Bewusstsein für Brustkrebs schärfen
Die Psychologin Dagmar Lienau berät Krebskranke.
Foto: privat
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Oldenburg/zb – Jede achte Frau in Deutschland ist von Brustkrebs betroffen. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, gibt es ein umfangreiches Vorsorgeangebot. Katrin Zempel-Bley sprach darüber mit Dagmar Lienau, Leiterin der Krebsberatungsstelle im Gesundheitsamt Oldenburg.
Zempel-Bley: Im November haben Sie als Leiterin der Krebsberatungsstelle im Gesundheitsamt gemeinsam mit der Betroffenen Initiative Brustkrebs (BIB) im Rahmen eines Aktionstages über Brustkrebs informiert. Warum ist das Thema so bedeutsam?
Lienau: Eine Krebserkrankung ist trotz verbesserter Heilungschancen, gerade bei Brustkrebs, nach wie vor ein Schock. Brustkrebs ist mit 70.000 Neuerkrankungen im Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Jede achte Frau ist im Laufe ihres Lebens betroffen.
Zempel-Bley: Kennt die Medizin den Grund dafür, weshalb Brustkrebs der am häufigsten vorkommende Krebs bei Frauen ist?
Lienau: Möglicherweise sind hierfür die Lebensbedingungen in unserer Gesellschaft mit verantwortlich. Da ein wesentlicher Risikofaktor der Einfluss weiblicher Hormone, speziell des Östrogens ist, können z. B. weniger und späte Schwangerschaften, kurze oder gar keine Stillzeiten, also Zeiten, in denen weniger Östrogen produziert wird, Gründe für Brustkrebs sein.
Zempel-Bley: Inwiefern spielt die Mammographie-Reihenuntersuchung eine Rolle?
Lienau: Darüber werden sehr viel mehr Krebserkrankungen gefunden als früher.
Zempel-Bley: Es gibt aber gute Möglichkeiten, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen.
Lienau: Eine Möglichkeit ist die Selbstuntersuchung der Brust. Für das systematische Abtasten der Brust gibt es Anleitungen zum Beispiel unter www.brustkrebs-web.de. Dabei geht es auch darum, die eigene Brust besser kennen zu lernen und ungewöhnliche Veränderungen wahr zu nehmen und gegebenenfalls weiter untersuchen zu lassen. Um auch schon kleine Knoten, die nicht tastbar sind, finden zu können, werden Frauen zwischen 50 und 69 Jahren (die Alterspanne mit dem höchsten Erkrankungsrisiko) alle zwei Jahre zur Mammographie eingeladen. Die Heilungschancen haben sich in den letzten Jahren auch dadurch verbessert.
Zempel-Bley: Wird von den Angeboten Gebrauch gemacht?
Lienau: Ja, in der Stadt Oldenburg beteiligen sich etwas über 60 Prozent, im Umland, wo das Mammamobil unterwegs ist, sind es über 65 Prozent der Frauen.
Zempel-Bley: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass längst nicht alle Frauen das Angebot wahrnehmen?
Lienau: Natürlich ist eine solche Untersuchung mit der Angst verbunden, dass vielleicht doch etwas gefunden wird. Auch wenn etwas gefunden wird, das sich dann als gutartig herausstellt, was sehr häufig der Fall ist, ist die psychische Belastung dabei nicht zu unterschätzen. Es kann auch sein, dass Krebstumore gefunden werden, die der Frau nicht wirklich schaden und dann trotzdem behandelt werden. Insofern sollte jede Frau sich über die Chancen und Risiken des Screenings genau informieren und auf dieser Grundlage eine Entscheidung für sich treffen.
Zempel-Bley: Liegt es vielleicht auch daran, dass Frauen vor der Untersuchung Angst haben weil sie wehtut oder die Strahlenbelastung fürchten?
Lienau: Dass die Untersuchung weh tun kann, hängt mit den Anforderungen an die Qualität der Aufnahmen zusammen. Damit das Röntgenbild gut lesbar ist, muss die Brust möglichst breit aufgenommen werden. Ich empfehle Frauen, die wissen, dass sie schmerzempfindlich sind, vor der Untersuchung, etwas gegen Schmerzen einzunehmen. Die Strahlenbelastung ist je nach Brustgewebe unterschiedlich, bei jüngeren Frauen in der Regel stärker, aber in den letzten zehn Jahren sind die technischen Möglichkeiten so weit verbessert worden, dass dadurch keine zusätzlichen Risiken entstehen.
Zempel-Bley: Das heißt, wird Brustkrebs früh erkannt, ist die Heilungschance groß?
Lienau: Ja, wir haben zwar einen Anstieg in der Erkrankungsrate auch aufgrund der verstärkten Früherkennung. Gleichzeitig geht die Zahl der Todesfälle bei Brustkrebs zurück.
Zempel-Bley: Das Screening gilt nur zwischen 50 und 69 Jahre. Ist die Brustkrebsgefahr davor und danach minimal?
Lienau: Eine Reihenuntersuchung für diese Altersgruppen hätte mehr Nachteil als Nutzen, da das Erkrankungsrisiko tatsächlich sehr viel geringer ist. Bei älteren Frauen spielt außerdem eine Rolle, dass eventuelle Tumoren aufgrund der altersbedingten verlangsamten Zellteilung nicht so schnell wachsen.
Zempel-Bley: Von Brustkrebs betroffene Frauen können zu ihnen in die Beratung ins Gesundheitsamt kommen. Wie intensiv wird das Angebot genutzt?
Lienau: Ich bin in der Krebsberatung für alle Krebsbetroffenen und ganz wichtig, auch für Angehörige zuständig. Tatsächlich wird die Beratung im Zusammenhang mit Brustkrebs am häufigsten genutzt. Etwa 70 Prozent aller Anfragen beziehen sich auf Brustkrebs. Mit den Veränderungen des Körpers, auch durch die langwierigen Behandlungen, und mit dem Rückfallrisiko umgehen zu lernen, braucht Unterstützung.
Zempel-Bley: Neben der Einzelberatung bieten Sie, aber auch die Betroffenen Initiative Brustkrebs (BIB) weitere Angebote an. Welche sind das?
Lienau: Es gibt im Gesundheitsamt Gruppen zur Entspannung, Schminkkurse für Frauen in der Therapie, eine Gruppe zum Umgang mit der Angst und ein Wanderprojekt, in dem Betroffene die Möglichkeit haben, gemeinsam Tageswanderungen und eine Pilgerwanderung zu machen. Alle Gruppen haben das Ziel, das eigene Selbstbewusstsein wieder zu stärken. Die BIB bietet neben ihrem regelmäßigen Besuchsdienst außerdem drei Mal im Jahr ein Frühstückstreffen an.
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