Region

Ingo Harms entdeckt NS-Gedankengut

Ingo Harms fand heraus, dass die Ge­meinde Ovelgönne einen NS-Text als offizielle Gemeindechronik herausgibt.

Ingo Harms fand heraus, dass die Ge­meinde Ovelgönne einen NS-Text als offizielle Gemeindechronik herausgibt.
Foto: privat

Oldenburg / Ovelgönne (zb) Auf 100 Seiten entdeckte der Oldenbur­ger Historiker Ingo Harms Rassismus, Antisemitismus und Germanenkult und staunte nicht schlecht, als er erfuhr, dass die Ge­meinde Ovelgönne in der Wesermarsch einen Text als offizielle Gemeindechronik herausgibt, der eine einzige Verherrlichung Adolf Hitlers und seiner Nazi-Ideo­logien darstellt.

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„Erst der Intervention aufmerksamer Zeitgenossen, darunter die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Wesermarsch, Ulla Bernhold, ist es zu verdanken, dass die Chronik inzwischen vom Markt genommen wurde“, berichtet der Historiker, dem selbst eine Druckversion vorliegt.

Dem Historiker war das Manuskript eines im Jahr 1938-39 verfassten Textes zugegangen, der die Geschichte der Wesermarsch aus völkischer Sicht schil­dert und in triumphierender Weise die Umtriebe der NSDAP, SA und SS in der Gemeinde Ovelgönne beschreibt. Als er auf die Gefährlichkeit des Inhaltes aufmerksam machen wollte, musste er erkennen, dass die Gemeinde den Text be­reits als Druckversion verkaufte, allerdings ohne Änderungen und einen einzigen Kommentar. Im Klappentext distanziert sich die Gemeinde zwar von „der damals herrschenden Meinung“, will sich aber der Verbreitung des Textes „nicht verwehren.“

Als der Forscher daraufhin andere Gemeindechroniken untersuchte, die nicht aus der NS-Zeit stammten, machte er die Entdeckung, „dass auch hier unreflek­tierte Nazi-Geschichte schlummert“, sagt er auf Nachfrage. Am 18. Dezember berichtete er auf Einla­dung des Fördervereins internationales Fluchtmuseum über die Chronik und das Verhalten der Gemeinde. Der Förderverein internationales Fluchtmuseum und der Gedenkkreis Wehnen sehen sich häufig mit Abwehr und Ignoranz bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit konfrontiert.

„Wir glauben, dass in der heutigen Zeit, in der nationalistische Gruppen, Parteien und Regierungen international Zulauf erhalten, die Verbreitung unreflektierten Gedankenguts dieser Art besonders verhängnisvoll ist“, so Ulrich Hartig vom Förderverein. Um dem entgegenzuwirken regt er an, die bisherigen Orts-Chroniken unserer Region fachlich-kritisch zu würdigen und Empfehlun­gen für Struktur und Quellenkritik künftiger Chroniken zu erarbeiten.

Eine Mitarbeiterin der Gemeinde Ovelgönne bestätigte den Vorgang, versteht jedoch nicht, weshalb an dem Vorgang plötzlich Kritik geübt wird. In den 1990er Jahren sei die Chronik in einem Schrank in der Gemeinde entdeckt worden. Anfangs sei sie fotokopiert und später, weil sie drohte auseinanderzufallen, von einer Mitarbeiterin abgeschrieben und eben vervielfältigt worden. Alle interessierten Leute hätten sie dann in der Gemeinde bzw. im Handwerkermuseum kaufen können. Zuvor habe die Gemeinde sich mit dem „Oldenburger Judenrat“ in Verbindung gesetzt, der nichts gegen dieses Vorgehen einzuwenden hatte. 20 Jahre habe man das so praktiziert und jetzt sei die Aufregung groß. Da sei nicht zu verstehen, zumal sich die Gemeinde im Klappentext von den Inhalten distanziere, erklärte die Mitarbeiterin abschließend.

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2 Kommentare

  1. Heinrich Hoppe
    19. August 2014 um 15.43 — Antworten

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    es ist aus meiner Sicht sehr wichtig alte Dokumente zu veröffentlichen, um das was in der NS-Zeit passiert ist zu publizieren. Eine bessere Aufarbeitung zur Mahnung kann es gar nicht geben.
    Auch in meinem Ort gibt es noch ein Thema aufzuarbeiten, weiß aber noch nicht wie es von den Nachkommen der Betroffenen aufgefasst wird.

  2. Michael Reins
    31. Oktober 2014 um 11.53 — Antworten

    So sind sie, die Historiker; statt froh zu sein das es solche texte überhaupt noch gibt, würden Sie sie am leiben irgendwo tief verbuddeln, damit die Geschichte als solche nicht erhalten bleibt. In Bayer war z.B. die rede davon, das man A.H. „Mein Kampf“ für den Schulunterricht neu auflegen will – natürlich mit Kommentaren von Historikern; was sonst.
    Das aber ändert nichts an der Geschichte und nichts daran, was im Text steht. Einerseits fordert man die Aufarbeitung dieser Zeit, andererseits will man „Zeitzeugen“ zum schweigen bringen. Auch sollte man nicht vergessen zu sagen, das nicht alle echte Nazis waren die in der NSDAP waren, sondern einfach nur überleben wollten. Historiker sollten endlich einmal verstehen das sie durch ihre Aufgebrachtheit wder die Geschichte ändern noch ein heute bestehendes Gedankengut dadurch verändert wird. Dazu gehört aber weitaus mehr als nur etwas zu beurteilen wie man es selbst gerne hätte.

    Was mich vor allem ärgert ist der leichtfertige Gebrauch des Begriffes „Antisemitismus“, denn dazu sollte man wohl erst einmal wissen was denn überhaupt Semiten sind. Fakt ist nun einmal, das neben den Juden auch Araber und andere Völkerstämme dazu gehören, die Semitische Sprachen sprechen bzw. dessen Sprache den semitischen zugeordnet wird. Wir sollten den begriff Antisemitismus“ wohl besser durch den Begriff „Antizionismus“ austauschen, der dann nämlich das erklärt was dort tatsächlich passiert ist. Wir erinnern uns doch wohl noch daran, das man den Deutschen verboten hat bei „Juden“ zu kaufen? Beim Zionismus geht es um etwas ganz anderes als beim Semitismus; da müssen offenbar selbst Historiker noch ihre Hausaufgaben machen und nicht alles einfach übernehmen, was man ihnen schon in der Studienzeit vorgeplappert hat, ohne das sie selbst einmal darüber nachgedacht haben.

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