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Sinn warnt vor Wachstumsverlusten durch Klimaschutzmaßnahmen

Fridays-for-Future-Protest, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Ökonom Hans-Werner Sinn warnt vor einer Schwächung der Wirtschaft in der Eurozone durch Klimaschutzmaßnahmen. „Wenn die EZB Geschäftsbanken jetzt nach ökologischen Kriterien Geld leihen will, die das Geld an Kunden mit ähnlichen Vorstellungen weiterreichen, dann resultieren daraus unmittelbare Wachstumsverluste“, sagte Sinn der „Welt“. Der Kapitalmarkt teile das über Generationen mühsam akkumulierte Sparkapital auf alternative, rivalisierende Verwendungen auf, und zwar so, dass das gemeinsame Sozialprodukt maximiert werde, sagte der frühere Präsident des Münchener Ifo-Instituts.

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Wenn man diesen Prozess störe, indem man Kapital aus politischen Gründen anders lenke, als es sich durch die Eigentümer verteilt hätte, mindere dies das Wachstum. Sinn plädiert in der Umweltpolitik stattdessen für „einen europaweiten Emissionshandel, der sämtliche Sektoren der Wirtschaft inklusive des Verkehrs und der privaten Haushalte erfasst“. Mit Blick auf den Wiederaufbaufonds der EU, der die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise abmildern soll, warnt er vor der Etablierung einer Haftungsgemeinschaft. „Wir haben jetzt quasi ein Transfersystem eingerichtet, das sich verselbständigen wird und das auf Dauer dazu führt, dass sich ein einzelnes Land gar nicht mehr wehren kann. Vom Wiederaufbaufonds redet doch schon keiner mehr. Wer bekommt pro Kopf das meiste Geld daraus? Griechenland und Bulgarien, wo das Virus praktisch nicht aufgetreten ist“, so der Ökonom weiter. Den Fonds, der 750 Milliarden Euro umfasst und zu 390 Milliarden aus Krediten sowie zu 360 Milliarden Euro aus Zuschüssen besteht, bezeichnete Sinn zudem als „Versteckaktion“. „Die einzelnen Staaten müssen sich bei Verschuldung und Haushaltsdefizit an die in den Maastricht-Kriterien festgelegten Grenzwerte halten.“ Diese Anforderungen könnten jetzt bequem unterlaufen werden, indem man die Verschuldung für den Recovery Fund auf die EU-Ebene hebe. „Aber die Länder haften wie bei einer eigenen Verschuldung“, mahnte Sinn. Die billionenschweren Rettungsprogramme würden zudem mittelfristig Inflationsgefahren bergen. „Die EZB hat über die vergangenen zehn Jahre nach meinen Schätzungen einen Geldüberhang von vier Billionen Euro geschaffen“, sagte Sinn. Dieses Geld werde gehortet, weder ausgegeben noch weiterverliehen, weil die Wirtschaft sich in einer sogenannten Liquiditätsfalle befinde. „Deshalb kam es auch bisher zu keiner Inflation. Das kann sich allerdings irgendwann einmal sehr plötzlich ändern. Nehmen wir an, die Coronakrise ist vorbei, die Wirtschaft erholt sich, die Ölpreise steigen – das kann eine Kosten-Preis-Spirale in Gang setzen.“ Für die EZB würde es dann schwierig, diesen Prozess zu bremsen. Sie müsste „den Geldüberhang wieder reduzieren. Das ginge aber nur, indem sie die Staatspapiere, die sie auf ihre Bücher genommen hat, verkauft“, so Sinn. Das würde die Kurse unter Druck setzen. Die Geschäftsbanken, die ja ähnliche Papiere haben, müssten Verluste schreiben. Es käme dem Ökonomen zufolge zum Bankensterben. „Damit gerieten auch viele überschuldete Staaten ins Trudeln, die ihren Schuldendienst auf dem jetzigen niedrigen Zinsniveau so gerade noch leisten können. Die EZB kann und wird den Rückwärtsgang also schon aus politischen Gründen nicht einlegen, jedenfalls nicht im notwendigen Umfang“, sagte Sinn.

Foto: Fridays-for-Future-Protest, über dts Nachrichtenagentur

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