Ausbildung

„Spätstarter“: Mit 31 Jahren Berufstraum verwirklicht

Weronika Baumann hat nach 1,5 Jahren ihre Ausbildung im Rahmen der Initiative Spätstarter der Agentur für Arbeit in Oldenburg bestanden.

Weronika Baumann hat sich ihren Traum von der Bäckereifachverkäuferin mit 31 Jahren erfüllt.
Foto: Katrin Zempel-Bley

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Oldenburg (zb) – Weronika Baumann strahlt. Gerade hat sie nach nur eineinhalb Jahren Lehrzeit ihre Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin bestanden. Die 31-Jährige hat von der Initiative „Spätstarter“ der Agentur für Arbeit in Oldenburg profitiert.

Gleich nach ihrem Hauptschulabschluss wollte sie Bäckereifachverkäuferin werden, doch sie bekam keine Lehrstelle trotz zahlreicher Bewerbungen. „Irgendwann habe ich resigniert und mich um eine Arbeit im Reinigungsgewerbe bemüht“, erzählt sie. Dort hat sie sich schnell hochgearbeitet und in einem Krankenhaus hochsensible Geräte gesäubert. „Ich bin sehr ehrgeizig und ärger mich, dass ich als Schülerin viel zu wenig getan habe. Vermutlich hätte ich mit einem besseren Abschluss sofort eine Lehrstelle gefunden“, sagt sie heute.

Weronika Baumann hat aber nie aufgegeben. Mit 21 Jahren hat sie ihren Sohn bekommen und danach weiter im Reinigungsgewerbe gearbeitet. „Gereicht hat mir das nicht und die Bäckereifachverkäuferin hatte ich weiterhin im Kopf. Deshalb bin ich vor zwei Jahren zur Agentur für Arbeit gegangen und habe gefragt, ob ich noch eine Chance habe“, erzählt sie. Hier erfuhr sie von der Initiative „Spätstarter“. Sie wendet sich an 25- bis 35-Jährige, die keine Berufsausbildung haben.

„Im Agenturbezirk gibt es davon rund 4000 Menschen“, berichtet Claudia Zimmermann, Sprecherin der Arbeitsagentur. 700 von ihnen nutzen die Initiative zurzeit, allerdings schaffen es nicht alle. „Man muss unbedingt wollen“, weiß Claudia Zimmermann. Damit möglichst viele erfolgreich sind, hilft die Agentur, die passende Ausbildung zu finden.

Bei Weronika Baumann ging es schnell, denn das Bäckerhandwerk leidet unter Fachkräftemangel. Die Großbäckerei Müller & Egerer mit Sitz in Rastede hat die 31-Jährige gern ausgebildet. „Von solchen Azubis hätten wir gern mehr“, sagt Petra Albrecht, Verkaufstrainerin und Schulungsleiterin. „Frau Baumann war hochmotiviert, extrem diszipliniert, hat kaum einen Tag gefehlt und stets ihr Ziel fest im Blick gehabt“, erzählt sie.

Tatsächlich hat sie das Lernpensum von drei Jahren in der Hälfte der Zeit geschafft und zudem eine gute Prüfung hingelegt. Sowohl ihr Betrieb als auch ihre Familie haben sie nach Kräften unterstützt. „Mein Sohn und ich haben oft zusammen in der Küche gesessen und gelernt. Er musste Hausaufgaben machen und Arbeiten schreiben und ich auch. Da haben wir beide ziemlichen Ehrgeiz entwickelt und uns natürlich auch immer gegenseitig erzählt, wie es gelaufen ist.“

Ihr Sohn aber auch ihr Mann und die Eltern sind stolz auf die 31-Jährige, die eisern gelernt hat und sofort nach der Prüfung ihren Arbeitsvertrag in der Tasche hatte. „Mein großer Traum ist in Erfüllung gegangen“, freut sie sich. Es dauerte allerdings nur 24 Stunden, da hatte sie neue Träume. „Ich will die Ausbildereignungsprüfung machen, um Azubis ausbilden zu dürfen“, erzählt sie und ist schon wieder hoch motiviert. Wenn sie die Prüfung geschafft hat, möchte sie eines Tages Filialleiterin werden. „Ich werde alles dafür tun, auch das Ziel irgendwann zu erreichen“, sagt sie und ist zuversichtlich.

Genauso wie Petra Albrecht, die von der Leistungsbereitschaft und dem Teamgeist der 31-Jährigen beeindruckt ist. „Mag sein, dass Frau Baumann eine Ausnahmefrau ist, aber es gibt ganz sicher eine Menge Menschen, die unbedingt noch eine Ausbildung machen möchten, obwohl sie nicht mehr 18 sind. Wir haben Interesse an ihnen, weil sie reifer sind, über Lebenserfahrung verfügen und sich wie Frau Baumann gut organisieren können“, sagt Petra Albrecht.

Weronika Baumann hat die Initiative „Spätstarter“ zu ihrem Glück verholfen. Allerdings räumt sie ein, dass die 18 Monate Lehrzeit mit allerhand Entbehrungen verbunden waren. „Ich habe in meiner Freizeit überwiegend gelernt und kaum Freunde getroffen. Meine Familie musste zurückstecken, aber dennoch hat es sich gelohnt. Ich fühle mich viel besser – auch weil ich mir bewiesen habe, dass ich die Ausbildung geschafft habe“, sagt sie und verschwindet hinterm Tresen, wo die Kunden schon warten.

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