Oldenburg

Die Tatortreiniger aus Oldenburg

Die Tatortreiniger Kathrin und André Rohde sind bei ihren Einsätzen immer als Team unterwegs.

Kathrin und André Rohde sind bei ihren Einsätzen immer als Team unterwegs.
Foto: Nicole Behnke

Oldenburg (Nele König) „Wenn wir da sind, ist das Leid der Menschen vorbei“, sagt Kathrin Rohde. Sie und ihr Mann André sind die Letzten, die an einen Leichenfundort kommen. Die Reinigung und Desinfektion ist der abschließende Schritt, bevor eine Wohnung wieder an die Angehörigen oder Vermieter übergeben wird. Die OOZ-Redaktion hat die Tatortreiniger aus Oldenburg besucht.

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Angerufen werden sie von Hausverwaltungen, Behörden, Bestattern, Angehörigen oder der Polizei. Letztere war es auch, die vor 14 Jahren dazu beigetragen hat, dass Kathrin und André Rohde heute als Tatortreiniger arbeiten. Die Beamten waren auf der Suche nach einem Desinfektor. Es ging um eine Frau, die im Badezimmer unglücklich gestürzt war und eine kleine Blutlache. „So sind wir ziemlich schnell in den Aufgabenbereich der Tatortreinigung ‚gerutscht‘ und haben unsere anfänglichen Pläne über Bord geworfen.“ Die gelernten Kaufleute mit Ausbildung zu staatlich anerkannten Desinfektoren haben zunächst individuelle Hygienepläne erstellt – heute sind sie die „Tatortreinigung Weser-Ems“ und ein Fachbetrieb für Infektionsschutz und Hygiene. Leichenfunde, Unfallorte, Messi-Wohnungen: Sie sind vor Ort, wenn andere lieber die Türen schließen mögen.

Mittlerweile haben Kathrin und André Rohde 500 bis 550 Einsätze im Jahr. Manchmal müssen sie dafür auch bis nach Hamburg oder Lüneburg. Trotzdem ist das Team der Rohdes klein: Zwei Angestellte und zwei Springer unterstützen sie. Ein Büro brauchen sie nicht. „Wir managen alles vom Auto aus.“ Der Transporter sei Büro, Pausen- und Lagerraum zugleich. Oft sind sie den ganzen Tag unterwegs, das Bereitschaftshandy ist immer an. Beim Tagesausflug mit der Familie, auf dem Sofa vor dem Fernseher, während eines Festes: Immer kann der Notfall eintreten und sie müssen los. Oft spontan, manchmal können sie sich Zeit lassen. Beispielsweise, wenn eine Person schon länger gelegen hat und niemand anders dort lebt, kann die Reinigung auch noch etwas warten. Meistens ist das aber anders, besonders wenn die Polizei am Hörer ist. Dann muss es schnell gehen – auch nachts. Teilweise wissen sie vorher, was auf sie zukommt, „mal wissen wir gar nichts.“

Am Tatort angekommen, beginnen sie mit ihrer Arbeit. „Den Geruch kann man am wenigsten ausblenden“, erzählt Kathrin Rohde. Ihr Mann ergänzt: „Ich würde ihn als penetrant muffig beschreiben.“ Aber sie betonen: „Jeder Leichnam riecht anders.“ Das hänge auch von den Lebensverhältnissen der verstorbenen Person ab – war sie Raucher, Alkoholiker oder hat sie Medikamente genommen. „An den Spuren können wir oft den Tatverlauf erkennen“, berichten die Beiden weiter. Manchmal müssen sie nicht nur reinigen und desinfizieren, sondern auch sanieren. Die Entwesung, also das Vernichten tierischer Schädlinge, gehört genauso dazu. Zum Schluss kommt die Geruchsneutralisierung. Nichts soll mehr an den Unfall- oder Leichenfundort erinnern: „Wir machen alles wieder clean, damit die Hinterbliebenen keinen Schock bekommen.“

Oft können sich die Rohdes gar nicht lange an ihre einzelnen Fälle erinnern. Es kann passieren, dass die leidenschaftlichen True Crime-Hörer aber in einer Podcast-Folge auf einen ihrer ehemaligen Einsätze stoßen. „Manchmal bekommen wir da noch Infos über ‚unseren‘ Tatort wie zum Beispiel beim Bohrmaschinenmörder in Lüneburg.“ Am spektakulärsten für sie war einer ihrer Fälle in Oldenburg, bei dem ein Mann seine Frau erstochen hat. Während der Reinigung habe dann plötzlich die erst später erwartete jugendliche Tochter in der Tür gestanden. „Wir hatten unsere Anzüge noch an, die waren voller Blutreste.“ Kathrin Rohde ergänzt: „Sie fing sofort an zu schreien, war mit der Situation überfordert und konnte kaum beruhigt werden. Das war schlimm.“ Sie selbst könnten keine professionelle psychologische Hilfe leisten, trotzdem würden ihnen die Angehörigen während der Reinigung manchmal das Herz ausschütten: „Das ist schon eine Art Trauerbewältigung.“

Immer wieder ruft bei Kathrin und André Rohde die Presse an. Natürlich kommt dann jedes Mal die Frage nach der bekannten Serie „Der Tatortreiniger“ und ob ihr Beruf denn wirklich so sei. Das Ehepaar nimmt es mit Humor und weiß, das ist eine Fernsehserie zur Unterhaltung und hat mit ihrer Arbeit wenig zu tun. Regelmäßig meldet sich auch das Fernsehen und möchte gerne mit zu einem ihrer Einsätze. Das haben sie bisher aber immer abgelehnt. Diskretion und eine professionelle Arbeitsweise steht an oberster Stelle – deshalb sind sie teilweise auch mit Zivilfahrzeug unterwegs.

Demnächst werden die Tatortreiniger Gast in einem Podcast sein und in ihrer eigenen kleinen True Crime-Episode von ihrem Beruf und außergewöhnlichen Fällen erzählen. Sie freuen sich, dass sie so für ihren Job sensibilisieren können.

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