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Familienministerium lehnt Länderforderungen für Ganztagsplätze ab

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Die Bundesregierung hat nach dem vorläufigen Scheitern des Ganztagsgesetzes Forderungen der Bundesländer nach weiteren Finanzspritzen eine Absage erteilt. „Der Bund ist den Ländern bereits mehrfach entgegengekommen“, sagte eine Sprecherin des Familienministeriums der „Welt“ (Donnerstagausgabe).

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„Der Rechtsanspruch wird nun nicht, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ab 2025 für alle Grundschulkinder eingeführt, sondern erst ab dem Schuljahr 2026/2027 stufenweise, beginnend mit den Kindern der ersten Klasse.“ Außerdem seien die ursprünglich vorgesehenen Finanzhilfen von 2 auf bis zu 3,5 Milliarden Euro aufgestockt worden, so die Sprecherin. Der Bundesrat hatte das zustimmungspflichtige Gesetz, mit dem jedem Grundschulkind ein Ganztagsplatz angeboten werden soll, am 25. Juni überraschend mehrheitlich abgelehnt und in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Dort müssen sich jetzt Bundestag und Bundesrat erneut einigen.

Begründet wurde die Ablehnung unter anderem der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen mit einer zu hohen Finanzlast der Länder bei den laufenden Kosten und einer Forderung nach höherer Beteiligung des Bundes. Der Ausbaubedarf der Ganztagsplätze sei aber nun sogar geringer als gedacht, sagte die Ministeriumssprecherin: „Das macht es für Länder und Kommunen einfacher und preiswerter. Daher müsste im Vermittlungsausschuss erst recht eine gute Lösung erzielt werden können.“ Experten bestätigten, dass das Projekt keineswegs teurer wird.

Satt ursprünglich 800.000 Ganztagsplätzen fehlen laut aktuellen Berechnungen nur noch rund 600.000, teilte das Deutsche Jugendinstitut (DJI) der „Welt“ mit. DJI-Direktor Thomas Rauschenbach appellierte an die Beteiligten, dies einzukalkulieren: „Es handelt sich hier um eine neue Größenordnung. Wenn man an einem Konsens interessiert ist, sollte man dies berücksichtigen.“ Die Betriebskosten könnten laut Rauschenbach sogar noch niedriger ausfallen.

Denn das Gesetz mache keine Vorgaben zur Qualifikation des Personals. Es sei davon auszugehen, dass nicht nur ausgebildete Lehrer und Erzieherinnen eingestellt werden, sondern auch kostengünstigere Kräfte. Sozial- und Familienverbände warnten vor den Folgen eines Scheiterns des Gesetzes. „Es ist ein Armutszeugnis, dass ausgerechnet das reiche Deutschland nicht in der Lage ist, allen Kindern einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule zu garantieren“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbunds, Heinz Hilgers, der „Welt“.

Auch der Verband alleinerziehende Mütter und Väter (VAMV) äußerte sich besorgt. Ein Scheitern wäre für Alleinerziehende „eine wirklich bittere Pille“, sagte Geschäftsführerin Miriam Hoheisel der Zeitung. „Eine verlässliche ganztägige Bildung und Betreuung ihrer Schulkinder ist für Alleinerziehende existenziell.“ Der Paritätische Gesamtverband nannte es „sehr bedauerlich“, dass es nicht gelungen sei, das Gesetz durch das parlamentarische Verfahren zu bringen: „Das Vorhaben bildet einen logischen Anschluss an den Rechtsanspruch auf ein öffentlich verantwortetes Angebot der Kindertagesbetreuung“, sagte eine Sprecherin.

Das Ganztagsgesetz sieht für jedes Kind, das ab Sommer 2026 eingeschult wird, in den ersten vier Schuljahren einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz vor. Die Länder hatten auf diesen schrittweisen Ausbau gedrängt. Als Anschubfinanzierung für Räume und Ausstattung an den Schulen investiert der Bund 3,5 Milliarden Euro. Zum Zankapfel werden nun aber die Personal- und Betriebskosten von ursprünglich geschätzten 4,5 Milliarden Euro im Jahr.

Den größten Teil davon müssen die Länder aufbringen, der Bund zahlt jährlich eine Milliarde Euro für die Betriebskosten. Sollte keine Einigung mehr in dieser Legislaturperiode zustande kommen, wäre der Ganztagsanspruch für Grundschüler gescheitert. Auch die vom Bund eingestellten 3,5 Milliarden verfallen dann.

Foto: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, über dts Nachrichtenagentur

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