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Rechtsexperten gegen Corona-Kontrollen in Privatwohnungen

Wohnhaus, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der ehemalige Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ferdinand Kirchhof hat die Forderung von SPD-Politiker Karl Lauterbach nach Corona-Kontrollen von Privatwohnungen zurückgewiesen und als „kontraproduktiv“ bezeichnet. Wichtig sei vor allem, dass die Bevölkerung sich in der Mehrheit an die geltenden Regeln halte, sagte Kirchhof der „Welt“ (Donnerstagausgabe). „Sie akzeptiert die Maßnahmen, ist solidarisch, macht alles mit. Vielleicht nicht gerne – aber freiwillig“, sagte er.

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Bei den wenigen Ausnahmen die Mittel des Rechts anzuwenden, sei richtig. „Aber einer kooperativen Bevölkerung mit der Polizei zu drohen, gefährdet die Gesamtakzeptanz der Maßnahmen und ist deswegen kontraproduktiv“, sagte der Jurist. Auch der Staatsrechtler Ulrich Battis kritisierte Lauterbachs Vorstoß. „Theoretisch ist die Forderung von Herrn Lauterbach vom Recht gedeckt, dennoch halte ich sie für Panikmache“, sagte er. Denn sie erwecke den Eindruck, dass die Polizei demnächst überall klingeln und kontrollieren könne. „Das ist aber völlig unrealistisch.“ Kirchhof und Battis zufolge können Corona-Kontrollen in Privatwohnungen allerdings durchaus verfassungsgemäß sein. „Der springende Punkt ist, dass es einen konkreten sowie hinreichenden Verdacht und damit auch einen Anlass geben muss, damit die Polizei kontrollieren darf“, sagte Battis. Dies dürfe sie immer dann, wenn leibliches Wohl gefährdet sei, zum Beispiel, wenn ein Kind misshandelt werde. „Anlasslose Kontrollen in Privatwohnungen sind allerdings völlig ausgeschlossen“, so Battis. Auch Kirchhof sagte, das Grundgesetz sehe Eingriffe und Beschränkungen zur Verhütung von dringenden Gefahren – insbesondere auch zur Bekämpfung von Seuchen – als zulässig an. „Konkret heißt das: Wenn die Polizei beispielsweise weiß, dass ein privates Familienfest stattfindet, auf der zwei Personen mit Corona infiziert sind, dann wäre es angebracht zu kontrollieren. Aber eine Rasterfahndung, bei der die Polizei jede Wohnung kontrolliert, in der Licht brennt, geht natürlich nicht.“ Kritisch äußerte sich auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Jörg Radek. Lauterbachs Forderung berücksichtige in „keinster Weise die Verhältnismäßigkeit“. Er warnte davor, „dass wir in eine Situation kommen, in der es nicht mehr um gegenseitige Achtsamkeit und soziale Kontrolle geht, sondern in der Wichtigtuer ihren Nachbarn eins auswischen und denunzieren“, so Radek. Viel wichtiger sei es, Maßnahmen breit zu diskutieren und zu erklären. „Dann halten sich Bürger auch dran. Und je eigenverantwortlicher alle handeln, desto weniger braucht es dann die Polizei.“

Foto: Wohnhaus, über dts Nachrichtenagentur

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