizei. Das mag bei dem einen oder anderen auch funktionieren, aber nicht bei überzeugten Rasern, bei denen Raserei Ausdruck ihrer Haltung ist.
Ein Kommentar von Katrin Zempel-Bley.
1 Kommentar
Das ankündigen von Messpunkten ist wohl die größte Dummheit, die man überhaupt begehen kann.
Aber in Zeitungen veröffentlicht man die Bekanntmachung der Messstellen des Ordnungsamtes, wobei die Kontrollpunkte fast immer identisch sind. Als Ergebnis hat man die gewünschte Verhaltensänderung, die sich jedoch nur auf diese Punkte beschränkt. Zudem ist das Risiko, erwischt zu werden relativ gering und die Konsequenzen sind nicht weiter tragisch. Bis ein Führerschein entzogen wird, dauert es; ein Fahrverbot wird auch nur für 3 Monate verhängt und einen entzogenen Führerschein bekommt man mittlerweile – Dank einer Gesetzesänderung – auch ohne Neuerwerb der Fahrerlaubnis wieder.
Wer also nun wie Innenminister Boris Pistorius diejenigen bekehren will, muß bei der Polizei erst einmal für mehr Personal sorgen – doch genau das wird nicht gemacht, sondern ein Einstellungsstopp verhängt.