Ausstellung

Ernst Beyersdorff Opfer politischer Willkür

Portrait Ernst Beyersdorff, 1927.

Karl Lindemann, Portrait Ernst Beyersdorff, 1927, Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Foto: Sven Adelaide

Oldenburg (zb) „Ernst Beyersdorff – Oldenburger Sammler, Förderer und Jurist“ heißt der Titel einer Kabinettschau, die das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg und das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte gemeinsam bis zum 18. Juni zeigen. Über den Juristen Ernst Beyersdorff, dessen Todestag sich am 16. Juni zum 65. Mal jährt, informiert das OLG am Richard-Wagner-Platz, den Sammler zeigt das Landesmuseum im Prinzenpalais.

Anzeige

1885 wurde der Jurist und Kunstsammler in Oldenburg geboren. Hier verbrachte er die meiste Zeit seines Lebens und machte sich einen Namen als Verfechter der künstlerischen Moderne. Als Begründer der „Vereinigung für junge Kunst“ und Förderer-Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“ legte er eine bedeutende Sammlung mit Werken der Moderne an, deren Werke 1984 als Schenkung durch seine Frau Johanna Elisabeth Beyersdorff ans Landesmuseum gelangten. Anhand seiner Kunstsammlung, zeitgeschichtlichen Archivalien und persönlichen Dokumenten beleuchtet die Ausstellung erstmals seine Biografie.

Nach seinem Studium arbeitete Beyersdorff als Gerichtsassessor am Landgericht Oldenburg. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er eingezogen und kämpfte an den Fronten in Frankreich, Polen, Russland und Mazedonien. Körperlich unversehrt kehrte er 1918 aus dem Krieg zurück, wurde für seine Kriegsdienste ausgezeichnet und nahm seine Arbeit im Landgericht wieder auf. 1919 wurde er zum Amtsrichter der Stadt und des Verwaltungsbezirks Elsfleth, 1921 zum Landrichter ernannt und an das Landgericht Oldenburg versetzt. 1920 heiratete er Johanna Elisabeth Brandstätter, genannt Hanneliese, Tochter eines Fabrikanten in Georgsmarienhütte, die in Bad Zwischenahn aufwuchs. Das Paar bekam einen Sohn und eine Tochter und lebte an der Elisabethstraße in Oldenburg.

1922 gründete Beyersdorff die „Vereinigung für junge Kunst“, die unter seiner Federführung bis 1933 durch zahlreiche Veranstaltungen und Ausstellungen auf sich aufmerksam machte. „Durch das Engagement der Vereinigung konnten in Oldenburg nicht nur die in Dangast entstandenen Werke der ‚Brücke‘-Expressionisten gezeigt werden, auch aktuelle Arbeiten unter anderem von Ernst Barlach, Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Edvard Munch, Emil Nolde oder Pablo Picasso waren zu bestaunen“, berichtet Dr. Marcus Kenzler, stellvertretender Museumsleiter und Kurator der Ausstellung.

Erich Kästner, Bertolt Brecht, Alfred Döblin, Else Lasker-Schüler und Gottfried Benn kamen zu Lesungen. Vorträge zu aktuellen Positionen hielten Otto Holtze, Erich Mendelsohn, Walter Gropius und andere. Doch mit den politischen Erfolgen der Nazis 1932 in Oldenburg endete Beyersdorffs Engagement zwangsläufig. „So wurde auch die Oldenburger Kunstvereinigung zur Offenlegung ihrer Mitgliederlisten gezwungen, um ideologisch Andersgesinnte, Förderer der ‚Kunst der Verfallszeit‘ und ‚Kunstkritiker der Systemzeit‘ ausfindig zu machen“, berichtet Kenzler. „Vor allem jüdische Mitglieder mussten mit Diffamierungen und Verfolgungen rechnen.“

Diensteid Ernst Beyersdorff, 27. August 1934.

Diensteid Ernst Beyersdorff, 27. August 1934, Personalakte Beyersdorff, Niedersächsisches Landesarchiv, Standort Oldenburg.
Foto: Sven Adelaide

So auch Ernst Beyersdorff, der die Nazi-Ideologie zwar ablehnte, aufgrund seiner Position als Landgerichtsrat jedoch politische Zugeständnisse machen musste. Hinzu kam, dass seine Großeltern mütterlicherseits jüdischen Glaubens waren und er somit als „Halbjude“ galt. Die Gestapo beauftragte den Oldenburger Versteigerer Ernst Heimsath 1944, eine vollständige Inventaraufnahme der Privatwohnung der Familie Beyersdorff vorzunehmen. Von nun an musste der Jurist mit seiner Deportation rechnen. Doch dazu kam es überraschenderweise nicht mehr.

„Wir wissen nicht, warum es dazu nicht kam“, sagt Kenzler. „Es kann vermutet werden, dass Beyersdorff wohlwollende Kollegen und Vorgesetzte im Justizdienst und Freunde im Oldenburger Bildungsbürgertum hatte, die das verhindert haben. Es gibt aber keinerlei Belege dafür“, stellt der Provenienzforscher klar.

1945 nach Kriegsende übernahm die Britische Militäradministration in Oldenburg die Kontrolle über die Gerichtsbarkeit, rehabilitierte Ernst Beyersdorff, indem sie ihn bereits im August zum Präsidenten des Landgerichts ernannte. Von nun an engagierte er sich wieder in der Kunstszene und verhalf ihr zur Wiederbelebung. 1952 starb er und wurde auf dem Gertruden-Friedhof in Oldenburg begraben. Sechs Jahr später starb seine Tochter, 1964 sein Sohn. Die kinderlose Witwe entschloss sich, die Sammlung ihres Mannes mit rund 40 Werken dem Landesmuseum als „Schenkung Ernst und Hanneliese Beyersdorff“ zu vermachen.

Vorheriger Artikel

Neuer Kreisverkehr in der Edewechter Landstraße

Nächster Artikel

Pflasterarbeiten am Alten Rathaus haben begonnen

Keine Kommentare bisher

Einen Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.