Krone-Schmalz: Klischeehaftes Russlandbild korrigiert
Gabriele Krone-Schmalz.
Foto: Markus Amon
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Oldenburg / zb – „Russland verstehen“ heißt das neueste Buch von Gabriele Krone-Schmalz, ehemalige Studioleiterin des ARD-Moskaubüros, das sie im Rahmen einer Lesung auf Einladung der Oldenburger Buchhandlung Isensee vorstellte.
„Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens“ lautet der Untertitel, der verrät, worum es in ihrem Buch geht. Die Historikerin kritisiert die oft einseitige und wertende Berichterstattung in deutschen Medien zum Ukraine-Konflikt. „Journalisten sollen keine Politik machen sondern sie wertfrei erklären“, sagt sie. Dass sie viel zu wenig recherchieren, führt sie auch auf strukturelle Veränderungen und somit auf akuten Zeitdruck und die zunehmende Monopolisierung in der Medienlandschaft zurück. Sie bemängelte zudem die Diskrepanz zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung.
Die promovierte Russlandkennerin befasst sich seit Jahrzehnten mit dem Land und untersuchte bereits in ihrer Dissertation Vorurteile und Klischees nach dem Krieg bis in die 70er Jahre. „Verstehen heißt nicht akzeptieren, sondern sich in die Lage des anderen zu versetzen“, erläutert sie. Genau das tut die 65-Jährige, die ihre Leser auf 176 Seiten von ihrer westlich gefärbten Brille befreit und ihnen eine andere Sicht der Dinge ermöglicht. Dabei überzeugt sie durch Faktenwissen und umfangreiches Quellenstudium.
Die Politik des Westens ist für sie nichts anderes als Weltmachtstreben. Dabei, so sagt sie, habe Putin sich dem Westen in seiner ersten Amtsperiode stark angenähert, was in Russland äußerst skeptisch betrachtet wurde. Statt ihn zu stärken, habe man ihn jedoch links liegen gelassen. Russland sei nach dem Untergang der Sowjetunion vom Westen „weniger als Partner denn als Konkursmasse behandelt worden“, kritisiert Krone-Schmalz. „In die dringend erforderliche neue Sicherheitsarchitektur für ein geopolitisch radikal verändertes Europa wurde Russland nicht eingebunden, stattdessen erweiterte sich die Nato Schritt für Schritt nach Osten“ analysiert sie.
Nachdem ehemalige Ostblockstaaten Mitglied der EU geworden seien, habe sich die Haltung der EU gegenüber Russland verändert, sagt sie. „Es ist falsch, innerhalb der EU auf eben jene osteuropäischen Staaten zu hören, die sich vor Russland fürchten. Da wünsche ich mir mehr Rückgrat von Deutschland und die Kraft, sich dem Gruppendruck zu entziehen, vor allem in Hinblick auf ein friedliches Zusammenleben innerhalb Europas, wozu Russland zweifelsfrei gehört.“ Sie erinnert an Konrad Adenauer, der gegen großen Widerstand 1955 nach Moskau fuhr und sich nicht an die Leine legen ließ und so die Freilassung zahlreicher deutscher Kriegsgefangener erreichte.
2011 sollte in Kiew ein EU-Assoziierungs- und Freihandelsabkommen unterzeichnet werden. Dazu kam es nicht. „Und zwar nicht, weil Russland die Ukraine unter Druck gesetzt hätte, sondern die EU weitere Bedingungen gestellt hat“, erinnert Krone-Schmalz. Damit sei der Konflikt vorprogrammiert gewesen.
Die Ukraine sei ein geteiltes Land. Ein Teil der Bewohner orientiere sich gen Westen, ein anderer gen Russland. Durch die Politik des Westens sei das Land jedoch immer stärker zwischen die Fronten geraten, eine Zerreißprobe sei die logische Folge gewesen. Die Ukraine hätte ihrer Ansicht nach nie vor eine Wahl – entweder der Westen oder Russland – gestellt werden dürfen. Vielmehr hätte eine kooperative statt konfrontative Lösung, also eine föderative Ukraine, den Weg geebnet und das gegenwärtige Desaster verhindert.
Jetzt sei die Lage völlig verfahren, urteilt Krone-Schmalz, die auf Diplomatie, die eigentliche „Staatskunst“ hofft. Europäische Spitzenpolitiker müssten mit Putin in Gespräche eintreten, um eine gemeinsame Richtung zu finden. Von den USA erhofft sich die Russlandkennerin eher nichts, weil amerikanische Interessen keine europäischen Interessen seien. Weshalb sich die EU so stark vor den amerikanischen Karren spannen lässt, kann sie nicht nachvollziehen. Dazu gehören auch die von der EU verhängten Sanktionen, die der EU und natürlich auch Russland nur schaden und das Verhältnis zusätzlich belasten.
Das Buch „Russland verstehen. Der Kampf um die Ukarine und die Arroganz des Westens“ von Gabriele Krone-Schmalz ist im Verlag C.H. Beck erschienen und kostet 14,95 Euro.
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