Staatstheater: „Der Schimmelreiter“ überzeugt durch Regie und Ensemble

Tobias Schormann als Hauke Haien und Tamara Theisen als Elke Folkerts überzeugen in „Der Schimmelreiter“ in der Inszenierung von Milena Paulovics.
Foto: Stephan Walzl
Oldenburg (vs) Mit dem literarischen Klassiker des Deutschunterrichtes „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm begeistert das Schauspielensemble des Oldenburgischen Staatstheaters derzeit das Publikum. Imposant kommt die von Storm selbsternannte „Deich- und Sturmflutnovelle“ im Großen Haus daher. Die große, offene Spielfläche fast ohne Requisiten hätte im Einklang mit dem bestens aufgelegten Ensemble im Kleinen Haus eine noch intensivere, fast intime, Atmosphäre schaffen können. Die Umsetzung der Bühnenfassung von John von Düffel durch Regisseurin Milena Paulovics ermöglicht ein eindrucksvolles Ensemblestück, das vor allem getragen wird von Tobias Schormann als Hauke Haien und Tamara Theisen als seine spätere Ehefrau Elke Volkerts. Während Tobias Schormann in den ersten Szenen des Stücks noch seine Form finden muss, ist Tamara Theisen von Beginn an auf Höchstleistung und spielt ihren späteren Gatten und neuer Deichgraf fast an die Wand. Überhaupt braucht die Inszenierung eine Weile, bis sie in Fluss kommt und ihren Schwung erreicht. Nach der Pause ist der Spielverlauf wesentlich flüssiger und dichter. Die Dramatik des Stückes nimmt im zweiten Mal wesentlich zu und das überträgt sich auch auf das Ensemble. Besonders im Chor gesprochene Passagen und die Selbstgespräche einiger Figuren in Richtung Publikum zeigen ihre Wirkung. Warum die Dorfälteste Trien Jans (Caroline Nagel) unerwartet und überraschend von Hochdeutsch ins Plattdeutsch wechselt, erschließt sich nicht sofort. Dass Menschen in Krisensituationen in ihre Muttersprache verfallen, ist nachvollziehbar, kommt aber dennoch unverhofft rüber. Authentisch wäre in diesem Fall auch gewesen, Trien Jans komplett Plattdeutsch sprechen zu lassen.
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Die Sage um Hauke Haien, der sich als Sohn eines Kleinbauern die Regeln der Mathematik selbst beibringt und die Aktivität des Meeres studiert, hat ihre Anfänge im Jahr 1885. Das geschah zu einer Zeit als noch übersinnliche und mystische Erscheinungen und Begegnungen die Menschen in der rauen und zeitweise unwirklich daherkommenden Landschaft Nordfrieslands bewegten. Hauke Haien, der nach dem Tod des Vaters von Elke Volkerts und zugleich Deichgraf, seine geliebte Elke heiratet und die in der Bevölkerung unerwünschte Nachfolge des Deichgrafen antritt, muss sich in seiner neuen Rolle erst behaupten. Ohne großen Landbesitz und nur durch sein selbsterlerntes Wissen an diese Position gekommen, trifft der junge Deichgraf auf großen Widerstand. Zumal er mit seinen Erkenntnissen über die Zukunft des Deichbaus allein dasteht. Um gegen eine nächste große Sturmflut geschützt zu sein, empfiehlt er einen wesentlich flacheren Deichverlauf zur Seeseite. Bei den Einheimischen trifft er damit auf großes Unverständnis zumal ein neuer Deich viel Geld und Arbeitskräfte erfordert. Letztendlich setzt er sich durch und mit dem unerwarteten Aufkommen einer Sturmflut nimmt das Schicksal seinen Lauf. Dem althergebrachten Spruch zum Deichbau „Da muss was Lebendiges rein“, kann sich Hauke Haien nicht verwehren und so gewinnt das Drama an Fahrt.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm ist derzeit mit großem Publikumszuspruch im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheater zu sehen.
Foto: Stephan Walzl
Gekonnte Lichtregie unterstützt das Szenarium
Eine freie Spielfläche, mit einem nach hinten schräg ansteigendem Podest (Bühne: Pascale Arndtz), gibt der Inszenierung die Möglichkeit, mit nur wenig Requisiten die Szenarien zu wechseln. Besonders herausragend ist dabei die eindrucksvolle Lichtregie von Arne Weidl, die die mystische und zeitweise beklemmende Atmosphäre, unterstützt durch Bodennebel, perfekt einfängt und unterstreicht. Die Bühne wird im Hintergrund mit einer großen Projektionsfläche abgegrenzt, auf der Impressionen von einer rauen Nordsee, Dünen, Deich und Natur in Dauerschleife laufen. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn die durchgehende Projektion lenkt besonders in den ruhigen Szenen zu sehr ab. Etwas Ruhe für die Augen und mehr Aufmerksamkeit für das intensive Spiel wären so möglich gewesen.
Das Publikum im ausverkauften Haus, inklusive der Stehplätze in den Rängen, feiert die Premiere verdient mit starkem und langanhaltendem Applaus für das Schauspielensemble und das Regieteam.
Mehr Informationen, Vorstellungstermine sowie Karten gibt es unter www.staatstheater.de.
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