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SPD: Neue Bürgerräte dürfen kein abgehobenes Elitenprojekt werden

SPD-Logo, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Die SPD warnt davor, dass die von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigten Bürgerräte für mehr direkte Demokratie auf Bundesebene zu einem Elitenprojekt werden. In einem Strategiepapier der Arbeitsgemeinschaft Demokratie der SPD-Bundestagsfraktion heißt es, bisherige Konzepte und Durchführungen zeigten deutlich, dass gesellschaftliche Gruppen mit Merkmalen wie überdurchschnittliches Einkommen, gehobener Bildungsgrad, gutes soziales Umfeld und keine Migrationsgeschichte generell bereits politisch aktiver und einfacher von einem Engagement in einem Beteiligungsrat zu überzeugen seien „Bereits bei der Auswahl der Personen besteht somit die Gefahr, dass trotz vielfältiger möglicher Auswahlmechanismen und auch bei hohem Aufwand keine vollständige Repräsentativität hergestellt werden kann“, fürchten die Sozialdemokraten in dem Papier, über das die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten. Es soll in den nächsten Wochen von der Fraktion beschlossen werden.

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Vereinfacht ausgedrückt geht es der SPD darum, dass in Bürgerräten auch Maurer, Altenpflegerinnen oder Lastwagenfahrer vertreten sind – und nicht nur Akademiker und erprobte politische Aktivisten, die sich ohnehin lautstark öffentlich zu Wort melden. Bundestagspräsident Schäuble hatte vor einem Monat erklärt, dass im nächsten Jahr unter seiner Schirmherrschaft ein weiterer Bürgerrat zum Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ eingesetzt werden soll. Im vergangenen Jahr gab es bereits den nach dem Zufallsprinzip zusammengestellten „Bürgerrat Demokratie“, der Empfehlungen zur Weiterentwicklung des demokratischen Systems machte. Der CDU-Politiker sagte, Bürgerräte könnten den Bundestag beraten und eine Art Kompromiss zwischen einer reinen parlamentarischen Demokratie und einer mit Plebisziten sein. Mit mehr Bürgerbeteiligung soll der um sich greifenden Politikverdrossenheit und -verachtung begegnet werden. In Frankreich etwa hatte Präsident Emmanuel Macron mehrere solcher Gremien zu verschiedenen Themen als Reaktion auf die „Gelbwesten“-Proteste 2018 und 2019 und die Forderungen nach mehr direkter Demokratie einberufen. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese begrüßte die Pläne des Bundestagspräsidenten grundsätzlich, aber „der Schäuble-Vorstoß ist noch sehr abstrakt“. Ein reines Losverfahren zur Auswahl der mitmachenden Bürger sei nicht zielführend. Sein SPD-Fraktionskollege Helge Lindh sagte: „Bürgerbeteiligung ist keine Veranstaltung der Besserbeteiligten.“ Beteiligungsräte machten nur Sinn, wenn aus Zuschauern der Demokratie wieder Mitspieler bei brisanten gesellschaftlichen Fragen würden. Dies würde die Demokratie widerstandsfähiger gegen „gefährliche Vereinfachungen des Populismus“ machen. Nach Einschätzung von Wiese könnte sich ein Bürgerrat auf Bundesebene zum Beispiel mit der Mobilität der Zukunft beschäftigen, weil diese Frage Menschen auf dem Land anders treffe als jene in der Großstadt.

Foto: SPD-Logo, über dts Nachrichtenagentur

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