Filmfest

27. Filmfest: Im Wechselbad der Gefühle

Schauspieler David Aráoz (Mitte) freute sich mit seinem Dolmetscher (2. von rechts) riesig über seinen Seymour Cassel Award als bester Hauptdarsteller im Film „The Longest Night“. Zur Jury für die Preisvergabe gehörten Paul Tiltges (links), Deborah Kara Unger sowie RP Kahl (nicht im Bild). Filmfest-Chef Torsten Neumann (rechts) moderierte den Abschlussabend.

Schauspieler David Aráoz (Mitte) freute sich mit seinem Dolmetscher (2. von rechts) riesig über seinen Seymour Cassel Award als bester Hauptdarsteller im Film „The Longest Night“. Zur Jury für die Preisvergabe gehörten Paul Tiltges (links), Deborah Kara Unger sowie RP Kahl (nicht im Bild). Filmfest-Chef Torsten Neumann (rechts) moderierte den Abschlussabend.
Foto: Uwe Schucht

Oldenburg (vs) Das 27. Internationale Filmfest Oldenburg ist vorbei. Und das ist auch gut so. Denn ein Filmfestival unter diesen Bedingungen bereitet nicht wirklich Freude und wollen Kino- und Filmfreunde auch nicht wieder erleben. Corona bedingt war vieles anders als sonst. Weniger Filme, weniger Spielorte, weniger nationale und internationale Gäste, wenig Glamour und keine Partys (zumindest nicht offiziell). Und dabei gibt es doch immer wieder böse Zungen, die behaupten, die Partys seien wichtiger als die Filme.

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Das emsige Team um Filmfest-Chef Torsten Neumann hat dennoch alles Mögliche dafür getan, um die gegebenen Umstände so gut wie möglich zu nutzen und Festivalstimmung aufkommen zu lassen. „Die Anreise von Festivalgästen aus neun Ländern war ein Kraftakt, ebenso wie die parallele Organisation eines virtuellen und analogen Festivals. Die Situation erforderte kreative Lösungen und ein hohes Maß an Flexibilität von allen Beteiligten“, so die Festival-Presse. Und dafür gebührt auf jeden Fall Dank.

Preisvergabe und Abschlussfilm „Savage State“

Mit der Preisvergabe für die besten Filme und Darsteller_innen und dem Abschlussfilm „Savage State“ von David Perrault ging das Filmfest 2020 am Sonntag zu Ende. Das prunkvolle Staatstheater war in diesem Jahr nicht der Ort der Closing Night Gala, sondern die schmucklose Halle der Kulturetage. Weniger Film-Gäste, weniger Geladene und auch weniger Publikum kamen zum Abschluss. Überhaupt blieben in den vergangenen Tagen viele Kinostühle leer und das nicht nur durch die Vorgaben der Abstände und geringerer möglicher Zuschauerzahlen. Das Oldenburger Publikum traut sich nicht in so großer Zahl in englischsprachige Filme oder Filme mit englischen Untertiteln. Nur eine handvoll deutschsprachiger Filme gab es zu sehen, was an den Corona bedingten, fehlenden Synchronisationen lag. So waren die deutschen Produktionen, allen voran die beiden Tatort-Weltpremieren, am besten besucht. Neben einigen realen Nachgesprächen im Kinosaal mit Publikum gab es 15 virtuelle Gespräche mit Filmschaffenden, wenn auch bei den Live-Schalten oft mit reichlich technischen Problemen. Besucherzahlen und Angaben wie viele Filmfreunde den Streaming-Dienst nutzten, wurden nicht genannt, vom digitalen Angebot machten laut Festival Filmfans aus 114 verschiedenen Ländern Gebrauch.

Höhepunkte setzten Okuda San Miguel und William Friedkin

Optischer Höhepunkt war die farbenfrohe Arbeit des weltbekannten Street Artist Okuda San Miguel. Pünktlich zur Eröffnung sorgte der Spanier in Form eines großformatigen Wandgemäldes neben dem Polyester-Club gegenüber des Horst-Janssen-Museums für ein neues Wahrzeichen im Oldenburger Stadtbild.

Weiterer Höhepunkt war auch das einstündige Online-Live-Gespräch mit Starregisseur William Friedkin. Im Gespräch mit Filmjournalist Scott Roxborough (The Hollywood Reporter) und Festivalchef Torsten Neumann gab der 85-Jährige spannende Einblicke in seine lange und einmalige Karriere. Anlass hierfür war die Retrospektive, mit der der Regisseur für seine großen Verdienste um das Kino, wie wir es kennen, ausgezeichnet wurde und in deren Rahmen eine Werkschau ausgewählter Filme lief.

Herzlichkeit und Dankbarkeit spürbar bei den Filmfest-Gästen

Große Freude gab es aber trotz aller Umstände bei den anwesenden und virtuellen Gästen darüber, dass überhaupt ein Filmfestival möglich war und wie immer über das herzliche Willkommen in Oldenburg. Bei der Preisvergabe am Sonntag gab ebenso reichlich Ausdruck der Freude und Dankbarkeit sowie jeden Menge (Luft-)Küsschen.

Der Publikumspreis, für den die Festival-Zuschauer sowohl nach den analogen als auch nach den digitalen Screenings abstimmen konnten, ging an „Miracle Fishing“ von Miles Hargrove. Der Regisseur wurde live zugeschaltet und mit seinem Preis überrascht.

Den German Independence Award – Spirit of Cinema erhielt der Eröffnungsfilm „Puppy Love“ von Michael Maxxis. Gerührt und Dankbar sprach der Regisseur auf der Bühne.

Mit dem Seymour Cassel Award für die beste darstellerische Leistung wurden Paz de la Huerta für ihre Hauptrolle in „Puppy Love“ sowie Daniel Aráoz, Hauptdarsteller von „The Longest Night“, ausgezeichnet.

Die Kurzfilmjury, bestehend aus dem Fotografen Tim Bruening, der Schauspielerin Patrycja Płanik und dem Regisseur Andreas Horvath, vergab den German Independence Award für den besten Kurzfilm an den russischen Beitrag „The Coat“ von Igor Nevedrov. Eine lobende Erwähnung erhielt David G. Morgans „Whisky Charly“.

Schauspielerin Paz de la Huerta betrachtet die Gravur von Goldschmiedemeister Thomas Kunke auf ihrer Trophäe.

Schauspielerin Paz de la Huerta betrachtet die Gravur von Goldschmiedemeister Thomas Kunke auf ihrer Trophäe.
Foto: Volker Schulze

Nach Preisvergabe und Abschlussfilm ging es traditionell und Oscar-gemäß zur Gravur der Trophäen in die Goldschmiede von Thomas Kunke. Fleißig wurde in das Filmfest-Gästebuch geschrieben, Küsschen auf Abstand verteilt und für die noch verbliebenen Film-Gäste ging es Montag zurück Richtung Heimat oder zu anderen Film-Projekten. Mögen sie gesund bleiben und zur 28. Ausgabe wieder kommen. Und dann können wir wieder alle gemeinsam ins Kino gehen.

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3 Kommentare

  1. Marlon Müller
    24. September 2020 um 21.43 — Antworten

    Auch dieser Artikel lässt viele Fragen offen. Ich stelle mal fünf, vielleicht antwortet jemand:
    1. Wie kann man auf die Idee kommen, das Filmfest Oldenburg in Rastede zu eröffnen?
    2. Wann lernt Torsten Neumann vernünftiges Englisch und wann sagt ihm jemand, dass er als Moderator ebenso eine Zumutung ist wie der der Eröffnung?
    3. Warum ist man davon abgekommen, zur Eröffnung einen deutschen Film zu zeigen?
    4. Wie lässt sich eine Party wie im Marvins mit den Coronaregeln vereinbaren?
    5. Und schließlich: Was ist der Sinn eines Filmfestes, das praktisch ohne Öffentlichkeit stattfindet und offensichtlich nur dem Privatvergnügen von Torsten Neumann dient?

    • W. Lorenzen-Pranger
      24. September 2020 um 23.10 — Antworten

      Immerhin zu Punkt fünf fällt mir so einiges ein.

      So etwas ist nur möglich, weil es in Oldenburg keinerlei Hintergrundrecherche mehr gibt – bei Radio Bremen übrgens auch nicht. Hier kann jeder, selbst unkritisch mit sich selber, gegenüber der Öffentlichkeit so ziemlich alles behaupten, was er will – es wird freudig aufgegriffen. Hauptsache eben unkritisch – sich selbst und einer mehr als stinkfaulen und offensichtlich komplett unfähigen „bürgerlichen“ Presse gegenüber, die die Kunst auch noch nicht einmal im Ansatz ernst nimmt.
      Egal.ob da einer im Ausland, in diesem Fall Dänemark, längst industriell gefertigte Produkte nachbastelt oder ob einer Konzepte verkauft, die völlig abstrus sind. Dies „Filmfest“ ist ein sicherer Beweis dafür. So wurden mir vor zwei oder drei Jahren mal eins zu eins Plagiate von einer „Künstlerin“ als großartige kreative Arbeiten eines Kollegen angeboten – die ich selbst als Ausstellungsvermittler (!) vor mehr als dreißig Jahren (!) zuvor in Oldenburg in einem kleinen Rahmen präsentiert hatte. Damals in meiner Zimmergalerie und im „Dammtor“. Der beklaute Künstler weiß bis heute nichts davon, da der Kontakt leider verloren ging. Darum, weil sich Menschen unterschiedlich entwickeln, funktioniert sowas eben auch. Die „Kunstszene“ in Ol ist es weitgehend nicht wert, überhaupt so genannt zu werden. Plagiate wohin man sieht.
      Grundsätzlich bräuchten wir dringend eine kompetente und vor allem kritische (!) Presse – und ein Urheberschutzrecht auch für große Teile der Kunst und künstlerischer Produkte – bzw Grundideen. Der Gebrauchmusterschutz ist hier eben nicht wirklich das Mittel, das so richtig greifen kann. Außerdem ist er für viele Künstler zu teuer.
      Bleibt beim Filmfest festzustellen, daß sich hier nicht nur der Veranstalter ein Dankmal setzen will – sondern auch eine Stadt und eine Presse, die wahrhaft nichts mehr merkt, schon gar nicht die Peinlichkeit dieser Provinzposse „Filmfestival“. Ich kenne Volkers manchmal sehr harte Urteile („Sieh dir den doch mal genau an, der ist doch fertig.“) , hier vermisse ich genau das.
      „Walk of fame“ – im Hinterhof… Genau das Abbild des Elends der Kunst in dieser Stadt – und in diesem Land.

      Ein bekannter Dirigent, leider verstorben – und ich habe sehr dummerweise auch noch seinen Namen vergessen – hat einmal gesagt: „Ein Künstler KANN nicht lügen. Wenn er es doch tut ist kein Künstler mehr.“

      • W. Lorenzen-Pranger
        25. September 2020 um 9.36 — Antworten

        „…ist kein Künstler mehr.“

        …ist ER kein Künstler mehr, muß das natürlich heißen.

        Egal, der Frust bleibt der Gleiche. Dabei wars in OL mal ganz lebendig – in den 80-ern mit einem sehr kompetenten Kulturamtsschef und seiner Mitarbeiterin, die sich engagierten…

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