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Verfassungsrechtler warnen vor Aushebelung des Grundgesetzes

Wegen Coronakrise geschlossener Laden, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Immer mehr Verfassungsrechtler und ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts warnen davor, das Infektionsschutzgesetz vor das Grundgesetz zu stellen. Der Professor für Öffentliches Recht an der Berliner Humboldt-Universität und Leibniz-Preisträger, Christoph Möllers, warnt etwa vor der „Verschiebung der rechtlichen Maßstäbe“, die sich in der Corona-Krise vollziehe, sagte er der „Welt am Sonntag“. Er habe gar nichts gegen die Maßnahmen der Kontaktreduzierung, aber das Infektionsschutzgesetz, das jetzt zur Grundlage des politischen Handelns gemacht werde, gebe die weitreichenden Einschränkungen der Freiheitsrechte der Bürger einfach nicht her.

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„Man kann auf dieser Grundlage nicht wochenlang ein ganzes Land zumachen.“ Laut Artikel 80 des Grundgesetzes müssten solche Rechtsverordnungen eigentlich „ihrem Inhalt, Zweck und Ausmaß nach“ durch Gesetze bestimmt werden – von Bundestag und Bundesrat. Aktuell sei das aber nicht vorgesehen, so Möllers. „Wir beobachten also eine enorme Zentralisierung. Auf einmal vollzieht der Bund Gesetze, genauer gesagt sogar nur ein einziger Bundesminister, und die Länder spielen keine Rolle mehr“, sagte der Leibniz-Preisträger. „Notlagenmaßnahmen rechtfertigen nicht die Außerkraftsetzung von Freiheitsrechten zugunsten eines Obrigkeits- und Überwachungsstaates“, sagte der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der „Welt am Sonntag“. Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen seien schon an sich schwerwiegende Grundrechtseingriffe. „Sie mögen im Hinblick auf die gegenwärtige Gefährdung von Leib und Leben der Menschen noch verfassungsgemäß sein – aber sie müssen auf jeden Fall aufgehoben oder gelockert werden, wenn die Gefährdungslage es zulässt. Eine totale Ausgangssperre, die weder regional, zeitlich, noch personell oder sachlich begrenzt ist, würde definitiv das Verhältnismäßigkeitsgebot verletzen.“ Die Auswertung personenbezogener Handy-Daten lehnt Papier ausdrücklich ab. „Wenn es um die Erstellung und Auswertung von Bewegungsprofilen von Personen geht, ist die Grenze des Zulässigen überschritten. Die Wahrnehmung der Freiheitsrechte einer Person darf nicht total erfasst und registriert werden – sonst ist eine unbefangene Wahrnehmung dieser Freiheitsrechte nicht mehr möglich“, sagte Papier.

Foto: Wegen Coronakrise geschlossener Laden, über dts Nachrichtenagentur

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1 Kommentar

  1. Philipp Juric
    29. März 2020 um 19.32 — Antworten

    Sehr geerte Oldenburger Online Redaktion
    Vielen Dank für ihren Artikel über die Rechtmäßigkeit der Aussetzung unserer im Grundgesetz verbrieften Grundrechte.
    Über Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen möchte ich auch gar nicht groß eingehen, sie dennoch als größten Irrsinn der Menschheitsgeschichte wissen.
    Ihr Artikel macht mir aber Mut und gibt mir Zuversicht, das eben solche Artikel ein Stück weit mehr dazu beitragen werden, dem Irrsinn ein schnelles oder schnellst mögliches Ende zu gebieten. Mögen noch mehr Richter, dem Wort Advokat – Fürsprecher entsprechend, aufstehen und für das Volk sprechen.
    Vielen Dank dafür
    Ihr Philipp Juric

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