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Bundeskabinett beschließt neue Gedenkstättenkonzeption

via dts Nachrichtenagentur

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos) vorgelegten Entwurf für ein neues Gedenkstättenkonzept beschlossen. Damit wird nach 17 Jahren die bisherige Fassung aus dem Jahr 2008 überarbeitet.

Die neue Gedenkstättenkonzeption soll die Grundlage für die Förderung und Weiterentwicklung der Gedenkstätten dienen, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus und das SED-Unrecht erinnern. Um neuen Herausforderungen zu begegnen, definiert der Bund den Erhalt der historischen Orte, die Digitalisierung und digitale Formate sowie die Vermittlung und Forschung als neue Schwerpunkte bei der Projektförderung.

„Die Bundesrepublik Deutschland trägt eine dauerhafte Verantwortung, die staatlich begangenen Verbrechen des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten und der Opfer zu gedenken“, sagte Weimer. „Gedenkstätten und Erinnerungsorte sind dabei zentrale Pfeiler unseres demokratischen Selbstverständnisses. Sie halten die Erinnerung an Unrecht, Verfolgung und das Leid der Opfer wach, sie fördern historisches Wissen und leisten einen bedeutenden Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie“, erklärte er. „Die Unterstützung der Gedenkstätten bleibt daher eine zentrale Aufgabe der Bundesregierung.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte die Fortschreibung des Gedenkstättenkonzepts. „Der klare Fokus auf die Verbrechen der NS-Diktatur und der Schwerpunkt auf den singulären Zivilisationsbruch der Schoah senden dabei angesichts der aktuellen Herausforderungen und der Bedrohung jüdischen Lebens durch den wieder aufkeimenden Antisemitismus das richtige Signal“, sagte er. „Der Erhalt der historischen Orte, die Digitalisierung der Inhalte sowie der verstärkte Fokus auf Vermittlung sind allesamt Aktualisierungen des Konzepts, die der zunehmenden zeitlichen Ferne zur Schoah Rechnung tragen und einem Verblassen oder Verwischen der Erinnerung entgegenwirken können.“

Evelyn Zupke, Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag, bezeichnete die Gedenkstätten als „Teil der kritischen Infrastruktur unserer Demokratie“. So wie man Schienen, Straßen und Brücken saniere und modernisiere, müsse man auch Einrichtungen zur Geschichtsvermittlung „fit machen für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft“, erklärte Zupke.

Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, sagte, alle Gedenkstätten müssten sich für die Zukunft wappnen. Man trete in die Phase ein, in der Zeitzeugen des Holocaust keine Stützen des Erinnerns mehr sein können- Authentischen Orte würden eine noch größere Bedeutung gewinnen. „Es besteht immenser Handlungsbedarf, dessen Herausforderungen die Konzeption beschreibt“, so Neumärker.

Kritik kam von den Grünen. „Über 17 Jahre lang wurde die Gedenkstättenkonzeption nicht novelliert“, sagte Kulturpolitikerin Marlene Schönberger (Grüne) der „Welt“ (Donnerstagausgabe). Die „plötzliche Eile“, also „ein Kabinettsbeschluss statt eines integrativen Prozesses“ mit allen Beteiligten, verwundere sie.

„In einer Zeit, in der erstmals eine Mehrheit einen Schlussstrich unter die Erinnerung an den Nationalsozialismus ziehen will, Gedenkstätten massiv unter Druck stehen und sich die Erinnerung an die deutschen Kolonialverbrechen erst im Aufbau befindet, ist das fatal“, so Schönberger. Sie fordert, dass der Kolonialismus als „dritte Säule der Erinnerungskultur“ verankert werden müsse – ohne finanzielle Abstriche bei den anderen beiden Säulen.

Zum Fehlen deutscher Kolonialverbrechen im Konzept sagte Helge Lindh (SPD), entscheidend sei, dass man das Erinnerung an NS-Unrecht, SED-Verbrechen und die kolonialen Gewalttaten nicht als Konkurrenz verstehe oder gegeneinander verrechne. Ein formaler Grund für die „Nichtberücksichtigung im Gedenkenstättenkonzept ist, dass die Orte der Verbrechen im Fall Kolonialismus insbesondere in den kolonisierten Gebieten und nicht im deutschen Einzugsbereich lagen“, sagte Lindh der „Welt“.

Die Bundesregierung erklärte, dass man der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte große Bedeutung beimesse. Man wolle sie in einem eigenständigen Konzept unterstützen, hieß es.

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